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Ausweg Länderliste?

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Arzneimittelgesetz, Apothekengesetz, Apothekenbetriebsordnung – die Liste der Gesetze und Verordnungen, gegen die der Arzneimittel-Abgabeautomat in Hüffenhardt verstößt, ist lang. Das machen die beiden auf Apotheken- und Arzneimittelrecht spezialisierten Juristen Dr. Sabine Wesser und Dr. Valentin Saalfrank in einem Gutachten deutlich, das in den kommenden Wochen erscheinen wird. In dieser Ausgabe der DAZ erläutern die Autoren, warum in ihren Augen der Betrieb des Arzneimittel-­Automaten mit Videoberatung nicht nur ordnungswidrig, sondern auch strafbar ist. Und fragen sich, warum eigentlich die für Hüffenhardt zuständige Staatsanwaltschaft noch nicht aktiv geworden ist (siehe „Tatort Hüffenhardt“, S. 20 dieser DAZ).

Gleichzeitig zeigen sich in Berlin Gesundheitspolitiker besorgt über die starken Umsatzsteigerungen von DocMorris in den ersten drei Monaten des Jahres. Um gut 17 Prozent stieg der Erlös insgesamt, zwar wohl vor allem, weil die Holländer deutlich mehr OTC-Arzneimittel verkauft haben als im Vorjahr. Doch auch der Umsatz mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln stieg um 6 Prozent und damit stärker als der entsprechende Umsatz der deutschen Apotheken. Daraus folgt, dass DocMorris an Marktanteilen gewinnen konnte. Der CDU-Apothekenexperte Michael Hennrich fürchtet nun, dass DocMorris in den kommenden Monaten seinen Marktanteil noch weiter steigern könnte. Denn wegen der bevorstehenden Bundestagswahl wird in der aktuellen Legislaturperiode wohl keine gesetzliche Regelung mehr verabschiedet, die den unfairen Wettbewerbsvorteil der ausländischen gegenüber den deutschen Apotheken beendet. Dieser könnte also (mindestens) für die kommenden Monate bestehen bleiben (siehe „DocMorris wächst – Politiker sind alarmiert“, S. 11 dieser DAZ).

Doch Wesser und Saalfrank weisen auf einen möglichen Ausweg hin: In ihren Augen zeigt das Verhalten von DocMorris und vor allem das Untätigbleiben der zuständigen niederländischen Aufsichtsbehörde, dass in den Niederlanden offenbar nicht die gleichen Sicherheitsstandards beim Betrieb einer Versandapotheke gelten wie in Deutschland. Sie fragen sich deshalb, ob die Niederlande weiterhin auf der sogenannten Länderliste des Bundesgesundheitsministeriums bleiben können. Würde das Ministerium die Niederlande von dieser Liste streichen, dürften Apotheken von dort keine Arzneimittel mehr nach Deutschland versenden. Auch der ehemalige BfArM-Chef Prof. Dr. Harald Schweim hat schon angeregt, diese Liste zu überprüfen. Immerhin seien mit der ApBetrO-Novelle von 2012 wesentliche Anfor­derungen an deutsche Apotheken verschärft worden, und es sei nicht klar, ob diese schärferen Anforderungen in den Niederlanden auch gelten und durchgesetzt werden (s. „Mord an der Apotheke – Teil 2“ in DAZ 2017, Nr. 4, S. 22).

Ganz abgesehen von solchen Überlegungen ist und bleibt es aber unverständlich, warum sich insbesondere Sozialdemokraten und Grüne bei aller rhetorischen Unterstützung für die deutschen Apotheken nicht zu einer schnellen gesetzlichen Regelung zum Schutz der flächendeckenden Versorgung in Deutschland haben durchringen können. Denn die Folgen des EuGH-Urteils waren vorhersehbar, und nicht nur die Standesvertreter der Apotheker haben immer wieder vor der Situation gewarnt, die nun eingetreten ist. Doch SPD, Grüne und FDP haben lieber das Geschäftsmodell einer ausländischen Kapitalgesellschaft geschützt, die in Hüffenhardt exemplarisch zeigt, was sie von deutschen Verbraucherschutzgesetzen hält: Nämlich gar nichts!


Benjamin Wessinger

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