Feuilleton

In der Weihnachtsbäckerei

24 Gewürze und Backzutaten pharmazeutisch betrachtet, 3. Teil

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In der letzten Ausgabe der DAZ (Nr. 49) machten wir uns auf die Suche nach falschen Nüssen und Bohnen mit psychoaktivem Potenzial. Heute geht es darum, wie uns das Weihnachtsgebäck die Adventszeit so richtig versüßen kann – auch ganz ohne Zucker und Honig. Denn dafür stehen kandierte Zitrusfrüchte und kostbare Blütenwässer auf vielen Rezepten. Und auch bei diesen Zutaten findet man wieder interessante Bezüge zur Pharmazie. | Von Armin Edalat

Anis – mit und ohne Stern

Die Unterschiede zwische

n Sternanis und Anis scheinen ­offensichtlich: Während die achtzackigen Balgfrüchte des Sternanis vorzugsweise für weihnachtliche Basteleien und Dekorationen verwendet werden, landen die kleinen Anisfrüchte meistens als Gewürz in Backwaren, Süßspeisen und (hochprozentigen) Getränken. Sternanis schmeckt brennend-würzig. Anis hat eine süße Note. Auch botanisch gesehen sind die beiden Stammpflanzen alles andere als verwandt: Echter Sternanis (Illicium verum) ist ein immergrüner Laubbaum aus der kleinen Familie der Sternanisgewächse (Schis­andraceae), der in Südchina und Vietnam beheimatet ist und in Europa erst ab dem 16. Jahrhundert bekannt wurde. Anis (Pimpinella anisum) gehört hingegen zu den Doldenblütlern (Apiaceae); das einjährige Kraut wird bereits seit früh­geschichtlichen Zeiten in Ostmitteleuropa als Genussmittel und zu Heilzwecken verwendet.

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Unverkennbar: Seiner Form und seinem Duft verdankt der Sternanis seinen Namen. Die Beteonung von „Anis“ ist un­einheitlich: Im süddeutschen Sprachraum liegt sie auf dem A.

Aus pharmazeutischer Sicht haben die beiden Pflanzen jedoch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede: Das Anisöl (Anisi aetheroleum) aus beiden Früchten ist qualitativ nahezu identisch zusammengesetzt. Der Hauptinhaltsstoff trans-Anethol (80 – 90%) wirkt schwach antimikrobiell, expektorierend und karminativ. Es wird vor allem aus Sternanis gewonnen, weil dieser sich leichter kultivieren lässt und ertragreicher ist. Immer häufiger dient trans-Anethol als billiger Zusatzstoff in Gewürzmischungen und Arznei­zubereitungen [30].

Succade passt zu Schokolade …

… jedenfalls in der Weihnachtsbäckerei. Die Versüßung von Früchtebrot oder traditionellem Weihnachtsstollen kann nicht nur mit Zucker oder Honig gelingen, sondern auch mit dem Zusatz von Zitronat (Succade) und

Orangeat – woran sich bekanntlich die Geschmacksgeister scheiden. Gewonnen werden sie durch Kandieren der Schalen von Zitrusfrüchten mit einem besonders ausgeprägten Mesokarp. Zi­tronat entsteht dabei aus der Zitronatzitrone (Citrus medica), die um das Jahr 70 n. Chr. von jüdischen Migranten als erste Zitrusfrucht nach Europa eingeführt wurde. Zitronat ist eine Zutat zum mondförmigen Zedernbrot und hat diesem sogar den Namen gegeben, denn Bestandteile von Zedernbäumen finden sich nicht im Rezept.

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Die Zitronatzitrone besitzt ein besonders dickes Mesokarp (weiß). Durch Kandieren entsteht daraus Zitronat oder Succade.

Zur Herstellung von Orangeat verwendet man die Bitterorange oder Pomeranze (Citrus × aurantium), die erst 1000 Jahre später als die Zitronatzitrone nach Europa gelangte. Bereits in der Frühzeit der pharmazeutischen Chemie konnte aus ihr ein interessanter Stoff isoliert werden: Im Jahr 1828 gewann der französische Apotheker Le Breton aus der inneren weißen Schicht der Schalen das Flavonoid Hesperidin, welches als Venentherapeutikum bei Krampfadern oder Hämorrhoiden eingesetzt wird, weil es das Gefäßendothel abdichtet [31]. Außerdem wirkt es antioxidativ, cholesterolsenkend und entzündungshemmend [32 – 34].

