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Viel Arbeit mit der Steuersenkung

Wie lassen sich die veränderten Mehrwertsteuersätze in den Apotheken praktisch umsetzen?

tmb | Die Bundesregierung möchte mit verminderten Mehrwertsteuersätzen im zweiten Halbjahr den Konsum ankurbeln, damit die Wirtschaft die Corona-Krise besser überwindet. Bevor der Erfolg beurteilt werden kann, werden die Apotheken erst einmal mit der praktischen Durchführung belastet. Die derzeitigen Herausforderungen betreffen IT-Umstellungen, Entscheidungen über neue Preise, korrekte Kennzeichnungen, neue Zuzahlungen, Hilfsmittelabrechnungen und den Kassenabschlag.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Sollten sich Apotheken dazu entscheiden, die Umsatzsteuerreduzierung an ihre Kunden weiterzugeben, empfiehlt es sich, einen entsprechenden Aushang an­zubringen. Damit soll sich die Umetikettierung der Packungen vermeiden lassen.

Die Mehrwertsteuersätze sinken vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent. Die Bundesregierung hatte dies am 12. Juni beschlossen. Am 29. Juni wurde die Regelung im Rahmen des zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes vom Bundestag und anschließend vom Bundesrat ver­abschiedet.

Preissenkung bei Rx-Arzneimitteln

In Apotheken sind die Folgen für preisgebundene Rx-Arzneimittel und das übrige, nicht preisgebundene Sortiment zu unterscheiden. Die Preisbildung für Rx-Arzneimittel geht von den Abgabepreisen der pharmazeutischen Unternehmer aus, die als Nettopreise formuliert sind. Sofern diese Abgabepreise unverändert bleiben, ergibt sich ein niedrigerer Bruttoverkaufspreis. Wenn in der IT der neue Mehrwert­steuersatz hinterlegt wird, sollte dies problemlos umzustellen sein. Soweit Preisänderungen vorgenommen werden, kommt es auf die Verarbeitung des Änderungsdienstes an, die am Stichtag – nach dem Redaktionsschluss für diese DAZ-Ausgabe – erfolgt.

Zuzahlungen sinken – Festbeträge werden angepasst

Bei der Mehrwertsteuersenkung profitieren Krankenkassen und Selbstzahler von niedrigeren Preisen für Rx-Arzneimittel. Für die GKV sind auch niedrigere Preise bei erstatteten OTC-Arzneimitteln sicher. Außerdem haben die GKV-Patienten einen Vorteil. Denn ihre Zuzahlungen für Arzneimittel mit Bruttoverkaufspreisen zwischen 50 und 100 Euro sinken, weil in diesem Bereich eine prozentuale Zuzahlung von 10 Prozent gilt. Die weiteren Folgen für die preisabhängigen Regelungen in der Arzneimittelversorgung werden für die GKV-Patienten minimal sein. Denn der GKV-Spitzenverband hat beschlossen, die Arzneimittelfestbeträge und Zuzahlungsfreistellungsgrenzen für die Zeit der gesenkten Mehrwertsteuersätze an­zu­passen. Mit den sinkenden Arzneimittelpreisen werden daher auch die Festbeträge sinken und damit werden die Patienten voraussichtlich nur beim Mehrwertsteueranteil der zu entrichtenden Mehrkosten entlastet. Da auch die Zuzahlungsfreistellungsgrenzen angepasst werden, ist nicht zu erwarten, dass zusätzliche Arzneimittel durch die Preissenkung von der Zuzahlung befreit werden.

Während die bisher genannten Aspekte alle Apotheken in gleicher Weise betreffen, ist bei den frei kalkulierbaren OTC-Arzneimitteln und den Waren des Ergänzungssortiments jede einzelne Apotheke für die Preisbildung verantwortlich. Dies gilt auch für die Frage, ob die niedrigere Mehrwertsteuer weitergegeben wird. Dabei kann für verschiedene Produkte unterschiedlich verfahren werden. Die Intention der Mehrwertsteuersenkung ist, den Konsum anzuregen. Doch dies ist bei Arzneimitteln aus gesundheitlicher Sicht nicht sinnvoll. Das Argument greift daher in Apotheken nur in Teilen des Ergänzungssortiments, vielleicht besonders bei Kosmetika. Davon abgesehen ist allenfalls bei dauerhaft angewendeten OTC-Arzneimitteln ein Vorzieheffekt im Dezember vor der ­Rückumstellung der Mehrwertsteuersätze zu erwarten. Obwohl die Apotheken also vermutlich kaum durch Mehr­umsatz von der Mehrwertsteuersenkung profitieren werden, gibt es ein Argument, diese Senkung weiterzu­geben. Denn wahrscheinlich wird eine allgemeine Erwartungshaltung an den Handel entstehen, der sich die Apotheken wohl kaum entziehen können. Wie auch immer in der einzelnen Apotheke entschieden wird, sollte nach der Verarbeitung des Änderungsdienstes vom 1. Juli überprüft werden, inwieweit die Bruttoverkaufspreise durch die zentrale Umstellung des Mehrwertsteuersatzes im System verändert wurden. Denn ein möglicherweise ­unbedachter Automatismus sollte nicht die bewussten Preisentscheidungen unterlaufen.

