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Recht
Was sich jetzt ändert
22. Februar: Spezielle delegierte Verordnung für bilanzierte Diäten tritt in Kraft
Der Rechtsrahmen für diätetische Lebensmittel in der EU wurde vor einigen Jahren neu gestaltet. Mit der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 wurde das Konzept der Lebensmittel für eine besondere Ernährung (diätetische Lebensmittel, dietetic food) aufgegeben und durch Regelungen für „Lebensmittel für spezielle Verbrauchergruppen“ (Foods for specific groups, FSG) ersetzt. Am 20. Juli 2016 hat die Verordnung die vorherige Diätrahmenrichtlinie (EG) abgelöst.
Die Verordnung EU) Nr. 609/2013 erfasst:
- Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder (Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung sowie Getreidebeikost und andere Beikost),
- Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten, Foods for special medical purposes (FSMP) und
- Tagesrationen für eine gewichtskontrollierende Ernährung.
Delegierte Verordnung mit weiteren Details
Einige allgemeine Anforderungen an die Zusammensetzung und Informationen für Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen sind bereits in der Verordnung selbst aufgeführt. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission hierzu zwei gesonderte delegierte Rechtsakte erlassen, und zwar für Säuglingsanfangs- und Folgenahrung (VO (EU) 2016/127) und für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (VO (EU) 2016/128). Die delegierte Verordnung zu den bilanzierten Diäten gilt für „normale“ bilanzierte Diäten ab dem 22. Februar 2019 und für bilanzierte Diäten für Säuglinge erst ab dem 22. Februar 2020. Ab diesen Stichtagen dürfen bilanzierte Diäten nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie der Verordnung genügen.
Nur für Patienten mit einer definierten Krankheit
Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) sind auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert. Sie sind bestimmt für das Diätmanagement von Patienten, die gewöhnliche Lebensmittel oder bestimmte darin enthaltene Nährstoffe oder ihre Stoffwechselprodukte nur eingeschränkt oder nicht in gewohnter Weise aufnehmen, verdauen, verstoffwechseln oder ausscheiden können oder die einen sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf haben. Der Verwendungszweck muss aus ihrer Kennzeichnung hervorgehen. Sie dürfen nicht der Behandlung einer Erkrankung im Sinne einer Medikation mit Arzneimitteln dienen und sollen nur unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden.
Bilanzierte Diäten enthalten entweder Standard- oder für bestimmte Krankheiten oder Störungen angepasste Nährstoffformulierungen. Sie werden unterteilt in
- vollständige bilanzierte Diäten (einzige Nahrungsquelle für die betreffenden Personen) und
- ergänzende bilanzierte Diäten (EbD, nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet).
Beispiele sind komplette Standard-Formula-Diäten als Sondennahrung, bestimmte Ergänzungsnahrungen zur Behandlung bei Leberzell- oder Niereninsuffizienz oder phenylalaninfreie Proteinersatzpräparate zur Deckung des Eiweißbedarfs von Kindern mit Phenylketonurie.
Was muss draufstehen?
Neben den Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 und den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften, wie der Lebensmittelinformationsverordnung VO (EU) Nr. 1169/2011 gibt es für bilanzierte Diäten nach der delegierten Verordnung besondere Vorgaben für die Kennzeichnung (siehe Kasten). Besonders wichtig: Mit dem Geltungsbeginn der Verordnung am 22. Februar 2019 sind gesundheitsbezogene Angaben gemäß der Health-Claims-Verordnung für bilanzierte Diäten nicht mehr zulässig. Der Grund dafür ist, dass sich diese an Gesunde richten, bilanzierte Diäten aber für Kranke bestimmt sind. Außerdem gelten besondere Anforderungen an die Nährwertdeklaration (Art. 6 der delegierten Verordnung [EU] 2016/128).
