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Gesundheitspolitik
„Datenklau“-Verfahren geht weiter
Gericht hält weitere Beweiserhebung für nötig
Nach längerer Urlaubspause standen letzte Woche gleich zwei Verhandlungstermine vor dem Landgericht Berlin an. Zu Beginn des 21. Prozesstags am vergangenen Dienstag verlas der Vorsitzende Richter ein Schreiben aus dem IT-Bereich des Landeskriminalamts (LKA) vom 26. Juni. Der Richter hatte dort am 11. Mai auf Verlangen der Verteidigung nachgehakt, wie das Backup-System beim LKA angelegt ist: Wie lange werden dort E-Mails aufbewahrt? Wie lange ist eine Wiederherstellung gelöschter Mails möglich? Die Antwort: Die maximale Aufbewahrungszeit beträgt 35 Tage, danach wird das Backup überschrieben und gelöschte Mails sind nicht zu rekonstruieren.
Diese Mitteilung lief der Verteidigung mächtig zuwider. Denn ihr war es insbesondere um die Wiederherstellung von E-Mails gegangen, die der leitende Ermittler eigenen Angaben zufolge nach seiner ersten Zeugenvernehmung Mitte April gelöscht hatte – weil er sie für nicht relevant hielt. Die Anwälte meinen, das LKA habe die Anfrage des Gerichts bewusst so lange liegen lassen, bis eine Wiederherstellung dieser Mails nicht mehr möglich war. „Es wird immer absurder“, erklärte Bellartz’ Verteidiger Carsten Wegner. Er sprach vom leitenden Ermittler als „Dokumentendompteur“, der alles versuche, dass ihm nichts nachgewiesen werde könne. Auch dessen Erklärung gegenüber dem Gericht, dass seiner Kenntnis nach nun alle Zeiträume abgedeckt sind, für die die Verteidigung E-Mails nachgefordert hatte, mochte Wegner nicht glauben.
Keine Aussetzung, keine Einstellung, keine Abtrennung
Sodann lehnte zunächst die Staatsanwaltschaft die Anträge der Verteidiger auf Aussetzung und Einstellung des Verfahrens ab. Die Anwälte wollten mit einer Aussetzung Zeit für die Auswertung von mehr als 1000 nachgereichten E-Mails gewinnen. Sie hat jedoch zur Folge, dass der Prozess danach wieder von vorne aufgerollt werden müsste – mitsamt aller Zeugen. H.’s Anwälte wechselten dann zu dem Antrag über, das Verfahren durch Prozessurteil einzustellen – wegen eines „nicht behebbaren Verfahrenshindernisses“. Denn die Ermittlungsbehörden hätten wichtige Informationen aus der offiziellen Akte ferngehalten – und zwar „systematisch“ und „vorsätzlich“.
Letztlich entschied die Strafkammer per Beschluss, die Anträge der Verteidiger zurückzuweisen. Der Vorsitzende räumte zwar ein, dass in der Akte einiges fehle. Allerdings habe der ermittelnde Polizist eben auch die CD mit mehr als 1000 E-Mails nachgeliefert und weitere Nachfragen beantwortet. Einige der Mails seien durchaus „auffällig“ gewesen. Etwa die interne Kommunikation zum eingestellten Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt aus dem Kreis der ABDA wegen Untreueverdachts oder die Korrespondenz zwischen dem Polizisten und H.’s Exfrau. Doch diese Umstände führten auch aus Sicht des Gerichts nicht dazu, dass ein schwerwiegendes Verfahrenshindernis vorliege. Es dürfte eher auf „Nachlässigkeit“ beruhen, dass die Akte nicht ganz vollständig war, so der Richter. Im Übrigen ist die Kammer der Meinung, dass die nachgereichten E-Mails angesichts der längeren Unterbrechungen in letzter Zeit von jenen, die sie für relevant halten, durchaus gelesen werden können. Dem Anspruch auf Akteneinsicht sei damit genüge getan.
Zudem wies das Gericht den bereits im Mai von Wegner gestellten Antrag, das Verfahren gegen Bellartz von dem gegen H. abzutrennen, zurück. Es ist – anders als der Anwalt – nicht überzeugt, dass das Verfahren gegen Bellartz abschlussreif ist. Vielmehr sei eine weitere Beweiserhebung erforderlich.
Ermittler zum dritten Mal im Zeugenstand
Zwei Tage später, vergangenen Donnerstag, wurde sodann der leitende Ermittler der Polizei zum dritten Mal als Zeuge befragt. Dabei räumte er ein, dass seine bisherigen Aussagen vor Gericht, die Akten und seine Erinnerung nicht in allen Punkten übereinstimmen. Dies sei der Menge der Informationen sowie der seitdem vergangenen Zeit geschuldet. Die Ermittlungen hatten im Herbst 2012 begonnen, von Januar bis November 2013 war der Ermittler auch für die Aktenführung verantwortlich. Sowohl das Gericht als auch die Verteidiger hakten an verschiedenen Stellen noch einmal nach, dabei ließen sich teilweise Missverständnisse aufklären, anderes blieb jedoch offen. So hatte der Zeuge beispielsweise in seiner früheren Vernehmung ausgesagt, die ABDA sei nicht Gegenstand seiner Ermittlungen gewesen. Das ist im Wortsinn nicht falsch. Aber ermittelt wurde zeitweilig eben doch. Allerdings in einer anderen LKA-Abteilung – und dieser hatte der Polizist durchaus Teile seiner eigenen Akte zur Verfügung gestellt, wie sich aus dem nachgereichten Mailverkehr ergab. Das habe er wohl „verdrängt“, erklärte er nun. |
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