Mit Synephrin existiert dagegen ein Ephedrin-ähnliches Alkaloid in Bitterorangen, das als direktes Sympathomimetikum durchaus negative Folgen hervorrufen kann. Es ist in Sportler- und Schlankheitsmitteln („Fatburner“) enthalten und hat bereits zusammen mit anderen Kreislauf-anregenden Stoffen wie Coffein und bei körperlicher Anstrengung Fälle von hypertensiven Krisen, Herzinfarkten und Herzrhythmusstörungen verursacht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, dem Körper durch Nahrungsergänzungsmittel nicht mehr als 6,7 mg Synephrin pro Tag zuzuführen, sodass bei zusätzlichem Verzehr von Orangensaft, Mandarinen oder Bitterorangenmarmelade der Grenzwert von 25,7 mg pro Tag unterschritten bleibt [35].

Blütenwässer

Mit Rosenwasser (Aqua rosae) und Orangenblütenwasser (Aqua florum aurantii) werden vor allem im orientalischen Kulturraum Süßspeisen wie Marzipan oder Gebäck veredelt. Auch einige alkoholfreie Getränke und Cocktails erhalten mit den ätherischen Wässern ihre besondere Note. Sie können Bestandteil von Kosmetika sein oder unverarbeitet als klärende und beruhigende Gesichtswässer dienen. Rosenwasser ist ein beliebter geruchskorrigierender Hilfsstoff in Rezepturen für Cold Creams und Kühlsalben. In der Aromatherapie wird ihnen eine harmonisierende, erotisierende und stabilisierende Wirkung nachgesagt.

„Brauchen wir nicht Schokolade, Zucker, Honig und Succade und ein bisschen Zimt? Das stimmt!“

Aus dem Lied: „In der Weihnachtsbäckerei“(Autor: Rolf Zuckowski)

Als Nebenprodukte der Wasserdampfdestillation – sie sind gewissermaßen das „Kondenswasser“ – enthalten sie die wasserlöslichen Verbindungen der Pflanzenteile sowie Spuren des ätherischen Öls. Diese sogenannten Hydrolate sind sehr anfällig gegenüber Verkeimung und werden daher oft mit Alkohol oder Konservierungsmitteln versetzt. Auch kann das ätherische Öl erst nachträglich zugefügt sein, oder es werden ausschließlich künstliche Aromastoffe mit Wasser verdünnt. So findet sich im DAB 6 von 1926 eine Vorschrift für Aqua rosae, in der lediglich Rosenöl mit Aqua conservata vermischt wird. Dieses Verfahren wird auch heutzutage von namhaften Herstellern durchgeführt [36].

Safran macht den Kuchen gehl

Das kostbarste und sagenumwobenste Gewürz aller Zeiten hat passenderweise die Eigenschaft, jegliche Speisen, in denen es verwendet wird, auffallend goldgelb (veraltet: gehl) einzufärben. Aus den drei Narbenästen der violetten Blüten von Crocus sativus wird mit mühevoller Handarbeit Safran gewonnen. Seine Ernte kann nur in ganz wenigen Herbst­wochen erfolgen, und die tägliche Ausbeute liegt deutlich unter 100 Gramm je Pflücker – und für ein Gramm werden mehr als 160 Safranfäden benötigt.

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Jede Krokusblüte besitzt drei fadenförmige Narben, die nach der Ernte mit der Hand herausgezupft werden – das ist der legendäre Safran.

Anbaugebiete finden sich hauptsächlich in Vorderasien (Iran, Afghanistan, Kaschmir), ferner im Mittelmeerraum (v. a. Südspanien) und sogar in den Alpen. Vermutlich kamen die meisten Völker des Altertums mit den roten Fäden in Kontakt: Zeus soll sich auf Safran gebettet haben, römische Kaiser mischten ihn ins Badewasser, und von den Phöniziern bis hin zu den mittelalterlichen Gelehrten wurde Safran zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen, Atemwegs­beschwerden oder gynäkologischen Leiden ein­gesetzt.

