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Umgehung der Preisbindung verbieten

Schweim, Meyer und Mand mit gemeinsamer Empfehlung gegen Rx-Boni

HAMBURG (tmb) | Neben der Beschränkung des Versands sollten die Apotheker auch auf ein Verbot von Umgehungen der Preisbindung hinarbeiten. Das ist die Empfehlung einer Expertenrunde aus dem Arzneimittelzulassungsexperten Prof. Harald G. Schweim und den Juristen Prof. Hilko J. Meyer und Prof. Elmar Mand, die am 12. Dezember über mögliche Reaktionen auf das EuGH-Urteil zur Preisbindung beriet. Außerdem solle ein erneutes EuGH-Verfahren geprüft werden, ­raten die Juristen.

Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, und Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, hatten zu dem Expertentreffen in Hamburg geladen. Alle Teilnehmer der Runde begrüßten den Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Gröhe, mit dem der Versand auf OTC-Arzneimittel begrenzt werden soll. Schweim äußerte jedoch Zweifel, ob dies bis zur Bundestagswahl umgesetzt werde. Daher empfahl er zusätzlich, die Rechtslage in den Niederlanden intensiver zu prüfen. Es sollte geklärt werden, ob die dortigen Versandapotheken, deren Arbeit auf den deutschen Markt ziele, allen niederländischen Regularien gerecht würden. Außerdem sollte hinterfragt werden, ob die dortigen Rechtsvorschriften den deutschen Regeln so ähnlich sind, wie es das einschlägige deutsche Gesetz fordert.

Meyer bekräftigte seinen Vorschlag, den Versand von Rx-Arzneimitteln nach Deutschland in § 78 AMG als Umgehungsgeschäft zu verbieten („Die Umgehung der Preisbindung lässt sich gesetzlich verhindern“, DAZ 2016, Nr. 48, S. 11). Denn die Arzneimittel würden Deutschland nur „für eine juristische Sekunde“ verlassen, um damit die Preisbindung zu umgehen.

Foto: DAZ/tmb
Die Expertenrunde im Hamburger Apothekerhaus war sich einig: Auch ein kleiner Bonus hebelt das Preisrecht aus. Von links: Dr. Jörn Graue, Prof. Dr. Harald G. Schweim, Dr. Peter Froese, Prof. Dr. Elmar Mand, Prof. Dr. Hilko J. Meyer

Neues EuGH-Verfahren?

Meyer und Mand sehen zudem viele Umgereimtheiten in der Argumentation des EuGH. Mand betonte, dass der EuGH bis 2005 über die Argumentation mit den Grundfreiheiten in nationale Regeln eingegriffen habe, dann aber umgeschwenkt sei. Seitdem habe er in 49 aufeinander folgenden Entscheidungen den EU-Mitgliedstaaten immer wieder einen Wertungsspielraum zuerkannt. Mit dem jüngsten Urteil zur Preisbindung habe der EuGH diese Linie wieder verlassen, ohne diese Abweichung von seiner über zehn Jahre vertretenen Position zu begründen, erklärte Mand mit Verwunderung. Es stelle sich die Frage, ob dies ein Ausreißer oder ein Paradigmenwechsel sei. Daher sei es aussichtsreich, einen ähnlichen Fall erneut dem EuGH vorzulegen und die große Kammer damit zu befassen, folgerten Meyer und Mand übereinstimmend. Dazu müsse ein Fall so vorangetrieben werden, dass der BGH für eine solche Vorlage entscheidet. Dies werde allerdings nicht kurzfristig geschehen.

Gegen alle Ansätze über das Sozialrecht wandte Mand ein, dies könne zu getrennten Entwicklungen für die GKV und die PKV führen. Dies sei politisch problematisch. Möglicherweise biete das Heilmittelwerberecht eine Alternative.

Vorsicht vor Boniregelung

Letztlich einigten sich die drei Experten auf die gemeinsame Empfehlung, zusätzlich zur Versandbeschränkung den Plan von Meyer für ein Umgehungsverbot zu verfolgen. Ebenso einig waren sie sich in ihrer kritischen Bewertung zur Regelung von Boni. Ein komplettes Boniverbot im Sozial- oder Heilmittelwerberecht sichere die Preisbindung, aber möglicherweise führe dieser Ansatz nur zu einer Begrenzung der Boni. Doch auch mit einem kleinen Bonus von vielleicht nur einem Euro würde die strikte Preisbindung in Deutschland aufgehoben und die Idee der Gleichpreisigkeit aufgegeben. Aus der virtuellen Gefahr, dass die deutsche Preisbindung über das Ausland ausgehebelt werde, werde dann eine reale Gefahr. Denn im Gegensatz zum EuGH-Urteil betreffe eine solche Regelung dann alle Apotheken in Deutschland. Dieses Problem befürchten die Experten auch, wenn die Krankenkassen die Möglichkeit erhielten, die Boni einzustreichen. Denn dies könnte Anreize schaffen, die Versicherten umzusteuern. |

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