(Fotos: jb/DAZ)

Kongresse

Atemlos in Schladming

Atemwegs- und HNO-Erkrankungen beim Winter-Pharmacon

Beim Winter-Pharmacon, der dieses Jahr zum dritten Mal in Schladming in der Steiermark stattfand, drehte sich dieses Jahr alles um die Pharmakotherapie von Atemwegs- und HNO-Erkrankungen: Von Erkältung, Ohrenschmerzen und Allergie über Asthma, Tinnitus und COPD bis hin zu Tuberkulose und Lungenkrebs. | SCHLADMING (jb/wes)

Die Vorträge der „Internationalen Fortbildungswoche“ widmeten sich den unterschiedlichsten Aspekten des Themas – von den pharmazeutisch-technologischen Hürden und Voraussetzungen der nasalen und pulmonalen Wirkstoff-Applikation (Prof. Rolf Daniels, Tübingen) bis zu einer Übersicht über die Datenlage pflanzlicher Präparate gegen Husten, Halsschmerzen, Rhinosinusitis und zur Vorbeugung von grippalen Infekten (Prof. Robert Fürst, Frankfurt/M.).

Professor Stefan Laufer (Tübingen) erklärte die komplexe Wirkweise der neuen Immunonkologika, die unter anderem bei Lungenkrebs eingesetzt werden. Wobei er explizit hervorhob, dass er – seines Zeichens pharmazeutischer Chemiker – in seinem Vortrag ohne eine einzige Strukturformel auskam. Professor Gerd Bendas (Bonn) sprach über neue Targets der Asthmatherapie – die therapeutischen Antikörper. Als Pharmazeut ließ er dabei nicht unerwähnt, was bei der Handhabung dieser Proteinarzneimittel in der Apotheke zu beachten ist und welche Hinweise dem Patienten zu geben sind. Noch weiter in Tiefen der pharmazeutischen Praxis drang dann Apotheker Dr. Eric Martin aus Marktheidenfeld vor. Bei ihm ging es um Schulung und Monitoring von Asthmapatienten. Und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen blieben nicht außen vor. Professor Stefan Vieths vom Paul-Ehrlich-Institut sprach über die Besonderheiten bei der Zulassung von Therapie- und Testallergenen und die damit verbundenen Schwierigkeiten.

Die Vorträge einiger ärztlicher Kollegen waren zweifelsohne interessant, aber ließen dann doch gelegentlich die für Apotheker relevanten Aspekte vermissen. So räumte nach dem medizinischen Rundumschlag zur Pneumonie von Professor Mathias Pletz selbst Moderator Professor Theo Dingermann ein, nicht alles verstanden zu haben. Vielen Zuhörern im Saal ging es vermutlich nicht anders. Und der Vortrag der Dresdner Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. Bettina Hauswald bleibt wohl eher wegen des komödiantischen Talents der Referentin als durch seine inhaltliche Tiefe in Erinnerung.

Alte Hasen, wenig „Häsinnen“

Unter den Referenten befanden sich mit Dr. Eric Martin, Professor Gerd Bendas, dem Infektiologen Professor Thomas Weinke aus Potsdam, der über impfpräventable Atemwegserkrankungen sprach, dem Frankfurter Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Professor Rolf Daniels und Professorin Ulrike Holzgrabe aus Würzburg viele alte „Pharmacon-Hasen“. Wobei Letztere nicht nur die zweite Frau im Vortragsprogramm war, sondern auch noch recht spontan berufen wurde. Sie sprang kurzfristig für einen ausgefallenen Referenten ein und schüttelte die „Antibiotika“ in der Pipeline aus dem Ärmel – mit Bravour.

Aber auch neue Gesichter sah man in Schladming auf der Bühne. Zum Beispiel gab Professor Peter Ruth aus Tübingen sein Pharmacon-Debut. Damit dürften dieses Jahr – nach zumindest gefühlt langen Jahren der Frankfurter Dominanz – dieses Jahr die Tübinger Pharmazeuten die stärkste Fraktion gestellt haben.

Ergänzt wurde das Vortragsprogramm – wie jedes Jahr – durch Seminare. Hier war mit den Apothekerinnen Hiltrud von der Gathen aus Recklinghausen – auch eine über lange Jahre bewährte Pharmacon-Kraft – und Ina Richling aus Iserlohn die Frauenquote deutlich besser.

Lobbyismus-Erfolge und EuGH

Neben dem Kongress-Rahmenprogramm (s. Kasten „Same procedure ...“) gehört auch die Standespolitik zum traditionellen Pharmacon-Ablauf. Der Präsident der veranstaltenden Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, nutzte seine Eröffnungsrede, um sich mit den Argumenten der Befürworter des Arzneimittelversands auseinanderzusetzen. Die Argumentation, der Versandhandel mit (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln sei als Teil der Digitalisierung nicht aufzuhalten, ärgere ihn maßlos, so Kiefer. „Was hat es mit Digitalisierung zu tun, wenn ein Patient sein ärztliches Rezept mit der Post verschickt und dafür einige Tage später ein Paket erhält?“, frage er sich. Es sei doch geradezu lächerlich, Versandapotheken mit der Digitalisierung in Verbindung bringen zu wollen. Die Apothekerschaft sei mit Pilotprojekten wie ARMIN hier viel weiter als die Versender (s. auch „Päckchen verschicken ist nicht digital“, DAZ 2017, Nr. 3, S. 16). Ein neues Format hatte in diesem Jahr dagegen die „Berufspolitische Veranstaltung am Donnerstag. Fanden hier in den letzten Jahren Podiumsdiskussionen mit Teilnehmern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz statt, so gab es dieses Mal zwei Vorträge: ABDA-Justiziar Lutz Tisch erläuterte das System der Freiberuflichkeit und die Risiken, denen es durch die aktuelle Politik der EU-Kommission (und durch das jüngste EuGH-Urteil ausgesetzt ist. Der ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz erläuterte anschließend die Arbeitsweise der ABDA. Mit den Erfolgen der höchsten Interessenvertretung der Apotheker ist Schmitz dabei sehr zufrieden. Die ABDA kümmere sich um die Apothekerinnen und Apotheker, wisse, was zu tun ist, arbeite effizient, sei erfolgreich und finde den richtigen Ton, war sein Fazit.

