Therapien im Gespräch

Infektionen kommen und gehen

Aber bleiben sollen sie nicht – von den Plänen der WHO

rr | BSE, SARS, MERS, Ebola – jedes Jahr beherrscht eine andere Epidemie die Medien. Welche Infektionen beschäftigten uns im Jahr 2016? Was kommt als Nächstes? Und viel wichtiger: Wann und wie werden wir die Infektionen wieder los?

Früher waren es die Pest und die Pocken, die weltweit Millionen Menschenopfer forderten. Trotz moderner Medizin fürchten wir uns auch heute noch vor Infektionen, vor allem wenn man der Verbreitung eines Erregers (zunächst) machtlos gegenübersteht, wie das Toben des Ebolafiebers in Afrika gezeigt hat. „Da die mikrobielle Ökologie mit Mutationen und Selek­tion resistenter Erreger sehr viel rascher anpassungsfähig ist, laufen wir diesen Entwicklungen immer nur hinterher“, gab Prof. Dr. med. Johannes Hübner, Abteilung pädiatrische Infektiologie an der Universität München, in einem Kommentar zu bedenken (DAZ 39, S. 58).

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Viren und Bakterien bedrohen die Welt. 2016 beschäftigte uns der Zika-Virus.

Ein Blick zurück auf 2016

Die Zika-Epidemie. Das Zika-Virus ist bereits seit 1947 bekannt. Der erste große Ausbruch begann 2007 auf den pazifischen Yap-Inseln und erreichte Brasilien im Jahr 2015. Am 1. Februar 2016 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den globalen Gesundheitsnotstand aus (DAZ 5, S. 34). Im Vorfeld der Olympischen Spiele im Sommer 2016 wurde besonders Schwangeren davon abgeraten, in Epidemiegebiete zu reisen, da die Virus-Infektion mit dem Auftreten von Mikrozephalie bei Neugeborenen in Verbindung gebracht wurde. Dieser Zusammenhang wurde im Verlauf des Jahres belegt (DAZ 7, S. 8). In Deutschland wurden einige Zika-Infektionen von Reiserückkehrern gemeldet. Eine Ansiedelung des Virus halten Experten aber für äußerst unwahrscheinlich. Dafür bestätigte sich der Verdacht, dass das Virus sexuell übertragbar ist. Epidemiologen gehen davon aus, dass die Zika-Epidemie in Brasilien in drei Jahren beendet ist, da die Herdenimmunität dann groß genug sein wird (DAZ 30, S. 8). Der globale Gesundheitsnotstand wurde im November aufgehoben.

„It’s tough to make predictions, especially about the future“

Yogi Berra, Baseballspieler. Eine gute Antwort auf die Frage, welche Infektion uns 2017 erwartet.

Die Vogelgrippe. Dafür drohte übergangslos die nächste Gefahr: die aviäre Influenza. Schon im Jahr 2014 wurde Deutschland von der Vogel­grippe heimgesucht. In diesem Jahr sorgt das Virus H5N8 für Beunruhigung (DAZ 47, S. 40). Obwohl bisher kein Fall bekannt ist, in dem auch ein Mensch infiziert wurde, gelten seither erhöhte Sicherheitsvorkehrungen bei der Geflügelzucht.

Das Comeback der vergessenen Krankheiten. Mit den Flüchtlingen kamen 2016 einige Infektionskrankheiten nach Deutschland zurück, die hierzulande schon seit Langem aus­gerottet sind, darunter Syphilis, Rückfallfieber und Brucellose (DAZ 35, S. 64). Eine besondere Herausforderung stellten auch die Ausbrüche von Skabies in Erstaufnahmeeinrichtungen dar, auf die man mit der beschleunigten Zulassung von oral applizier­barem Ivermectin reagierte (DAZ 17, S. 23). Im August erregte der Fall einer 82-jährigen Frau Aufsehen, die infolge einer Verletzung bei der Gartenarbeit an Wundstarrkrampf verstarb (DAZ 35, S. 28). Die Infektion ist in Deutschland nur noch theoretisch bekannt. Die erfolgreiche Immunprophylaxe in den letzten Jahrzehnten führte mit der Zeit wohl aber zu einer Impfmüdigkeit.

Und ein Blick in die Zukunft

Bei einigen Infektionskrankheiten ist es theoretisch möglich, sie für immer loszuwerden – Impfungen und gezielten Therapien sei Dank. In der DAZ haben wir uns einige der WHO-Ziele im Kampf gegen Infektionen genauer angesehen und gefragt: Ist die Elimination realistisch oder völlig abwegig?

Polio fast ausgerottet

Im Jahr 2016 hat die WHO in 155 Ländern den bisherigen trivalenten Polio-Impfstoff vernichten und gegen einen bivalenten austauschen lassen (DAZ 17, S. 20). Diese zunächst ungewöhnlich klingende Maßnahme war nötig, da die Schluckimpfung den Polio-Wildvirus Typ 2 enthielt, der weltweit nicht mehr vorkommt, in abgeschwächter Variante im Impfstoff jedoch wieder zur Gefahr werden kann. Die Krankheit ist heute zu 99% eradiziert.

