Arzneimittel und Therapie

Gecheckt: Triple Whammy

Interaktionen erkennen und vermeiden

©DAZ/Hammelehle


Die kombinierte Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), Diuretika und Arzneistoffen, die hemmend in das Renin-Angiotensin-System (RAS) eingreifen, also Hemmstoffe des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (ACE-Hemmer), Angio­tensin-II-Rezeptor-Antagonisten (AT1-Blocker, Sartane) und Renin­Inhibitoren, kann zur deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion bis hin zum akuten Nierenversagen führen. Aufgrund seiner hohen Letalität ist das akute Nierenversagen eine gefürchtete Komplikation der Pharmakotherapie. Entsprechende Risikofaktoren müssen somit bekannt sein und nach Möglichkeit vermieden werden [1].

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erwähnten Kombinationen bei vielen Patienten aufgrund bestehender Herz-Kreislauf-Erkrankungen und gleichzeitigem Schmerz- bzw. Entzündungsgeschehen relativ oft eingesetzt werden. Die hier beteiligten Arzneistoffe zählen zu den am häufigsten verordneten Wirkstoffgruppen überhaupt [2, 3].

Die in Tabelle 1 aufgeführten Verordnungshäufigkeiten übersehen allerdings, dass insbesondere die nierenproblematischen NSAR zusätzlich in großem Maße im Rahmen der Selbstmedikation abgegeben werden und sich somit den Verordnungsstatistiken der gesetzlichen Krankenversicherungen und auch der verordnenden Ärzte entziehen (Abgabe im Rahmen der Selbstmedikation 2018: 105 Millionen Packungen) [3]. Hier kommt der Beratungsaufgabe des pharmazeutischen Personals in Apotheken eine besondere Bedeutung zu.

Tab. 1: Übersicht der am „Triple Whammy“ beteiligten Arzneistoffe und deren Verordnungshäufigkeit (nach [2])
Arzneistoffgruppe
Wirkstoffe (relevanteste Vertreter)
Kumulative Verordnungs-­häufigkeit (in Mio. DDD)
ACE-Hemmer
Captopril, Enalapril, Lisinopril, Ramipril
4836,8
Kombinationspräparate mit ACE-Hemmern
ACE-Hemmer + Hydrochlorothiazid/Amlodipin
848,0
Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten
Candesartan, Losartan, Irbesartan, Telmisartan, Valsartan
2278,0
Kombinationspräparate mit Angio­tensin‑II-Rezeptor-Antagonisten
Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonist +
Hydrochlorothiazid/Amlodipin
943,7
Renin-Inhibitoren
Aliskiren
13,5
Thiaziddiuretika
Hydrochlorothiazid, Xipamid
400,9
Kombinationspräparate mit Thiaziddiuretika
Hydrochlorothiazid + Triamteren/Amilorid
70,0
Schleifendiuretika
Furosemid, Torasemid
1186,7
NSAR (ohne ASS)
Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Meloxicam, Naproxen, Piroxicam
848,9
COX-II-Inhibitoren
Celecoxib, Etoricoxib
113,4

ACE, Angiotensin-konvertierendes Enzym; ASS, Acetylsalicylsäure; COX, Cyclooxygenase; DDD, daily defined dose (definierte Tagesdosen); NSAR, nichtsteroidale Antirheumatika

Auch wenn bisher überraschenderweise kaum systematische Daten zur konkreten gleichzeitigen Einnahme der betreffenden Substanzen in Deutschland vorliegen, konnte in der bisher weltweit größten Fall-Kontroll-Studie basierend auf britischen Verordnungsdaten gezeigt werden, dass die Dreierkombination bei etwa 11% der untersuchten Hypertoniepatienten zur Anwendung kam [4]. Diese auch als „Triple Whammy“ (Dreifachschlag) bezeichnete Kombination ging dabei mit einer signifikanten Risikoerhöhung für akutes Nierenversagen um etwa 31% einher (s. Tabelle 2). Vor allem zu Therapiebeginn (innerhalb der ersten 30 Tage) war das Risiko dabei erheblich erhöht (82%), wohingegen nach dem 90. Behandlungstag kein erhöhtes Risiko mehr bestand. Eine Monotherapie oder eine Zweifachkombi­nation der verschiedenen Arzneistoffgruppen (Diuretikum und RAS­Hemmer, NSAR und RAS-Hemmer, Diuretikum und NSAR) war dagegen nicht mit einem erhöhten Risiko assoziiert.

