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Interpharm wird digital

Virtuelles Fortbildungsfestival findet an drei Tagen im September statt

eda | „Schweren Herzens müssen wir zum ersten Mal in über 30 Jahren eine Interpharm absagen“, erklärte Dr. Benjamin Wessinger, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, Anfang März. Zum damaligen Zeitpunkt lag es noch an jedem einzelnen (Groß-)Veranstalter abzuwägen, ob es im Bann der Corona-Pandemie Events geben soll oder besser nicht. Doch 2020 wird es das Interpharm-Feeling trotz Corona geben – als digitales Fortbildungsfestival vom 24. bis 26. September. Wie das Programm aussehen wird, welche Überraschung es für besonders schnelle Anmeldungen gibt – darüber haben wir uns mit Interpharm-Organisator Dr. Benjamin Wessinger im Rahmen eines Interviews unterhalten.
Foto: Alex Schelbert

„Im Mai haben wir dann entschieden: Wir wagen es.“ Dr. Benjamin Wessinger, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags, über die Interpharm online.

DAZ: Herr Dr. Wessinger, nun wird das Jahr 2020 glücklicherweise doch nicht ohne Interpharm in die Geschichte eingehen müssen. Vom 24. bis 26. September 2020 wird es die Interpharm als „digitales Fortbildungsfestival“ ­geben. Wie wird das aussehen?

Wessinger: An jedem der drei Tage werden von morgens bis abends Vorträge in einem kontinuierlichen Livestream ins Internet „übertragen“. Die Vorträge sind keine vorab produzierten Aufzeichnungen, sondern die Referentinnen und Referenten halten sie live, bei uns im Verlagsgebäude, und werden dabei gefilmt. Das ganze startet am 24. September mit dem „ApothekenRechtTag online“ mit Vorträgen für Juristinnen und Juristen, aber auch juristisch interessierte Apothekerinnen und Apotheker. Am Freitag, den 24. September folgt dann das Herzstück jeder Interpharm, der wissenschaftliche Kongress für Apothekerinnen und Apotheker. Den krönenden Abschluss bildet am Samstag, den 26. September, der „PTAheute-eKongress“. Nach den live-Übertragungen werden die Videos der Vor­träge für ca. vier Wochen auf interpharm.de abrufbar sein.

DAZ: Wie kam es denn zu der Entscheidung, die Interpharm online stattfinden zu lassen?

Wessinger: Als wir die Interpharm Anfang März, nur zwei Wochen vor dem geplanten Termin, absagen mussten, war der Frust im Haus unheimlich groß. So viel Arbeit, so viele tolle Ideen waren umsonst gewesen.

Die Idee, ein digitales Pendant zu organisieren, kam sofort auf – und wurde vom Organisationsteam rundheraus abgelehnt. Auch von mir. Die Interpharm lebt vom direkten Erleben der hervorragenden Referentinnen und Referenten, vom persönlichen Austausch und auch vom sehr umfangreichen – manche sagen: ausufernden – Programm. All das kann man nur schwer oder gar nicht online umsetzen. Aber nachdem der schlimmste Frust bewältigt war, kamen immer neue Ideen, wie man die Interpharm doch online stattfinden lassen könnte. Und im Mai haben wir dann entschieden: Wir wagen es.

DAZ: Zum Zeitpunkt der Absage war das noch eine freiwillige Entscheidung. Erst wenige Wochen später gab es dann gesetzliche Auflagen und Verbote im Hinblick auf Versammlungen und Großveranstaltungen. Wie waren die Reaktionen auf die Absage?

Wessinger: Das stimmt, als wir die Interpharm abgesagt haben, durften noch Großveranstaltungen stattfinden, auch die Bundesliga hat beispielsweise noch in vollen Stadien gespielt. Wir waren aber wegen unserer Zielgruppe in einer besonderen Situation: Wenn es auch nur einen einzigen Infektionsfall auf der Interpharm gegeben hätte, dann hätten bis zu 3000 Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA in Quarantäne gemusst. Und das in einer Pandemie mit zum damaligen Zeitpunkt dramatisch steigenden Infektionszahlen und einer Ausnahmesitua­tion in den Apotheken. Dieses Risiko konnten und wollten wir nicht eingehen. Die verhinderten Besucher und Referenten und auch die Aussteller haben uns in dieser Einschätzung auch Recht gegeben, viele haben das genauso gesehen wie wir. Die Reaktionen waren durchweg verständnisvoll. Drei Tage vor dem geplanten Termin wurden dann in Berlin übrigens alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern untersagt.Die Interpharm hätte also sowieso nicht stattfinden können.

DAZ: Die Interpharm steht einerseits für pharmazeutische Fortbildung auf höchstem Niveau und andererseits für den interprofessionellen Austausch zwischen Apothekerinnen und Apothekern, PTA, PKA, Studierende, Auszubildende und viele weitere Berufsgruppen, die sich mit der Branche verbunden fühlen. Wie setzen Sie dieses Konzept nun online um?

Wessinger: Wir konzentrieren uns in diesem Jahr ganz auf die Qualität der Fortbildung: Wir haben hochkarätige Referentinnen und Referenten ge­winnen können, die zu top-aktuellen Themen sprechen. Der Austausch, dem ein Kongress und eine Messe sonst dienen, der muss in diesem Jahr leider etwas hinten anstehen. Wir haben lange diskutiert, ob wir beispielsweise „virtuelle Kaffeepausen“ mit einer Videokonferenz-Technik umsetzen können. Letztendlich haben wir uns aber dagegen entschieden. Es ­wäre nur ein lahmer Ersatz für den persönlichen Austausch, den es hoffentlich im nächsten Jahr bei der Interpharm in Stuttgart wieder geben wird. Diese wird vom 19. bis 20. März stattfinden – so es die Situation dann zulässt.