HIV – planmäßig bis 2030. Im Jahr 1981 wurden die ersten AIDS-Fälle beschrieben (DAZ 48, S. 66). Die Pharmakotherapie hat sich seitdem stetig verbessert und es werden laufend neue Arzneistoffe und Kombinationen zugelassen. Seit August 2016 ist Truvada®, eine Kombination aus Emtricitabin und Tenofovir, in Europa zur postexpositionellen Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zugelassen. Der Plan, die AIDS-Epidemie (nicht das HI-Virus!) zu eliminieren, folgt der 95-95-95-Strategie: Bis 2030 müssen 95% aller Menschen mit HIV diagnostiziert werden, 95% der Diagnostizierten antiretroviral behandelt werden und 95% der Therapierten unter der Nachweisgrenze liegen (weniger als 50 Kopien pro ml Blut).

„Wenn eine Eliminierung der AIDS-Epidemie bis 2030 theoretisch möglich ist, dann können wir das gemeinsam auch schaffen.“

Dr. med. Annette Haberl vom HIVCENTER Frankfurt/Main.

Tuberkulose – planmäßig bis 2030. Die Tuberkulose verlor in Deutschland fast vollständig an Bedeutung mit einem historischen Tiefpunkt im Jahr 2012 (DAZ 45, S. 42). Weltweit zählt sie allerdings noch immer zu den zehn häufigsten Todesursachen. Durch die Migration von Menschen aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Inzidenz und die steigenden Resistenzraten wird die Tuberkulose auch hierzulande wieder zum Thema. Die WHO strebt das Ziel an, die Zahl der Todesfälle infolge Tuberkulose bis 2030 im Vergleich zu 2015 weltweit um 90% und die Zahl der Neuerkrankungen um 80% zu senken.

„Ich halte dieses Ziel zum jetzigen Zeitpunkt für völlig unrealistisch. Wenn man eine Kontrolle der Tuberkulose als Ziel anstreben würde, wäre das schon völlig ausreichend.“

Prof. Dr. Christoph Lange vom Klinischen Tuberkulosezentrum am Forschungszentrum Borstel

Hepatitis B/C – planmäßig bis 2030. Etwa 3% der Weltbevölkerung sind chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert, fast ebenso viele mit dem Hepatitis-C-Virus (DAZ 34, S. 28). Leberzirrhose und Leberkrebs können langfristige Folgen sein. Koinfektionen mit beiden Heptitis-Virustypen haben eine besonders schlechte Prognose. Gegen Hepatitis B kann man sich mit einer Impfung schützen, und dank spezifisch wirkender Arznei­stoffe gilt die chronische Hepatitis C mittlerweile als heilbar. Damit sind die Voraussetzungen, eine der größten globalen Gesundheitsgefahren eliminieren zu können, zumindest theoretisch erfüllt. Neue Herausforderungen ergeben sich daraus, dass es unter Therapie mit den direkt antiviral wirkenden Substanzen zur Behandlung der Hepatitis C zu einer Reaktivierung einer zurückliegenden Hepatitis-B-Infektion kommen kann.

Im Mai dieses Jahres verabschiedeten 194 Länder eine Strategie, nach der bis zum Jahr 2030 die Zahl der Neuinfektionen um 90% und die der Todesfälle um 65% reduziert werden sollen.

„Eine Eradikation der viralen Hepatitis in dieser Zeit ist aus meiner Sicht kaum realistisch machbar, insbesondere wegen der fehlenden Impfung gegen Hepatitis C.“

Prof. Dr. Christoph Sarrazin vom Universitätsklinikum Frankfurt.

Masern – planmäßig bis 2020. Die Eradikation der Masern ist theoretisch kein Problem, da ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Einige Regionen gelten bereits als masernfrei, darunter Nord- und Südamerika. Deutschland meldete dagegen 2015 so viele Masern-Fälle wie lange nicht mehr und gefährdet das Ziel der WHO, Masern bis 2030 weltweit zu eliminieren (DAZ 50, S. 30). Diese fordert einen Zielwert von weniger als einem Masern-Fall pro 1 Million Einwohner und eine völlige Abwesenheit endemischer Infektionen über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten. |

„Der Kampf gegen die Masern ist ein konstanter Prozess und nicht mit einem konkreten Zeitpunkt zu benennen. Auf einer Skala von 1 bis 10 stehen wir momentan etwa bei 7.“

Dr. med. Dorothea Matysiak-Klose vom Robert Koch-Institut (RKI)

Ofloxacin und Co in der Kritik

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA möchte Fluorchinolone künftig mit Warnhinweisen kennzeichnen, um verstärkt auf die möglichen schweren Nebenwirkungen wie Tendopathien und ZNS-Störungen aufmerksam zu machen.

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