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Aus den Ländern
„Das VOASG ist kein Fortschritt“
Jens Dobbert blickt kritisch auf acht Jahre Berufspolitik auf Bundesebene zurück
Wie viele andere Landesapothekerkammern hat sich die Kammer Brandenburg in diesem Jahr entschieden, ihre Kammerversammlung in diesem Herbst virtuell abzuhalten – die Sitzung in der ersten Jahreshälfte war in der Corona-Pandemie ganz abgesagt worden. Sogar Beschlüsse wurden am Mittwoch, den 18. November getroffen – zunächst online, eine schriftliche Abfrage soll im Nachgang folgen.
Kammerpräsident Jens Dobbert ließ in seinem Lagebericht die von ihm gewohnten ABDA-kritischen Worte nicht vermissen. Angesichts der virtuellen Situation, in der sich die Stimmung der Mitglieder vor Ort nicht gut einfangen lässt, beschränkte sich Dobbert jedoch auf wenige Themen: die Leistungen der Apotheken in der Corona-Krise, das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) und der seit Jahren verfolgte Plan eines Pharmaziestudiengangs im Land.
Apotheken als Vorbild in der Krise
Jeder weiß: 2020 ist ein Jahr, wie es sich vor einem Jahr keiner hätte vorstellen können. Und die Apotheken haben in dieser für alle schweren Zeit unter Beweis gestellt, was sie leisten können – auch jenen, die Apothekern immer wieder vorgehalten haben, „rückwärtsgewandt und verkrustet“ zu sein. „Sehr schnell, effektiv und geräuscharm“ hätten die Brandenburger Apotheken Schutzmaßnahmen getroffen, betonte Dobbert. Auch wenn es mangels staatlicher Unterstützung anstrengend gewesen sei, die nötige Schutzausrüstung zu beschaffen. Der Präsident dankte den Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Mitarbeitern ausdrücklich auch für ihren effektiven Einsatz bei der Desinfektionsmittelherstellung für Pflegeheime, Arztpraxen und die Bevölkerung. Ein Einsatz, der im Übrigen auch in der Politik und in den Medien bis hin zur Tagesschau gewürdigt worden sei.
Dämpfer VOASG
Für Dobbert ist das Gesundheitssystem eine Art „Zahnradgetriebe“: Ob Ärzte, Apotheken, Pflege – alle Gruppen im Gesundheitsleben greifen ineinander. Werde eine Berufsgruppe durch politische Entscheidungen herausgerissen, funktioniere das ganze System nicht mehr. Auch vor diesem Hintergrund ist für den Kammerpräsidenten nicht zu verstehen, dass im VOASG so „inkonsequent mit unserem Berufsstand umgegangen wird“. Zwar gebe es künftig ein Honorar für pharmazeutische Dienstleistungen – doch Genaueres wisse man noch nicht. Selbst wenn auf Bundesebene seit geraumer Zeit über pharmazeutische Dienstleistungen gesprochen werde, wisse man bis heute nicht, welche davon künftig in den Apotheken angeboten werden sollen. Dobbert verwies auf den massiven Personalnotstand in vielen Apotheken. Könne da jede Apotheke Dienstleistungen erbringen? Oder blieben sie am Ende großen „Leuchtturmapotheken“ vorbehalten? „Ich kann es Ihnen nicht sagen“, so Dobbert.
90 Prozent Gleichpreisigkeit sind nicht genug
Was er aber sagen kann: Die Einschätzung des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt, das VOASG schaffe zu 90 Prozent Gleichpreisigkeit und sei damit ein „Fortschritt“, teilt er keinesfalls. „Das ist kein Fortschritt, denn die Gleichpreisigkeit ist so nicht vorhanden“. Es gebe nun einmal Privatversicherte und Selbstzahler. In diesem Bereich werde es künftig ein „Hauen und Stechen“ geben, prognostiziert Dobbert. Und der GKV-Spitzenverband werde diese Möglichkeiten auch für die GKV-Versicherten reklamieren. Der Kammerpräsident erinnerte an die öffentliche Anhörung zum VOASG, bei der sich gezeigt habe, dass es nicht viele Befürworter unseres Systems gebe, sondern „vom Caritasverband bis zum GKV-Spitzenverband“ jeder die Liberalisierung fordere.
