Arzneimittel und Therapie

(K)eine Entwarnung für Biologika

Melanomrisiko unter Immuntherapie weiterhin unklar

Biologika zählen mittlerweile zur Standardtherapie bei Autoimmunerkrankungen. Dennoch stehen sie immer wieder unter Verdacht, das Risiko für Krebserkrankungen, insbesondere das Melanomrisiko, zu erhöhen. Eine aktuelle Metaanalyse geht der bisher ungeklärten Vermutung nach.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED), Rheumatoide Arthritis (RA) und Psoriasis sind immunvermittelte, chronisch entzündliche Erkrankungen, deren Pathogenese unter anderem eine vermehrte Freisetzung von Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) zugrunde liegt. Wenn die konventionelle systemische Standardtherapie nicht ausreichend wirkt oder kontraindiziert ist, kommen Biologika zum Einsatz – eine Revolution der Behandlungsmöglichkeiten. Für alle drei Autoimmunerkrankungen werden als First-Line-Biologika TNF-α-Inhibitoren wie Adalimumab (z. B. Humira®) oder Certolizumabpegol (Cimzia®) verordnet. Durch die Blockade des Zytokins können die Beschwerden gelindert und die Lebensqualität gesteigert werden.

Foto: Jürgen Fälchle – stock.adobe.com

Mehr Hautkrebsfälle ...

Trotz der guten Wirksamkeit bestehen weiterhin Bedenken bezüglich des Krebsrisikos, insbesondere des Risikos zur Entwicklung von Melanomen. Das maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) gehört zu den besonders aggressiven Tumoren – die Inzidenz liegt in Europa bei ca. 15 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner jährlich. Zu den Risikofaktoren zählen insbesondere eine starke UV-Belastung, heller Hauttyp und genetische Faktoren. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Entstehung eines Melanoms durch Immunsuppression gefördert werden kann. Mehrere Studien ergaben Hinweise auf ein erhöhtes Melanomrisiko unter Biologika-Therapie bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Rheumatoider Arthritis und Psoriasis – der Vergleich erfolgte jedoch stets mit der Allgemeinbevölkerung. Das Melanomrisiko unter Biologika-Therapie vs. konventio­­neller systemischer Standardtherapie ist nach wie vor unklar. Um diese Unklarheit zu beseitigen, haben Forscher aus Manchester und Brisbane eine Metaanalyse erstellt.

... im Vergleich zur Standardtherapie?

Dazu wurden insgesamt sieben Kohortenstudien aus dem Zeitraum von 1998 bis 2015 in die Auswertung einbezogen. Die Einschlusskriterien waren eine mindestens zwölfmonatige Biologika-Therapie und ähnliche klinische Charakteristika zur Vergleichsgruppe der nicht mit Biologika behandelten Patienten. Die Studien wurden in den USA, Dänemark, Schweden und Australien durchgeführt. Zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen gab es zwei Studien, zur Rheumatoiden Arthritis vier und eine zu Psoriasis. In sechs Studien wurden nur TNF-α-Inhibitoren eingesetzt, in einer Studie zusätzlich auch Abatacept (Orencia®) und Rituximab (z. B. Mabthera®). Insgesamt erhielten 34.029 Patienten eine Biologika-Therapie, und 135.370 waren Biologika-naiv und erhielten die konventionelle systemische Standardtherapie. Die Studiendauer lag im Durchschnitt zwischen einem und fünfeinhalb Jahren. In der Metaanalyse konnte festgestellt werden, dass das gepoolte Relative Risiko (pRR) für die Entwicklung eines Melanoms bei mit Biologika behandelten CED-Patienten vs. Biologika-naiven Patienten 1,20 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,60 bis 2,40) betrug – bei RA lag das pRR ebenfalls bei 1,20 (95%-KI: 0,83 bis 1,74). Für Psoriasis-Patienten, die mit Biologika behandelt wurden, lag die Hazard Ratio im Vergleich zur konventionellen systemischen Standardtherapie bei 1,57 (95%-KI 0,61 bis 4,09). Die gefundenen Unterschiede waren jedoch in allen Fällen nicht statistisch signifikant.

Weitere Studien notwendig

Obwohl keine statistisch signifikante Assoziation zwischen Biologika-Exposition und Melanomrisiko gezeigt werden konnte, kann keine abschließende Entwarnung gegeben werden. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass aufgrund der kurzen Beobachtungszeiten und der langen Latenz bis zur Entwicklung eines Melanoms, das ­Risiko auch unterschätzt worden sein kann. Auch die nachweislichen Risikofaktoren für Melanome wie UV-Exposition und Hautfarbe wurden in den ausgewerteten Studien nicht berücksichtigt. Zur abschließenden Klärung des Verdachts sind weitere klinische Studien mit einer größeren Anzahl an Teilnehmern, längere Beobachtungszeiträume und die Erfassung zentraler Risikofaktoren erforderlich. |

 

Literatur

Esse S, Mason KJ, Green AC, Warren R. Melanoma Risk in Patients Treated With Biologic Therapy for Common Inflammatory Diseases. JAMA Dermatol 2020; 156(7):787-794

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH; 2019

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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