Wirtschaft

Die Gewichte verschieben sich

Eine Analyse des Medpex-Deals

ts | Aus der Schweiz nach ganz Europa: Die geplante Übernahme des Versandgeschäftes der Ludwigshafener Onlineapotheke Medpex durch Zur Rose ver­deutlicht einmal mehr, dass die Schweizer ihre Marktposition im deutschen und europäischen Apothekengeschäft ausbauen und zementieren wollen.

In überlegten, unaufgeregten Worten erläutert Walter Oberhänsli, Rechtsanwalt und Vorstandschef von Zur Rose, vor Journalisten und Analysten, welche Bedeutung die Akquisition des Versandgeschäftes von Medpex, Deutschlands drittgrößter Versandapotheke, für sein Haus hat. Und er berichtet, wie die weitere Strategie von Zur Rose, nach eigenen Angaben Europas größte Versandapotheke, aussieht. Wettbewerber und Inhaber stationärer Apotheken dürften ungeachtet des Tonfalls beunruhigt sein, was aus dem Schweizerischen Frauenfeld zu vernehmen ist. Da ist zum einen das Potenzial, das der jetzt angekündigte Medpex-Deal in sich birgt: Das Ludwigshafener Versandunternehmen, so Oberhänsli, verfüge nämlich über die am schnellsten wachsende E-Commerce-Apotheken-Webseite in Deutschland. Das Marketing des Unternehmens sei „highly sophisticated“, also extrem gut entwickelt – davon könne sogar Zur Rose lernen, die mit der niederländischen Tochter DocMorris immerhin eine ebenfalls nicht ganz unbedeutende Versandapotheke betreibe. Schließlich verfüge die Pfälzer Firma über eine einzigartige Kombination aus Wachstum und Profitabilität. Das heißt: Medpex wird nicht nur den Umsatz von Zur Rose weiter nach oben befördern, sondern soll den Konzern auch auf der Gewinnseite anschieben. In dieser Kombination, erläutert Oberhänsli, werde es Zur Rose im deutschen Onlineapothekengeschäft auf einen Marktanteil von 31 Prozent bringen – nahezu doppelt so viel wie der schärfste Konkurrent Shop Apotheke Europe, dessen Marktanteil Oberhänsli mit 16 Prozent angibt. Gleichzeitig werde Zur Rose mit Medpex rund 5,6 Millionen aktive Kunden haben – ebenfalls doppelt so viel, wie Shop Apotheke zähle. Zusammengerechnet brachten es Zur Rose und Medpex im Jahr 2017 auf einen Umsatz von 1,13 Milliarden Schweizer Franken (rund 972 Millionen Euro) und damit auf weit mehr als die 284 Millionen Euro, die Shop Apotheke im vergangenen Jahr auf der Erlösseite bilanzierte. Es ist auch immer noch deutlich mehr als die über 500 Millionen Euro, die Shop Apotheke für 2018 erwartet. Die Gewichte verschieben sich also deutlich zugunsten von Zur Rose.

Und in diesem Geschäft ist es ein ganz entscheidender Faktor, wer mehr Gewicht auf die Waage bringt: Denn jeder zusätzliche Kunde bringt pures Geld in die Kassen bei kaum steigenden Kosten. Einmal etabliert, können die Online-Verkaufsplattformen, die dahinter liegenden IT-Systeme wie auch die Logistik problemlos einige tausend weitere Kunden „abarbeiten“. Sprich: Je mehr zahlende Nutzer, umso wirtschaftlicher, effektiver und damit wettbewerbsfähiger ist der Versandhändler.

Interessant dürfte für Beobachter aber auch sein, wie die weiteren Pläne von Oberhänsli und seinem Team aussehen. So hat sich Zur Rose auf die Fahnen geschrieben, nicht weniger als das herausragendste Gesundheits-Ökosystem in Europa auf die Beine zu stellen. Grundlage dafür sollen die existierenden Online-Plattformen sein. Die sollen angereichert werden mit E-Health-Services, also Dienstleistungen rund um das Thema Gesundheit. Katalysator dieser Entwicklung soll insbesondere die spanische Marktplatz-Plattform Promofarma sein, deren Übernahme Zur Rose Anfang August bekanntgegeben hatte. Auf diesem Wege will der Konzern künftig nicht nur Endkunden, also die Verbraucher, ansprechen, sondern je nach Land auch Krankenversicherungen, Ärzte, Krankenhäuser und Medikamentenhersteller. Oberhänsli deutet an, dass Promofarma auch das Instrument sein könnte, um künftig Apotheken in Ländern wie Italien und Frankreich zu erwerben.

Die intensive Akquisitionspolitik von Zur Rose in Deutschland dürfte dagegen erstmal zum Stillstand gekommen sein. Wenngleich Oberhänsli zwischen Flensburg und Garmisch weitere „Big Player“ im Arzneimittel-Versandgeschäft ausmacht – namentlich nennt er Medikamente per Klick, Apotal und Apo Discounter – so gibt er zu verstehen, dass er derzeit keine Pläne habe, hier weitere Versandhäuser zu erwerben. Weit mehr scheint ihn dagegen das schwedische Unternehmen Apotea zu interessieren, zumal in Schweden der Rx-Anteil im Onlinegeschäft deutlich höher sei als in Deutschland.

Diese Quote auch in den hierzulande zu Zur Rose gehörenden Firmen zu steigern steht ebenfalls auf ­seiner Agenda. Darüber hinaus will das Unternehmen künftig verstärkt die Synergieeffekte aus den getätigten und noch zu vollziehenden Übernahmen – von Promo­farma über Apo-Rot zu Eurapon und Vitalsana – realisieren. So soll das operative Geschäft, das derzeit noch über die verschiedenen Standorte verteilt ist, ab 2021 zu einem wesentlichen Teil im niederländischen Herleen, dem Standort der Tochtergesellschaft DocMorris, konzentriert werden. Das dortige Logistikzentrum soll 2021 rund 30 Millionen Pakete verarbeiten und noch weiter in der Zukunft sogar 50 Millionen. |

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