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Toxikologie
Trügerische Sicherheit
GHB-Schnelltest soll vor K.O.-Tropfen warnen
γ-Hydroxybutansäure (GHB) kann als Flüssigkeit oder in Salzform (γ-Hydroxybutyrat) vorliegen. Es ist strukturell eng verwandt mit dem Neurotransmitter γ-Aminobutansäure (GABA) und wirkt als Agonist an GABA-Rezeptoren, die unter anderem an der Regulation des Schlafs beteiligt sind. Nach oraler Einnahme von GHB wird bereits nach 20 bis 45 Minuten der maximale Plasmaspiegel erreicht. In der Medizin kommt es selten als Injektionsnarkotikum sowie zur Behandlung der Symptome einer Narkolepsie zum Einsatz. GHB wird in Spuren auch endogen produziert. In einigen Geweben sind bis zu 1 mg/l nachweisbar.
Partydroge „Liquid Ecstasy“
GHB erfreut sich unter dem Namen „Liquid Ecstasy“ oder „G“ in Teilen der Partyszene einer gewissen Beliebtheit. Der Name täuscht jedoch, da seine Wirkung eher einem Alkoholrausch ähnelt und nur wenig mit den Effekten des allgemein als Ecstasy bekannten Wirkstoffs 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) zu tun hat. In einem engen Dosisbereich von etwa 20 bis 30 mg/kg Körpergewicht wirkt GHB euphorisierend, angstlösend und entspannend. Das Dosisfenster ist jedoch klein, was die Dosierung, besonders in einem Partysetting, schwierig gestaltet: Bereits eine geringe Überdosis kann zu Übelkeit, Erbrechen, Bradykardie und Amnesie führen. Ab etwa 50 mg/kg droht Bewusstlosigkeit bis hin zu Atemdepression und Tod. Personen mit einer hohen Überdosis sind oft für die Dauer der Wirkung kaum zu wecken. Besonders gefährlich ist GHB in Kombination mit anderen zentral dämpfenden Substanzen wie Alkohol oder Opioiden. Erst im April publizierten forensische Toxikologen der Universität Bonn einen Fall, bei dem im Hirngewebe eines verstorbenen 14-Jährigen pro Liter 211 mg des Betäubungsmittels gefunden wurden. In anderen Geweben betrug die Konzentration bis zu 500 mg/l.
Die Wirkdauer nach oraler Einnahme der Droge liegt aufgrund des schnellen Abbaus zwischen einer und vier Stunden. Bei regelmäßigem Konsum kommt es zur Entstehung von Toleranz und Abhängigkeit mit schweren Entzugssymptomen, ähnlich denen eines Alkoholentzugs. Ein Antidot ist bisher nicht bekannt. Jüngere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Gabe von Inhibitoren des Monocarboxylat-Transporters 1 effektive Gegenmittel bei einer GHB-Überdosierung sein könnten.
GHB und seine Verwandten
Im Vergleich zu GHB unterliegt das cyclische γ-Butyrolakton (GBL) nicht dem Betäubungsmittelgesetz und wird in großen Mengen als Industriechemikalie und Lackentferner eingesetzt. Aufgrund der einfachen Verfügbarkeit in großen Mengen wird es gerne als Ersatz von GHB verwendet. GBL wird im Körper innerhalb weniger Minuten durch das Enzym 1,4-Lactonase zu GHB gespalten. Auch in einer wässrigen Lösung stellt sich, abhängig vom pH-Wert, ein Gleichgewicht zwischen GHB und GBL ein. Im stark alkalischen Milieu wird GBL innerhalb weniger Minuten vollständig zu GHB hydrolysiert. In reinem Wasser und bei saurem pH-Wert liegen GBL und GHB nach einigen Wochen im Verhältnis 2:1 vor. Eine höhere Umgebungstemperatur beschleunigt die Reaktion.
In die verwandten Substanzen reiht sich außerdem 1,4-Butandiol (BDO) ein. Durch die auch am Ethanol-Abbau beteiligten Enzyme Alkohol-Dehydrogenase und Aldehyd-Dehydrogenase wird BDO in der Leber zu GHB umgewandelt.
Ausgeknockt durch GHB
Aufgrund seiner Geruchlosigkeit, wegen des schnellen Wirkeintritts und dem nach hohen Dosen auftretenden Filmriss ist GHB prädestiniert als Knockout-Mittel. Immer wieder wird von Fällen berichtet, bei denen die Substanz zur Vorbereitung von Sexual- oder Raubdelikten eingesetzt wurde. Die schnelle Verstoffwechselung macht es zudem schwer, GHB nachzuweisen. Im Blut ist die Substanz lediglich etwa acht Stunden und im Urin rund zwölf Stunden nachweisbar. Bei Verdacht auf ein Verbrechen ist es daher entscheidend, möglichst zeitnah ein Krankenhaus aufzusuchen und eine Blut- und Urinprobe zur Analyse abzugeben.