Tab. 2: Zusammenhang zwischen der Einnahme von Diuretika, Renin-Angiotensin-System(RAS)-Hemmern und nicht­steroidalen Antirheumatika (NSAR) und dem Risiko für akutes Nierenversagen (nach [4]). KI: Konfidenzintervall
Medikation
Häufigkeit der ­Verordnung bei akutem ­Nierenversagen (N = 2215)
Häufigkeit der ­Ver­ordnung ohne ­Nierenversagen ­(Kontrollgruppe, N = 21.993)
Relatives Risiko im Vergleich zur Mono- bzw. Zweifach­therapie (95%-KI)
Diuretika allein
209 (9%)
2632 (12%)
1,0 (Vergleichsgruppe)
Diuretika + NSAR
156 (7%)
1739 (8%)
1,02 (0,81 – 1,28)
RAS-Hemmer allein
148 (7%)
1889 (9%)
1,0 (Vergleichsgruppe)
RAS-Hemmer + NSAR
138 (6%)
1907 (9%)
0,89 (0,69 – 1,15)
Diuretika + RAS-Hemmer
414 (19%)
2432 (11%)
1,0 (Vergleichsgruppe)
Diuretika + RAS-Hemmer + NSAR
544 (25%)
2424 (11%)
1,31 (1,12 – 1,53)

In einer Subgruppenanalyse zeigte sich, dass NSAR mit langer Wirkdauer (> 12 h) wie Naproxen und Piroxicam im Vergleich zu kurzwirksamen Verbindungen (Ibuprofen, Diclofenac, ASS) mit einem höheren Risiko verbunden waren. Auch wenn dieser Befund von anderen (kleineren) Analysen nicht verifiziert werden konnte, so konnten alle anderen zuvor dargestellten Ergebnisse von zahlreichen weiteren Studien vollumfänglich bestätigt werden [5 – 9].

Der zugrunde liegende Mechanismus der bedeutsamen Interaktion liegt in der massiven Reduktion des für eine adäquate Nierenfunktion notwendigen glomerulären Perfusionsdrucks. Dieser wird einerseits durch weitgestellte zuführende Gefäße (Vas afferens) und andererseits durch Engstellung der abführenden Gefäße (Vas efferens) aufrecht erhalten. Die Einnahme von NSAR hemmt die Prosta­glandin-Synthese. Dadurch wird die Prosta­glandin-vermittelte Weitstellung der Vas afferens verringert. RAS-Hemmer führen zusätzlich zu einer Dilatation der Vas efferens, da das für die Konstriktion notwendige Angiotensin II nicht mehr ausreichend gebildet wird bzw. wirken kann. Nimmt durch Diure­tika zusätzlich noch das Blutvolumen ab, kann es zum erwähnten Erliegen der Nierenfunktion kommen [10].

Risikofaktoren und Symptome

Gerade durch hohe sommerliche Außen­temperaturen und geringe Flüssigkeitszufuhr, die bei älteren Patienten aufgrund abnehmenden Durst­gefühls häufig anzutreffen ist, kann diese Interaktion provoziert werden. Auch Volumenmangel­zustände infolge starker Durchfälle und Erbrechen können mögliche Trigger sein. Weitere indi­viduelle Risikofaktoren umfassen bestehende Herzinsuffizienz (Perfusion der Nieren redu­ziert), Niereninsuffizienz (Vorschädigung), hohes Lebensalter (> 75 Jahre, altersbedingte Abnahme der Filtrationsleistung der Niere um ca. 40%) sowie Diabetes mellitus (diabe­tische Nephropathie).