Außerdem müssen die Patienten über die geltenden Preise informiert werden. In Apotheken mit einer elektronischen Preisauszeichnung reicht dazu eine zentrale Eingabe. Doch in allen anderen Fällen stellt sich die Frage, wie mit den Preisangaben in der Sicht- und Freiwahl, im Schaufenster und auf den bereits aufgeklebten Preisetiketten zu verfahren ist. Gemäß § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PAngV) müssen Waren mit den Gesamtpreisen einschließlich Umsatzsteuer gekennzeichnet werden. Bei falschen Preisauszeichnungen drohen Abmahnungen. Dennoch zeichnet sich eine praktikable Alternative zur mühsamen Umetikettierung ab. Darauf hat die Apothekerkammer Berlin hingewiesen. Sie bezieht sich dabei auf ein Schreiben des Bundeswirtschafts­ministeriums an die Preisbehörden der Länder. Demnach könne entsprechend der Ausnahmeregelung in § 9 Abs. 2 PAngV von einer Änderung der Gesamt- und Grundpreise abgesehen werden. Gemäß dieser Regelung ist § 1 Abs. 1 PAngV nicht anzuwenden auf „nach Kalendertagen zeitlich begrenzte und durch Werbung bekannt gemachte generelle Preisnachlässe“. Das Bundeswirtschaftsministerium werbe für eine „großzügige“ Auslegung dieser Rechtslage. Gemäß der Ausnahmeregelung könne auf die Einzelauszeichnung jeder Packung verzichtet werden, wenn eine „örtliche Bekanntmachung“ durch einen Aushang erfolge.

Die Apothekerkammer Berlin hat dazu auch auf ein Schreiben der Steuerberatung Treuhand Hannover verwiesen, die sich dieser Auffassung anschließe. Die Treuhand Hannover empfehle den Apothekeninhabern, die die Umsatzsteuerreduzierung weitergeben, einen Aushang in der Apotheke anzubringen. Damit lasse sich die Umetikettierung der Packungen vermeiden. Dafür hat die Treuhand Hannover einen Text vorgeschlagen (siehe Kasten). Wenn die Umsatzsteuersenkung nur bei einem Teil des Sortiments weitergegeben wird, müsse der Text angepasst werden. Dann bestehe allerdings die Gefahr, dass nicht alle Sachverhalte erfasst würden, was zu Abmahnungen führen könnte, erklärt die Treuhand Hannover.

Textvorschlag für ­einen Aushang zur Mehrwertsteuer­senkung

„Liebe Patientinnen und ­Patienten,

wir geben die Mehrwertsteuer­senkung (von 19 Prozent auf 16 Prozent bzw. von 7 Prozent auf 5 Prozent) in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 an unsere Kunden weiter. Bei allen in der Apotheke ausgezeichneten Preisen wird an der Kasse der Preis um die Mehrwertsteuerreduzierung gesenkt. Die Preisbildung für verschreibungspflichtige Arzneimittel richtet sich nach den Vorgaben der Arzneimittelpreisverordnung.

Ihre Muster-Apotheke“

Weitere Folgen der neuen Steuersätze ergeben sich für die Abrechnung von Hilfsmitteln. Dabei hängt es von der jeweiligen Gestaltung der Verträge ab, ob die Preise mit oder ohne Mehrwertsteuer formuliert sind. Wenn Nettopreise vereinbart sind, müssen die Bruttopreise korrigiert werden. In einem Rundschreiben vom 26. Juni hat der Apothekerverband Schleswig-Holstein jedoch darauf hingewiesen, dass die Pflegehilfsmittelpauschale für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch „nach aktuellem Kenntnisstand“ 60 Euro brutto betrage und nicht angepasst werde.

Drohende Einbuße beim Kassenabschlag

Doch bei der Arzneimittelabrechnung droht den Apotheken eine erhebliche Belastung. Denn der Kassenabschlag für Rx-Arzneimittel gemäß § 130 SGB V ist als Bruttobetrag formuliert. Wenn ein kleinerer Teil dieses Bruttobetrages auf die Mehrwertsteuer entfällt, steigt die Nettobelastung der Apotheken. Ohne eine Anpassung würden die Apotheken damit für jedes Rx-Arzneimittel von der GKV 4 Cent netto weniger erhalten. Das würde sich für alle Apotheken zu einer Einbuße von über 12 Millionen Euro für das zweite Halbjahr summieren. Vertreter der Apothekerverbände äußerten sich jedoch optimistisch, dass die Politik diesen vermutlich unbeabsichtigten Effekt korrigieren werde. |

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