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Gesundheitspolitik
Ende des „Kuschelsocken-Streits“
Bundesverwaltungsgericht hält an Rx-Preisbindung fest
Bald vier Jahre ist es her, dass der EuGH entschieden hat, dass EU-ausländische Versender nicht an die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gebunden sind, wenn sie deutsche Kunden beliefern. Denn: Bei der Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für Rx-Arzneimittel handele es sich um eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs in der EU. Seitdem steht eine Frage im Raum: Müssen deutsche Apotheken diese Inländerdiskriminierung hinnehmen? Schließlich bleiben ihnen Boni oder kleine Geschenke für Kunden, die ein Rezept einlösen, nach wie vor verwehrt. Einige Gerichte haben sich bereits mit dieser Frage befasst – und kamen letztlich immer zum gleichen Ergebnis: Ja, das ist den Apotheken zumutbar. Darunter war auch der Bundesgerichtshof – vor dem höchsten deutschen Zivilgericht ging es aber um die Frage, ob die Zuwendungsverbote des Heilmittelwerberechts im Lichte des EuGH-Urteils möglicherweise anders auszulegen sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte nun keine wettbewerbsrechtlichen Fragen zu klären, sondern nahm allein das Arzneimittelpreisrecht in den Fokus. Es entschied am vergangenen Donnerstag einen Fall, der schon seit Jahren unter einem Stichwort bekannt ist: Kuschelsocken. Begonnen hatte es in den Jahren 2013 und 2014. Damals hatten zwei Apothekerinnen aus dem Kreis Coesfeld Gutscheine für eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschelsocken ausgegeben. Diese Gutscheine konnten Kunden „bei Abgabe eines Rezeptes“ einlösen. Die zuständige Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Rx-Preisbindung. Sie untersagte ihnen daraufhin durch Ordnungsverfügung, „gekoppelt mit dem Erwerb von verschreibungspflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z. B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen“. Die Apothekerinnen wollten sich allerdings nicht fügen und so folgte ein langer Rechtsstreit, der nun in Leipzig sein Ende gefunden hat.
In allen Instanzen verloren
Für die Pharmazeutinnen ist es wohl kein glückliches Ende: Sie haben in allen Instanzen verloren. Schon das Oberverwaltungsgericht NRW (OVG) entschied 2017 unter dem Eindruck des EuGH-Urteils. Es stellte fest, dass die deutschen Preisbindungsvorschriften sowohl verfassungsgemäß als auch europarechtskonform seien. Sie verstießen weder gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz. Daran ändere auch die nach dem EuGH-Urteil bestehende Inländerdiskriminierung nichts. Dieser Wettbewerbsvorteil für ausländische Versandapotheken habe sich nämlich „noch nicht gravierend zulasten inländischer Apotheken ausgewirkt“.
An dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht offensichtlich nichts auszusetzen. Es wies die Revision der Klägerinnen zurück. Das Urteil im Volltext liegt noch nicht vor. Aber in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es, das Oberverwaltungsgericht habe im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Untersagungsverfügung der Apothekerkammer rechtmäßig ist. Die Apothekerinnen verstießen mit dem beanstandeten Vorgehen gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Preisbindungsvorschriften bestünden auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils von 2016 „keine durchgreifenden Bedenken“. Wenngleich für die inländischen Apotheken weiterhin die Arzneimittelpreisbindungsvorschriften gelten, seien diese nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Berufsausübungsfreiheit verletzt. „Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienen vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Sie sind geeignet, einen Preiswettbewerb zwischen den inländischen Apotheken zu verhindern und so das Ziel des Gesetzgebers zu fördern, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen“, heißt es in der Pressemitteilung. Und: Die Preisbindung erweise sich auch nicht als unverhältnismäßig, weil sie nicht für ausländische EU-Versandapotheken gelte. „Angesichts des bislang geringen Marktanteils der ausländischen Arzneimittelversender an der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ist die Preisbindung für die inländischen Apotheken weiterhin zumutbar.“
Es bleibt abzuwarten, wie lange Gerichte diese Auffassung noch vertreten. Derzeit profitieren die großen EU-Versender von der Corona-Krise und melden wachsende Rx-Umsätze – und vor allem frohlocken sie in Aussicht auf das bald kommende eRezept. |
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