DAZ: Stichwort: ApothekenRechtTag. Das ist ja durchaus eine Veranstaltung, die sich nicht nur an Juristen und Experten für Arzneimittel- und Apothekenrecht richtet. Was bietet dieses Format den Apothekern?

Wessinger: Der ApothekenRechtTag wendet sich schon immer auch an Apothekerinnen und Apotheker, die sich für apothekenrechtliche und regulatorische Fragen interessieren, und nicht nur an Juristen. Auch unter den Referenten sind immer wieder Nicht-Juristen, in diesem Jahr z. B. der Apotheker und ehemalige BfArM-Präsident Prof. Dr. Harald G. Schweim. Er wird ­darüber sprechen, dass die Arzneimittelversender aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet offenbar von keinem der beiden Länder ordentlich überwacht werden. Auch die anderen Themen sind von hoher Relevanz für die Apotheken: Die neuen Regelungen zum Botendienst, zur Heimver­sorgung oder zum Impfen in der Apotheke sind nur einige Beispiele.

DAZ: Beim wissenschaftlichen Programm des pharmazeutischen eKongresses am Freitag geht es mal nicht ausschließlich um Corona. Nur am Nachmittag wird es einen Slot zum Thema geben, in dem Apothekerin und DAZ-Autorin Dr. Verena Stahl einen fachlichen Austausch mit Prof. Dr. Leif Erik Sander von der Charité Berlin führt. Welche Themen erwarten die Zuschauer sonst noch an dem Tag? Und: Kommt das Programm aus der ursprünglich geplanten Präsenzveranstaltung im März?

Wessinger: Wir haben für die Interpharm online ein ganz neues Programm zusammengestellt. Das ist schon deshalb notwendig gewesen, weil wir ja nur einen Tag Vorträge für die Apothekerinnen und Apotheker anbieten, bei der „normalen“ Interpharm aber zwei Tage. Ein weiterer Grund ist, dass es schwieriger ist, vor einem Bildschirm konzentriert zuzuhören als live. Deswegen haben wir das Programm thematisch sehr abwechslungsreich gestaltet. Es geht nicht einen halben Tag um dieselbe Krankheit oder Arzneimittelgruppe, wie wir das sonst machen. Aber keine Sorge: Das tolle Programm, das wir für den März in Berlin organisiert hatten, versuchen wir weitgehend für die nächste Interpharm zu übernehmen.

DAZ: Normalerweise gibt es am „Speakers Point“ immer die Möglichkeit, im Anschluss an die Vorträge mit den jeweiligen Referenten in Kontakt zu treten. Was werden Sie bei der virtuellen Interpharm nun alternativ anbieten?

Wessinger: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können während der Live-Vorträge in einem Chat Fragen stellen. Diese werden von unseren Moderatoren zusammengefasst und dann von den Referenten beantwortet.

DAZ: Ein wichtiger Bestandteil und beliebter Treffpunkt für alle Interpharm-Besucher ist jedes Jahr die pharmazeutische Ausstellung. Wird es auch hier ein neues Online-Format geben?

Wessinger: Nein, eine „virtuelle Messe“, wo man am besten als Avatar durch eine simulierte Messehalle spaziert und an „Messestände“ geht um sich Infomaterial herunterzuladen, wird es nicht geben. Diese Konzepte haben uns nicht überzeugt. Aber natürlich möchten Arzneimittelhersteller und andere Partner der Apotheken die Gelegenheit nutzen, sich und ihre Neuheiten zu präsentieren. Dafür haben wir verschiedene Formate geschaffen, von einer Präsentation auf der Website bis hin zu Vorträgen.

DAZ: Tickets können ab sofort gebucht werden. Was erwartet die Teilnehmer der Interpharm online ansonsten noch alles?

Wessinger: Die Anmeldung ist seit einigen Tagen auf interpharm.de möglich. Ein Ticket ist nicht nötig, man legt sich einfach ein Nutzerkonto mit Namen und Passwort an und bekommt dann vom Deutschen Apotheker Verlag eine Rechnung zugeschickt. Wenn eine Apothekeninhaberin oder ein –inhaber mehrere Mitarbeiter anmelden möchte, dann kann er sich gerne im Kundenservice des Verlags melden. Dann verschicken wir nur eine Rechnung. Neben den Vorträgen können sich die Teilnehmer über die Neuheiten unserer Partner informieren. Und wer sich früh genug angemeldet hat, bekommt die Interpharm-Box geschickt. Darin finden sich neben den Kongressunterlagen auch viele weitere Informationen – und tolle Überraschungen von unseren Partnern. Die Zahl der Boxen ist allerdings limitiert, sie werden nach der Reihenfolge der Anmeldungen verschickt. Es lohnt sich also, sich früh anzumelden.

DAZ: Meinen Sie, den pharmazeutischen eKongress wird es nur einmalig geben oder könnte das ein Format für die Zukunft sein?

Wessinger: Das fragen wir uns auch! Im Ernst: Das kommt sowohl auf den Erfolg der Interpharm online an als auch auf die Zukunft der Kongresse und Messen allgemein. Wer weiß, wann es wieder Großveranstaltungen mit mehreren tausend Besuchern geben kann? Einige Formate, die wir jetzt ausprobieren, lassen sich aber auch sehr gut mit Präsenzveranstaltungen kombinieren.

DAZ: Herr Dr. Wessinger, vielen Dank für das Gespräch. |

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