Besondere Kennzeichnungsvorschriften für bilanzierte Diäten
nach Art. 5 Abs. 2 der delegierten Verordnung (EU) 2016/128
- Hinweis, dass das Lebensmittel unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden muss
- Angabe, ob das Erzeugnis zur Verwendung als einzige Nahrungsquelle geeignet ist; gegebenenfalls der Hinweis, dass das Erzeugnis für eine bestimmte Altersgruppe bestimmt ist
- gegebenenfalls Hinweis, dass das Erzeugnis die Gesundheit gefährden kann, wenn es von Personen konsumiert wird, die nicht an der Krankheit, der Störung oder den Beschwerden leiden
- „Zum Diätmanagement bei …“, ergänzt durch die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden, für die das Erzeugnis bestimmt ist
- gegebenenfalls Hinweis auf Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen
- Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale bzgl. der Zweckdienlichkeit in Bezug auf die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden, für deren Diätmanagement es vorgesehen ist, ggf. bzgl. der besonderen Verarbeitung und Formulierung, mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden
- ggf. Anweisungen für die sachgerechte Zubereitung, Verwendung und Lagerung nach Öffnung des Behälters
Werbeverbote für bilanzierte Diäten für Säuglinge
Für bilanzierte Diäten für Säuglinge gelten besonders strenge Vorgaben. Die Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung dieser Produkte dürfen keine Bilder von Säuglingen oder andere Bilder oder Text enthalten, mit denen die Verwendung des Erzeugnisses idealisiert werden könnte. Die Verbraucher müssen diese klar von Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung unterscheiden können. Es darf keine Werbung in Verkaufsstellen geben, die Verbraucher durch die Verteilung von Proben oder mit anderen Werbemitteln, wie z. B. besonderen Auslagen, Rabattmarken, Zugabeartikeln, Sonderangeboten, Lockartikeln und Koppelungsgeschäften, auf der Einzelhandelsebene direkt zum Kauf der Produkte anregt. Hersteller und Vertreiber dürfen an die Öffentlichkeit oder an Schwangere, Mütter und deren Familienmitglieder keine kostenlosen oder verbilligten Erzeugnisse, Proben oder irgendein anderes Werbegeschenk dazu verteilen (Art. 8 der delegierten Verordnung [EU] 2016/128).
Marktbereinigung erwünscht
Die Neuregelung des Rechts für diätetische Lebensmittel soll auch dabei helfen, bestehende Hintertürchen für zweifelhafte Gesundheitsmittel zu schließen. Bestimmte Industriekreise haben in den letzten Jahren einen erheblichen „Erfindungsreichtum“ bewiesen, um Gesundheitsmittel als ergänzende bilanzierte Diäten im Markt zu platzieren. Für die Hersteller hat diese rechtliche Einordnung einen großen Vorteil: Die Produkte tragen den Hinweis „zum Diätmanagement bei…“, ergänzt durch eine Krankheit, Störung oder Beschwerde. Beispiele für unzulässige Angaben bei ergänzenden bilanzierten Diäten sind: „L-Arginin zur Herstellung des blutgefäßerweiternden Botenstoffs Stickstoffmonoxid (Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen)“ oder „Sägepalmenfrüchte zur Hemmung der Testosteron-Produktion (Behandlung der gutartigen Prostatavergrößerung)“.
Zum Teil haben die Produkte aber auch gesunde Personen als Zielgruppe im Visier, die von der Begriffsdefinition der EbD erst recht nicht erfasst sind. Hier finden sich Formulierungen für unbestimmte Patientengruppen oder Zustände, die gar nicht als „Krankheit“ zu klassifizieren sind, wie etwa Produkte gegen Burn-out/chronische Müdigkeit oder auch zum Diätmanagement bei Fettleibigkeit. Entsprechende Erzeugnisse sind bezüglich ihrer Zweckbestimmung fragwürdig und vielfach eigentlich als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) oder als zulassungspflichtiges Arzneimittel einzustufen.
