Arzneimittel und Therapie

Melatonin für schlaflose Kinder

G-BA sieht bei Slenyto® Anhaltspunkt für geringen Zusatznutzen

cel | Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich über die Empfehlung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hinweggesetzt und erkennt in dem speziell zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung und / oder Smith-Magenis-Syndrom entwickelten Slenyto® des Herstellers Infectopharm einen „Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen“.

Slenyto® – der Name steht für „sleep the night through“ – ist eine Minitablette, die Melatonin sowohl geruchs- als auch geschmacksneutral in retardierter Form enthält. Zugelassen ist diese kindgerechte Zubereitung zur Behandlung von „Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwei bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung und / oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren“.

Im Rahmen der vom G-BA beauftragten Nutzenbewertung kam das IQWiG am 11. April 2019 zu dem Schluss, dass es keinen Anhaltspunkt für einen Zusatznutzen für Slenyto® in der beanspruchten Indikation gibt. Begründet hatte das IQWiG die Entscheidung damit, dass der pharmazeutische Unternehmer in seinem Dossier keine geeigneten Daten zur Bewertung des Zusatznutzens von Melatonin im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie für die beanspruchte Indikation vorgelegt habe. Als zweckmäßige Vergleichstherapie hatte der G-BA die bestmögliche, ­patientenindividuell optimierte, ­unterstützende Behandlung zur Linderung von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität (Best Supportive Care; BSC) festgelegt, ohne dies genauer zu spezifizieren. Allerdings sollten diese Maßnahmen sowohl im Interventionsarm als auch im Vergleichsarm stattfinden. Diese Vorgabe sah das IQWiG in der von Infectopharm vorgelegten Studie nicht umgesetzt.

Foto: samuel – stock.adobe.com

Was das IQWiG störte

Infectopharm hatte zur Nutzenbewertung seine doppelblind durchgeführte randomisierte Studie NEU-CH-7911 eingereicht, in der bei 125 Kindern im Alter von zwei bis 17,5 Jahren Melatonin gegen Placebo verglichen worden war. Kinder, die vor Studienbeginn noch keine dokumentierte Verhaltenstherapie (Schlafhygienemaßnahmen) erhalten hatten, durchliefen vor Start der Melatonin- oder Placebogabe eine vierwöchige Basistherapie mit Schlafhygienetraining und Verhaltenstherapie. Anders als der G-BA sah Infectopharm laut IQWiG die Best Supportive Care im Sinne der zweckmäßigen Vergleichstherapie aber bereits durch eine Placebo-Kontrolle als hinreichend umgesetzt.

Nach Ansicht des IQWiG hätten auch während der Melatonin- beziehungsweise Placebogabe – also für die gesamte Studiendauer – Schlafhygienetrainings oder psychotherapeutische Maßnahmen angeboten werden sollen. Selbst, wenn die Kinder zuvor darauf nur unzureichend angesprochen hätten, könnten „sie dennoch eine wesentliche Grundlage für einen guten Schlaf darstellen“, argumentiere das IQWiG.

Die Sicht des G-BA

Das sieht der G-BA anders. In seiner abschließenden Nutzenbewertung erklärt er: „Auch wenn die konkreten Maßnahmen der Begleittherapie nicht detailliert dokumentiert wurden, kann davon ausgegangen werden, dass vor dem Hintergrund des vor Studienbeginn erfolgten Schlafhygienetrainings eine hinreichende Betreuung und Begleitung der Patienten (im Sinne von BSC) während der Studie stattfand; die Studie wird für die Nutzenbewertung herangezogen.“ Der G-BA sieht statistisch signifikante Vorteile von Melatonin bei der Gesamtschlafdauer und der Schlaflatenz. Unter Melatonin kam es vermehrt zu Somnolenz als Nebenwirkungen.

Allerdings sei die Aussagesicherheit unter anderem aufgrund der kurzen Studiendauer und der nicht genau ­dokumentierten Begleitmaßnahmen eingeschränkt. Auch verzerren nach Ansicht des G-BA die unterschiedlichen Rücklaufquoten der Morbiditäts-Fragebögen in den Behandlungsarmen das Ergebnis. „Insgesamt liegt ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen vor“, so der G-BA. |

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