Abgesehen von seiner mythologischen und kultischen Bedeutung, existiert ein interessanter Zusammenhang zwischen Safran und zentralnervösen (Neben-)Wirkungen, die von euphorisierend, stimmungsaufhellend bis zu berauschend reichen. Dies ist wohl ein entscheidender Grund, weshalb Safran in elitären Kreisen gern überdosiert und mit alkoho­lischen Getränken eingenommen wurde. Die psychoaktive Komponente im Safran ist gleichzeitig sein Farbstoff: ein Gemisch wasserlöslicher, rotorange gefärbter Crocine, die von Carotinoiden abstammen; sie bestehen aus dem Diterpen-Grundkörper Crocetin, der mit ein bis zwei Zucker­bausteinen (Glucose oder Gentiobiose) verestert ist. Aus pharmakokinetischen Studien ist bekannt, dass Crocine gewissermaßen als Prodrugs fungieren, indem sie nach ihrer Hydrolyse das Aglykon Crocetin freigeben. Dieses ist im Plasma verfügbar und überwindet nachweislich die Blut-Hirn-Schranke. In Rezeptorbindungsstudien bzw. klinischen Tests konnte gezeigt werden, dass Crocetin eine antagonistische Wirkung am NMDA-Rezeptor besitzt und dass es ähnlich anti­depressiv wirkt wie Fluoxetin oder Imipramin.

Lussekatter – mit Safran gegen den Teufel

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Am 13. Dezember feiern die Schweden den Tag der heiligen Lucia (Name von lat. lux = Licht), der bis zur Einführung des Gregorianischen Kalenders (1752) als kürzester Tag des Jahres galt. Mädchen in langen weißen Gewändern und mit Kerzenkronen auf dem Kopf ziehen dann umher, singen Lucialieder und reichen ihren Familienmitgliedern „Lussekatter“ (d. h. Luciakatzen), ein traditionelles Hefe-Safran-Gebäck.

Der Legende nach soll der Teufel sich als Katze verkleidet und böse Kinder geschlagen haben, Jesus dagegen verteilte süße Brötchen an die braven Kinder. Um den lichtscheuen Teufel abzuwehren, werden die Lussekatter mit Safran leuchtend gelb eingefärbt.

Zutaten:

50 g Butter; 150 ml Milch; 25 g Hefe; 350 g Mehl; 50 g Zucker;

1 Ei; 1 g Safran; 1 Eigelb; 1 Prise Salz; Rosinen

Zubereitung:

Die Hefe in der warmen Milch auflösen und zermörserte Safranfäden einrühren. Das Mehl mit der Hefemilch, Zucker und Salz verrühren. Ei und Butterflocken hinzugeben, gut durchkneten und ca. 1 Stunde zugedeckt gehen lassen. Teig zu mehreren fingerdicken Strängen ausrollen und als „S“ formen. Eigelb mit Wasser verquirlen und die Lussekatter damit einpinseln, an den Enden je eine Rosine (oder 2 – 3) eindrücken. Bei 200 – 225 °C ca. 10 min backen.

Doch ob Safranextrakt oder einzelne Inhaltsstoffe einmal als Arzneimittel verfügbar sein werden, bleibt abzuwarten: Pharmazeutische Hersteller weisen darauf hin, dass die Entwicklung am fehlenden Patentschutz scheitern könnte. Nachteilig sind ferner die hohen Rohstoffkosten und die Tatsache, dass die Anbaugebiete überwiegend in politischen Krisenregionen liegen [37]. |

Fortsetzung folgt in DAZ Nr. 51.

Autor

Dr. rer. nat. Armin Edalat, 2010 Approbation als Apotheker, Studium der Pharmazie und Promotion im Bereich Pharmakologie an den Universitäten Bonn, Tübingen und Münster. Seit 2014 Filialleiter der Schönbuch Apotheke Holzgerlingen.

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