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Geregelt, aber auch gelöst?

Foto: DAZ/Kahrman

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Man scheint sich in der Politik ja einig zu sein, eine Wirkstoffherstellung zu Dumping-Preisen zukünftig verhindern zu wollen. Dennoch werden uns Arzneimittelskandale à la Valsartan ­sicher noch eine Weile beschäftigen.

Dabei geht es gar nicht nur um globale Fragestellungen. Natürlich muss grundsätzlich geregelt werden, welcher Hersteller in welchem Land unter welchen Umständen sich am Markt beteiligen darf. Doch Arzneimittelrückrufe betreffen auch immer die Versorgung vor Ort. Patienten werden durch kolportierte und offizielle Meldungen verunsichert oder verängstigt, suchen Rat und Hilfe bei ihren Ärzten und Apothekern. Der Valsartan-Skandal vor – oder besser seit – zwei Jahren hat deutlich gemacht: Es gab bisher nur wenige Handlungsanweisungen und Rechtsgrundlagen für diese Szenarien. Inwiefern sind Ärzte und Apotheker in die Information der Patienten involviert? Müssen Ärzte Ersatzpräparate verordnen oder dürfen Apotheker die jeweiligen Präparate einfach umtauschen? Wer übernimmt die Kosten bzw. die Zuzahlungen und Eigenanteile der gesetzlich Versicherten?

Nicht nur Valsartan führte allen Verantwortlichen vor Augen, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Auch der umfassende Chargenrückruf des Adrenalin-Pens Emerade® 2019 zeigte viel Improvisation und wenig System dahinter.

Dieses Problem hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun – zumindest teilweise – geklärt (s. S. 68). Wahrscheinlich hätte man jedem ­anderen Minister auf die Schulter geklopft und für die restliche Legislaturperiode nicht mehr erwarten können. Bei Spahn gleicht diese Regelung hingegen einem Federstrich, der fast untergeht in der Flut von Verordnungen und Gesetzentwürfen aus seinem Haus.

Zusammen mit der neuen Aut-simile-Regelung aus der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung, die den Apothekern einen Austausch von Präparaten erlaubt, sofern kein wirkstoffgleiches Präparat verfügbar oder lieferbar ist, könnte man meinen, dass Arzneimittelrückrufe in Zukunft unbürokratisch und unkompliziert über die Bühne gehen müssten.

Doch zum einen hat die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ein mitgeliefertes Verfallsdatum – spätestens am 1. April 2021 ist Schluss mit der pharmazeutischen Austauschfreiheit. Zum anderen gelten die Ersatzverordnungen und Erstattungsansprüche bei Arzneimittelrückrufen nur für den GKV-Bereich, da sie im Sozialgesetzbuch stehen. Privatversicherte und Selbstzahler bleiben also auf ihren bezahlten Präparaten sitzen. Ein durchsetzbarer Regress­anspruch existiert nicht. Nur durch ein zusätzlich zu zahlendes Alternativarzneimittel können die Betroffenen ohne Bedenken und nachfolgend versorgt werden.

Es wurde also etwas geregelt, nicht ­gelöst, und ein neues Problem ist ­entstanden. Dies erinnert an die von Spahn geplante Rx-Boni-Regelung im Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Auch dort soll eine Regelung im Sozialgesetzbuch eine Art Schein-Gleichpreisigkeit einführen, die eben nicht anwendbar ist auf den Bereich der Privatversicherten und Selbst­zahler.

Jetzt könnte man meinen, dass dieses Problem nur für rund zehn Prozent der Patienten in Deutschland relevant ist, weil der weitaus größere Anteil gesetzlich versichert ist. Doch Rechtsgrundlagen sollten stets für das gesamte Versorgungssystem gelten, anstatt selbst einen Flickenteppich entstehen zu lassen. Es sind also endlich Lösungen notwendig und nicht nur neue Regeln.

Armin Edalat

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