Mögliche Symptome, an denen der ­Patient bzw. das pharmazeutische Personal eine beginnende akute Niereninsuffizienz erkennen können, umfassen rasche Ermüdbarkeit, Konzentra­tionsstörungen, Übelkeit und Oligurie (Urin­ausscheidung < 500 ml pro Tag). Die fehlende Urinausscheidung führt in der Folge zu Blutdruckanstieg und Ödembildung, vor allem in den Beinen und später auch in der Lunge (Luftnot). Des Weiteren ändert sich durch akutes ­Nierenversagen auch die Zusammensetzung der Blut­elektrolyte, wobei die resultierende Hyperkaliämie lebensbedrohliche Herzrhythmus­störungen nach sich ziehen kann. Auf klinisch-chemischer Ebene kommt es zum akuten ­Anstieg aller harnpflichtigen Sub­stanzen im Plasma wie der erwähnten Elektrolyte sowie von Kreatinin und Harnstoff [1].

Wie lässt sich die Interaktion vermeiden?

Mithilfe folgender Maßnahmen lassen sich die Risiken für Nierenfunktionsstörungen minimieren:

  • Vermeiden der dauerhaften Dreierkombination von RAS-Hemmer, Diuretikum und NSAR
  • Im Bedarfsfall möglichst Paracet­amol oder wenn möglich topische NSAR nutzen
  • Bei dauerhafter Schmerztherapie sind Metamizol oder Analgetika der WHO-Stufe II (z. B. Tramadol, Tilidin) eine Option.
  • Wenn eine NSAR-Therapie nötig ist, sollte vor allem zu Therapiebeginn (erster Monat) die Nierenfunktion regelmäßig überprüft werden (Serumkreatinin).
  • Aufklärung der Patienten über die Symptome der akuten Niereninsuffizienz
  • Erinnerung der Patienten an ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Ergänzend zu den genannten Vorschlägen ist anzumerken, dass selektive COX-II-Inhibitoren wie Celecoxib keine Alternative zu den klassischen NSAR darstellen, da sie in gleichem Umfang die Nierenfunktion beeinträchtigen.

Ganz abgesehen von der beschriebenen Problematik der Nierenfunktion ist die Kombination von NSAR bei Hypertonikern generell nicht unproblematisch, da die blutdrucksenkende Wirkung von antihypertensiv wirkenden Diuretika und ACE-Hemmern durch NSAR merklich abgeschwächt wird (ca. 5 bis 10 mmHg) [11].* |

Literatur

[1] Lhotta K. Akute Nierenschädigung. ÖÄZ 2018;1/2:26-33

[2] Schwabe U et al. Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag Berlin Heidelberg

[3] Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. Der Arzneimittelmarkt in Deutschland 2018

[4] Lapi F et al. Concurrent use of diuretics, angiotensin converting enzyme inhibitors, and angiotensin receptor blockers with non-steroidal anti-inflammatory drugs and risk of acute kidney injury: nested case-control study. BMJ 2013;346:e8525

[5] Loboz KK et al. Drug combinations and impaired renal function – the ‚triple whammy‘. Br J Clin Pharmacol 2005;59(2):239-243

[6] Dreischulte T et al. Combined use of nonsteroidal anti-inflammatory drugs with diuretics and/or renin-angiotensin system inhibitors in the community increases the risk of acute kidney injury. Kidney Int 2015;88(2):396-403

[7] Fournier JP et al. More on the „Triple Whammy“: antihypertensive drugs, non-steroidal anti-inflammatory agents and acute kidney injury – a case/non-case study in the French pharmacovigilance database. Ren Fail 2014;36(7):1166-1168

[8] Huerta C et al. Nonsteroidal anti-inflammatory drugs and risk of ARF in the general population. Am J Kidney Dis 2005;45(3):531-539

[9] Schneider V et al. Association of selective and conventional nonsteroidal antiinflammatory drugs with acute renal failure: A population-based, nested case-control analysis. Am J Epidemiol 2006;164(9):881-889

[10] Prieto-García L et al. Mechanisms of triple whammy acute kidney injury. Pharmacol Ther 2016;167:132-145

[11] Richling I. Dreifachschlag gegen die Nieren. DAZ 2018, Nr. 30, S. 44

Apotheker Priv.-Doz. Dr. Stefan Oswald, Greifswald

 

* Hinweis: Der letzte Satz aus der Druckausgabe dieses Beitrages wurde in dieser Online-Version entfernt.

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