Neben GHB können auch einige andere Stoffe als Knockout-Mittel missbraucht werden. Besonders sedierende Medikamente aus den Klassen der Benzodiazepine und der Z-Substanzen kommen dafür infrage. Flunitrazepam (Rohypnol®) etwa erwarb sich den zweifelhaften Ruf einer „Date-Rape-Droge“, da es neben einer Sedierung oft auch zu Amnesie führt. Darüber hinaus gibt es Berichte über einen kriminellen Einsatz von Ketamin, Methprylon und Opioiden.
Schnelle Gewissheit?
Partygängern eine neue Sicherheit geben soll der von dem Waldbronner Start-Up Twinvay GmbH entwickelte Schnelltest „Xantus-Drinkcheck“. Ein Tropfen des Getränks auf ein Testfeld des Papierarmbandes gegeben soll genügen, um festzustellen, ob die Flüssigkeit in einem unbeobachteten Moment mit GHB versetzt wurde. Bei Anwesenheit der K.O.-Tropfen verfärbt sich das Feld nach etwa zwei Minuten blau. Der Nutzer sollte sich jedoch nicht in trügerischer Sicherheit wiegen, da der Test nur auf GHB reagiert und andere Betäubungsmittel unentdeckt bleiben. Die Erfinder versichern, dass 1,5 g GHB in 100 ml Flüssigkeit eindeutig detektiert werden, unter Laborbedingungen auch weniger. Geht man von einer Knockout-Dosis von 50 mg/kg Körpergewicht aus, ist diese bei einer 70 kg schweren Person ab etwa 3,5 g erreicht. Gelöst in einem Bier von 0,3 l ergibt das 1,16 g pro 100 ml. Der Nachweis einer GHB-Dosis, die nicht direkt zur Bewusstlosigkeit führt, aber durchaus bewusstseinseintrübende Wirkung haben kann, scheint somit nicht sicher gewährleistet zu sein.
Verschiedene rechtsmedizinische Institute in Deutschland testeten und bestätigten die Funktionalität des Armbandes in unterschiedlichen Matrizes. Sowohl fetthaltige Getränke wie Milch, saure Fruchtsäfte als auch alkoholische Mischungen wurden untersucht. Bei stark färbenden Flüssigkeiten wie Rote-Beete-Saft stieß der Farbtest an seine Grenzen. Ein integrierter pH-Test soll nur auf reines Wasser reagieren. Dies soll verhindern, dass ein versehentlich durch Spritzwasser nass und unbrauchbar gewordenes Armband verwendet wird. Dass der pH‑Test sich dabei ebenfalls blau färbt, birgt allerdings ein gewisses Verwechslungspotenzial. Genauere Angaben über den Reaktionsmechanismus der Farbänderung und den Umfang der durchgeführten Studien macht der Hersteller derzeit nicht.
„Detektionstests vermitteln Scheinsicherheit“
Wir haben beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW) nachgefragt, wie die Sicherheit des neuen Schnelltests auf K.O.-Tropfen einzuschätzen ist. Aus Neutralitätsgründen nimmt das Referat Prävention des LKA BW keine Produktbewertungen vor. Dennoch haben wir von der zuständigen Stelle wichtige Informationen erhalten:
„Unter den Oberbegriff ‚K.O.-Tropfen‘ fallen eine Vielzahl von Substanzen aus dem Bereich der Arzneistoffe, der Schlaf-, Beruhigungs- und Narkosemittel. Diese kommen für eine missbräuchliche Verwendung zur Begehung von Straftaten, vorzugsweise bei Sexual- und Raubdelikten, in Betracht. Zum Teil sind diese verschreibungspflichtig oder unterliegen den strengen Regeln des Betäubungsmittelrechts. Neben γ-Butyrolacton (GBL) und γ-Hydroxybutansäure (GHB) kommen auch zahlreiche andere Substanzen für die Verwendung als K.O.-Tropfen infrage. Detektionstests vermitteln eine Scheinsicherheit und es besteht die Gefahr, dass folgende Verhaltenstipps außer acht gelassen werden:
- Getränke bei der Bedienung bestellen und selbst entgegennehmen.
- Von Unbekannten keine offenen Getränke annehmen.
- Offene Getränke nicht unbeaufsichtigt lassen.
- Bei Übelkeit Hilfe beim Personal suchen.
- Freundinnen und Freunde achten aufeinander und lassen ihre Getränke nicht aus den Augen.
- Freundinnen und Freunde holen im Ernstfall sofort ärztliche Hilfe für das Opfer und verständigen das Personal.