In der anschließenden Diskussion, zu der auch BAK-Präsident Kiefer stieß, war dann aber hauptsächlich von dem schweren Schlag, den das EuGH-Urteil darstellt, die Rede (s. AZ 2017, Nr. 4, S. 8).

Same procedure as every year …

Der Pharmacon hat viele treue Besucher, die oft schon seit vielen Jahren nach Meran und Schladming bzw. früher Davos kommen. Da ist es nur natürlich, dass sich im Lauf der Zeit Gewohnheiten eingeschlichen haben, ja manches sogar zur Tradition geworden ist.

Viele „Stammgäste“ wohnen seit Jahren im gleichen Hotel, manche sitzen Tag für Tag auf demselben Platz im Kongresszentrum (Schladming) bzw. Kurhaus (Meran), böse Zungen behaupten, es habe schon Streit gegeben, weil der gewohnte Garderobenhaken belegt gewesen sei. Kurz: Viele Pharmacon-Besucher sind „Gewohnheitstiere“.

Und so verwundert es auch nicht, dass sich am Ablauf der Fortbildungswoche seit Jahren nur Kleinigkeiten geändert haben:

Der Kongress beginnt immer sonntags um 15.30 Uhr mit einer Eröffnungsrede des Präsidenten der Bundesapothekerkammer. Anschließend sprechen Vertreter der offiziell mitveranstaltenden „Nachbar-Organisationen“, der Österreichischen Apothekerkammer und des Schweizer Apothekerverbands PharmaSuisse. Ein Höhepunkt dieser Veranstaltung ist auch immer das Grußwort des gastgebenden Bürgermeisters. Während der Schladminger Ortsvorsteher hauptsächlich durch die Erwähnung des Ortsnamens auffällt (in diesem Jahr fiel das Wort „Schladming“ in seiner fünfminütigen Rede übrigens genau 23 mal), haben die Ausführungen seines Meraner Kollegen wahrhaft Loriot’sche Züge.

Anschließend, pünktlich um 16.30 Uhr beginnt der eigentliche wissenschaftliche Kongress mit zwei Vorträgen. So ist es dann auch den Rest der Woche: Jeden Nachmittag um 16.30 Uhr beginnen zwei Vorträge, unterbrochen von einer 15-minütigen Pause – mit Kaffee und Tee aus großen Warmhalte-Kannen. Dazu morgens ein Vortrag von 8.45 Uhr bis 9.45 Uhr. Anschließend werden die Vorträge des Vorabends diskutiert – nach einer 15-minütigen Pause mit, genau, Kaffee und Tee.

Auch das den Kongress begleitende Rahmenprogramm folgt einem strengen Protokoll (auch wenn es beim Umzug von Davos nach Schladming zu kleinen, aber nachhaltig irritierenden Wechseln im Ablauf kam): Montags lädt die ApoBank zum „Bankenabend“, an dem ab 20.45 Uhr ein prominenter Redner seine Sicht auf den Lauf der Welt erläutert; Claus Kleber, Klaus Maria Brandauer, Wolfgang Bosbach waren die Redner der vergangenen Jahre. Anschließend gibt es einen Empfang mit Häppchen, Sekt und Bier. Dienstags folgt der „Hüttenabend“ (der zu Davoser Zeiten als „ABDA-Dance-Night“ donnerstags stattfand), der auch Gelegenheit zum Nacht-Rodeln bietet. Donnerstags kommen dann Musikfreunde auf ihre Kosten. Beim „Konzertabend“ treten Preisträger des „Jugend musiziert“-Wettbewerbs auf – dieses Jahr mit einem Programm aus Jazz und Musical-Klassikern.

Wenn auch Sie Teil der Pharmacon-Traditionen werden wollen: Vom 21. bis 26. Mai findet der nächste Kongress in Meran statt, der Winter-Pharmacon 2018 dann vom 14. bis 19. Januar wieder in Schladming.

Zufriedene Veranstalter

Insgesamt konnten sich die Veranstalter über 740 Teilnehmer freuen. Damit habe man das Vorjahresergebnis eingestellt, teilten sie mit. Auch hätten erneut zahlreiche junge Apothekerinnen und Apotheker sowie Pharmaziestudierende den Weg nach Schladming gefunden. Diesbezüglich scheint sich der Wechsel von Davos nach Schladming auch im dritten Jahr auszuzahlen. Denn auch für Jüngere attraktiv zu werden, war ein erklärtes Ziel des Umzugs in den preisgünstigeren österreichischen Skiort. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.