EU kann verbindlich klassifizieren
Mit dem neuen Recht soll es nun für die Behörden in den Mitgliedstaaten leichter werden, festzustellen, ob ein Erzeugnis wirklich unter die Definition einer bilanzierten Diät fällt. Außerdem soll damit auch die Zuordnung der Produkte in der EU vereinheitlicht werden. Die Verordnung (EU) Nr. 609/2013 enthält deshalb eine Vorschrift, wonach in Zweifelsfällen durch Durchführungsrechtakte entschieden werden kann, ob ein bestimmtes Lebensmittel in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder nicht und zu welcher spezifischen Lebensmittelkategorie es gehört. Beschließt die Kommission einzugreifen, so kann sie die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) damit beauftragen, ein Produkt hinsichtlich der Zusammensetzung und vorgeschlagenen Verwendungen zu bewerten. Im November 2015 hat die EFSA eine wissenschaftliche und technischen Leitlinie zur Bewertung von FSMPs und zur Erstellung eines Dossiers veröffentlicht, die auch als Arbeitsgrundlage und Entscheidungshilfe für die Behörden und Hersteller dienen soll.
Positionspapier schafft Klarheit
Ansonsten bleibt die Beurteilung des Status eines bestimmten Produkts aber nach wie vor zunächst eine nationale Entscheidung. Fragen zur Einstufung oder Abgrenzung von bilanzierten Diäten landen häufig beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und bei den zuständigen Landesbehörden. Im September 2016 haben das BVL und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeinsam ein Positionspapier vorgestellt. Basierend auf sieben charakteristischen Prüfungsmerkmalen und einem Entscheidungsbaum liefert das Dokument wertvolle Hilfestellungen zur Einordnung der Produkte und zum Herausfischen „schwarzer Schafe“, die zu Unrecht als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke daherkommen wollen.
Anzeigen werden strenger gehandhabt
Das Inverkehrbringen einer bilanzierten Diät muss in Deutschland beim BVL angezeigt werden. Zusammen mit dem Formular für die Anzeige muss ein Muster des Etiketts vorgelegt werden. Die delegierte Verordnung (EU) 2016/128 sieht nun ein erweitertes Anzeigeverfahren vor. Danach sollen zusätzlich „alle anderen Informationen vorgelegt werden, die die zuständige Behörde vernünftigerweise verlangen kann, um sich von der Einhaltung der vorliegenden Verordnung zu überzeugen.“ Anhaltspunkte für solche Unterlagen liefert das oben genannte Leitlinienpapier der EFSA. Damit könnte in Zukunft schon im Rahmen des Anzeigeverfahrens entschieden werden, ob ein Produkt überhaupt eine ergänzende bilanzierte Diät ist, und wenn nicht, kommt es als EbD gar nicht erst auf den Markt.
Abverkauf möglich?
Was passiert ab dem 22. Februar 2019 in der Apotheke mit Beständen von bilanzierten Diäten, die noch nicht mit der delegierten Verordnung übereinstimmen? Die Ware darf auch über den Stichtag hinaus abverkauft werden, aber nur, wenn sie dem bisherigen Recht entspricht. |
Literatur
Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung und zur Aufhebung der Richtlinie 92/52/EWG des Rates, der Richtlinien 96/8/EG, 1999/21/EG, 2006/125/EG und 2006/141/EG der Kommission, der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnungen (EG) Nr. 41/2009 und (EG) Nr. 953/2009 des Rates und der Kommission. Abl. L 181/35 vom 29.06.2013.
Delegierte Verordnung (EU) 2016/128 der Kommission vom 25. September 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die besonderen Zusammensetzungs- und Informationsanforderungen für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Abl. L 25/30 vom 2.2.2016.
Positionspapier des BVL und des BfArM zur Charakterisierung von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten). www.bvl.bund.de
Scientific and technical guidance on foods for special medical purposes in the context of Article 3 of Regulation (EU) No 609/2013. EFSA Journal 2015;13(11):4300
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