Dobbert betonte: „Wir haben immer für ein Rx-Versandverbot gekämpft, mit anderen Bundesländern zusammen“. Und wenn die Politik gesehen hätte, wie wichtig die Apotheken für die Versorgung sind, hätte sie sicher auch dieses Verbot durchgesetzt. Doch trotz anderer Beschlusslage im Gesamtvorstand habe die ABDA-Führung das Rx-VV nicht weiterverfolgt.
Hoffnung auf die neue Berliner Spitze
Im weiteren Verlauf der Kammerversammlung brachte Dobbert seine Haltung zur noch amtierenden ABDA-Spitze nochmals auf den Punkt: „Die vergangenen acht Jahre können wir als nicht besonders erfolgreich abhaken“, sagte er. Von der neuen Spitze, die im nächsten Jahr das Ruder übernimmt, verspricht sich der Brandenburger Präsident mehr: Sowohl Gabriele Regina Overwiening als auch Thomas Benkert hätten kürzlich in einer virtuellen Sitzung ihre Vorstellungen erläutert, und: „Wir lagen nicht weit auseinander“, konstatierte Dobbert.
Einen Mann, der bis vor Kurzem an der Spitze der Berliner Standesorganisation stand, hatte Dobbert allerdings schon gleich zu Beginn seiner Rede gewürdigt: Andreas Kiefer, der im September verstorbene Präsident der Bundesapothekerkammer. Für Dobbert ein viel zu früher und schwerer Verlust. Kiefer habe die Interessen der Apothekerinnen und Apotheker stets mit „viel Leidenschaft, Herzblut, Weitblick und auch mit einer Portion Humor“ vertreten. Auch wenn er selbst nicht immer einer Meinung mit ihm gewesen sei – die Arbeit mit Kiefer habe immer viel Spaß gemacht, sagte Dobbert.
BTU Cottbus Senftenburg legt Konzept für Pharmazie-Modellstudiengang vor
Nicht zuletzt sprach der Kammerpräsident noch den Dauerbrenner Pharmaziestudiengang an. Seit Jahren kämpft die Kammer um Nachwuchs und speziell um die Möglichkeit, in Brandenburg studieren zu können. Auch angesichts des Strukturwandels in der Lausitz haben sich die Aussichten mittlerweile möglicherweise verbessert. Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) hat jetzt ein Konzept vorgelegt, in dem beschrieben wird, wie ein Modell-Studiengang Pharmazie/Industriepharmazie aussehen könnte. Angedacht ist ein „Y-Studiengang“, bei dem es bis zum 4. Semester ein gemeinsames Grundstudium gibt. Danach fällt die Entscheidung, ob man das Staatsexamen machen will, um die Approbation zu erlangen – oder aber im Industriezweig einen Bachelor und Master. Solche Modelle gibt es bereits in Freiburg und München.
Zu diesem Konzept konnte die Kammer eine Stellungnahme abgeben. Unterstützung bei dieser bekam sie von der ABDA – ausdrücklich dankte Dobbert dafür Pharmazie-Geschäftsführerin Christiane Eckert-Lill und ihrem Team. In der Stellungnahme werde das Studienkonzept befürwortet – aber in dem einen oder anderen Punkt noch Nachjustierbedarf angemeldet, erklärt Dobbert. Gerade gestern habe man einen Termin mit der neuen BTU-Präsidentin für Mitte Januar verabredet, um das Konzept zu diskutieren. Für Dobbert sind diese Entwicklungen ein Fortschritt – auch wenn zuletzt aus der Politik keine Signale kamen, die größere Hoffnung machen konnten. Selbst wenn sich nun wirklich etwas bewege, werde noch Zeit ins Land gehen, ehe ein solcher Studiengang wirklich starten kann. Kaffeesatzleserei liegt Dobbert nicht – doch Fakt bleibe: „Wir brauchen zukünftig viele Apothekerinnen und Apotheker in Brandenburg und auch in anderen Bundesländern“. |
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