- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 41/2020
- Duale Plättchenhemmung ...
Arzneimittel und Therapie
Duale Plättchenhemmung ist effektiver
ASS plus Ticagrelor ist der Standardprophylaxe nach Schlaganfall und TIA überlegen
Nach einem ischämischen Schlaganfall oder TIA wird empfohlen, dass die Patienten zur Rezidivprophylaxe eine Thrombozytenaggregationshemmung mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) erhalten sollen. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die duale Hemmung bestehend aus Clopidogrel und ASS effektiver wirkt. Clopidogrel hemmt die ADP-Rezeptoren irreversibel, wodurch die ADP-induzierte Thrombozytenaktivierung ausbleibt (Abb.). Nachteil an Clopidogrel ist, dass es als Prodrug vorliegt und die Wirksamkeit individuell sehr variabel ist. Ticagrelor hingegen blockiert die ADP-Rezeptoren reversibel. Es hat den Vorteil, dass es nicht als Prodrug vorliegt und weniger individuellen Schwankungen unterliegt. Nach bisherigem Stand ist eine Ticagrelor-Monotherapie der alleinigen ASS-Gabe nicht überlegen. Die Kombinationstherapie ist bisher kaum untersucht.
Placebo-kontrollierter Vergleich
Im New England Journal of Medicine wurden aktuell die Ergebnisse der THALES-Studie, die den Effekt der Ticagrelor/ASS-Kombi vs. ASS allein untersuchte, veröffentlicht. Es handelt sich um eine multizentrische, randomisierte, Placebo-kontrollierte Doppelblindstudie, an der insgesamt 11.016 Patienten teilgenommen haben. Die Studie wurde von AstraZeneca gesponsert und an 414 Studienzentren in 28 Ländern durchgeführt; Studienzeitraum war von Januar 2018 bis Oktober 2019. Die Studienteilnehmer hatten einen milden bis moderaten ischämischen Schlaganfall (NIHSS-Score ≤ 5) oder eine TIA und benötigten keine Thrombolyse oder Thrombektomie. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer war 65 Jahre, 39% waren weiblich, und 13% nahmen schon vor dem Indexereignis prophylaktisch ASS ein. Während des Studienzeitraums erhielten 74% Antihypertensiva, 83% ein Statin und 28% Antidiabetika. Die Teilnehmer wurden 24 Stunden nach Symptombeginn in die Studie eingeschlossen; 5.523 erhielten eine 30-tägige Behandlung mit Ticagrelor (Initialdosis 180 mg, danach 90 mg zweimal täglich) und ASS (300 bis 325 mg am ersten Tag, danach 75 bis 100 mg/d) und 5.493 erhielten Placebo plus ASS.
Signifikante Risikoreduktion
Primärer kombinierter Endpunkt war das erneute Auftreten eines Schlaganfalls oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach dem ersten Ereignis. Dieser trat in der Ticagrelor/ASS-Gruppe bei 303 (5,5%) und in der Placebo/ASS-Gruppe bei 362 (6,6%) Patienten ein; eine signifikante relative Risikoreduktion um 17% (Hazard Ratio 0,83; 95% KI 0,71 – 0,96; p = 0,02). Als sekundäre Endpunkte wurden das Auftreten ischämischer Schlaganfälle und die Häufigkeit von Behinderungen untersucht. Ischämische Schlaganfälle ereigneten sich in der Ticagrelor/ASS-Gruppe bei 276 (5,0%) vs. 345 (6,3%) Patienten in der Placebo/ASS-Gruppe; eine signifikante relative Risikoreduktion um 21% (Hazard Ratio 0,79; 95% KI 0,68 – 0,93; p = 0,004). Zwischen beiden Gruppen gab es jedoch keinen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Inzidenzrate an Behinderungen (23,8% in der Ticagrelor/ASS-Gruppe vs. 24,1% in der Placebo/ASS-Gruppe).
NIH-Stroke Scale
Die National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) ist ein Scoresystem zur Beurteilung eines akuten Schlaganfalls. Bewertet werden 11 Punkte:
- die Vigilanz,
- die Orientierung,
- das Befolgen von Aufforderungen,
- Blickbewegungen,
- das Gesichtsfeld,
- Fazialisparese,
- die Motorik der Arme,
- die Motorik der Beine,
- eine Extremitätenataxie,
- die Sensibilität,
- die Sprache (Aphasie),
- Dysarthrie (verwaschene Sprache) und
- Neglect: Auslöschung und Nichtbeachtung (z. B. kein Erkennen der eigenen Hand)
Die Summe der Werte liegt zwischen 0 bis 42 Punkten. Je höher die Punktzahl, desto schwerwiegender ist der Schlaganfall.
Erhöhtes Blutungsrisiko
Des Weiteren wurde untersucht, ob die duale Plättchenhemmung mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. Schwere Blutungen traten bei 28 Patienten (0,5%) in der Ticagrelor/ASS-Gruppe und bei 7 Patienten (0,1%) in der Placebo/ASS-Gruppe auf (Hazard Ratio 3,99; 95% KI 1,74 – 9,14; p = 0,001). Intrakranielle oder tödliche Blutungen erlitten 22 (0,4%) Patienten in der Ticagrelor/ASS-Gruppe vs. 6 (0,1%) in der Placebo/ASS-Gruppe. |
Fazit
In der Studie konnte gezeigt werden, dass das kombinierte Risiko für Schlaganfälle oder Tod unter dualer Plättchenhemmung signifikant niedriger ist als unter alleiniger ASS-Gabe. Das Blutungsrisiko ist hingegen deutlich erhöht. Dennoch ziehen die Studienautoren eine positive Nutzen/Risiko-Bilanz und unterstreichen die positive Wirkung einer dualen Plättchenhemmung. Anhand von Berechnungen aus den Studienergebnissen müssten 92 Patienten mit Ticagrelor und ASS behandelt werden, um ein primäres Endpunktereignis zu verhindern (Number Needed to Treat: 92); hingegen müssten 263 Patienten therapiert werden, damit eine schwere Blutung auftritt (Number Needed to Harm: 263). Somit überwiegt der Nutzen einer kombinierten Ticagrelor/ASS-Prophylaxe. |
Literatur
Johnston SC, et al. Ticagrelor and Aspirin or Aspirin Alone in Acute Ischemic Stroke or TIA. N Engl J Med 2020; 383:207-17
Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019
National Institutes of Health Stroke Scale. Doccheck Flexikon. https://flexikon.doccheck.com/de/National_Institutes-of_Health_Stroke_Scale; Abruf am 23.08.2020
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.