Über diese Tipps hinaus werden Drogen, darunter K.O.-Tropfen, in der vom Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) herausgegebenen Broschüre „Sehn-Sucht – So schützen Sie Ihr Kind vor Drogen!“ thematisiert. Die Broschüre richtet sich mit ihrem Informationsangebot an Eltern und Erziehungsverantwortliche. Informationen zu K.O.-Tropfen sind darüber hinaus auf den Internetseiten des ProPK zu finden. Die Seite www.polizei-beratung.de richtet sich hierbei an Erwachsene, unter www.polizeifürdich.de finden Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren zielgruppengerecht aufbereitete Informationen.“
Eine clevere Idee mit Potenzial
Die Möglichkeit, sein Getränk auf einer Party jederzeit und unkompliziert auf K.O.-Tropfen testen zu können, verspricht Sicherheit. Bei dem gegenwärtigen Entwicklungsstand ist die Erfindung aber noch mit Vorsicht zu genießen (s. Kasten „‚Detektionstest vermitteln Sicherheit‘“). Die Empfindlichkeit des Tests ist derzeit nicht besonders hoch. Außerdem kann von einer Vielzahl potenzieller Knockout-Mittel derzeit nur eines nachgewiesen werden. Die Armbänder, von denen jedes über zwei Testfelder verfügt, können für 9,95 Euro im Viererpack über den dm-Onlineshop erworben werden. Aufgrund der großen Nachfrage waren sie dort innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Seit Mitte Mai ist der Schnelltest wieder erhältlich. Gänzlich neu ist die Idee nicht. Der „Xantus-Drinkcheck“ reiht sich zwischen ähnlichen Produkten wie „Guard your Drink“ und „KO-Tropfentest/Drink Detektiv“ ein, bietet aber durch das Design im Stil eines Festival-Bändchens eine besonders einfache Handhabung. „Guard your Drink“ ist als Pappkärtchen oder Bierdeckel erhältlich. Neben zwei Nachweisfeldern für GHB (3 g pro 250 ml) hat jeder Test zusätzlich zwei Testfelder für Ketamin (1 g pro 250 ml). Der „Drink-Detektiv“ weist ebenfalls beide Substanzen mittels eines colorimetrischen Tests nach. Laut Herstellerangeben sind die Nachweisgrenzen dieselben. Beynon et al. attestierten vergleichbaren Farbtests eine Sensitivität zwischen 17% und 50% für GHB und zwischen 25% und 100% für Ketamin, abhängig von der getesteten Getränkematrix. Die Spezifität gaben sie mit Werten zwischen 30% und 100% an. Zu beachten ist, dass die Anwendung der Tests unter realen Beleuchtungsbedingungen, etwa in einer Diskothek, die richtige Interpretation der Farbtests im Vergleich zu Laborbedingungen erschweren kann. Absolute Sicherheit vor K.O.-Tropfen in einem Getränk kann derzeit kein Schnelltest gewährleisten. |
Literatur
Andresen H et al. Liquid ecstasy – a significant drug problem. Dtsch Arztebl Int 2008;105(36):599-603
Beynon CM et al. The ability of two commercially available quick test kits to detect drug-facilitated sexual assault drugs in beverages. Addiction 2006;101(10):1413-1420
Busardò FP et al. GHB pharmacology and toxicology; Acute intoxication, concentrations in blood and urine in forensic cases and treatment of the withdrawal syndrome. Curr Neuropharmacol 2015;13(1):47-70
Ciolino LA et al. The Chemical Interconversion of GHB and GBL; Forensic Issues and Implications. J Forensic Sci 2001;46(6):1315-1323
KO-Tropfentest/Drink Detektiv. www.drogendetektive.com; Abruf am 22. Mai 2019
Follman KE et al. Treatment of γ-Hydroxybutyric Acid (GHB) and γ-Butyrolactone (GBL) Overdose with Two Potent Monocarboxylate Transporter 1 (MCT1) Inhibitors, AZD3965 and AR-C155858. J Pharmacol Exp Ther 2019; doi:10.1124/jpet.119.256503
Guard your Drink. https://guardyourdrink.com; Abruf am 22. Mai 2019
Küting T et al. Case report; Another death associated to γ-hydroxybutyric acid intoxication. Forensic Sci Int 2019; 299:34-40
Madah-Amiri D et al. Intoxication with GHB/GBL; Characteristics and trends from ambulance-attended overdoses. Scand J Trauma Resusc Emerg Med 2017;25(1):98
Madea B et al. Knock-out drugs; Their prevalence, modes of action, and means of detection. Dtsch Arztebl Int 2009;106(20):341-347
Xantus. https://xantus-drinkcheck.de; Abruf am 22. Mai 2019
Thai D et al. Clinical pharmacology of 1,4-butanediol and gamma-hydroxybutyrate after oral 1,4-butanediol administration to healthy volunteers. Clin Pharmacol Ther 2007;81(2):178-184
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