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Einfach erklärt

Sauer? Nicht lustig!

Komplexe Sachverhalte einfach erklärt – Folge 3: Protonenpumpeninhibitoren

Neulich fragte ich Google (aus Gründen), ob irgendjemand schon etwas Hilfreiches zum Thema „diskrete Beratung in der Apotheke trotz Masken und Plexiglasscheibe“ niedergeschrieben hatte. Die Ausbeute war eher dürftig, aber Google teilte mir mit, dass andere Nutzer die Frage stellten: „Warum fragen Apotheker so viel?“. Ja, warum tun wir das eigentlich? Vor allem dann, wenn es scheinbar doch nur um alltägliche Wehwehchen und unkomplizierte Mittel geht. Das stößt bei manchen Kundinnen und Kunden wohl sauer auf. Dabei könnte ihnen gerade eine fehlgeleitete Beratung auf den Magen schlagen – wie sich am Beispiel der Protonenpumpeninhibitoren anschaulich darstellen lässt. | Von Christine Gitter

„Eine Packung Gaviscon® bitte. Und gerne gleich die größte, die Sie haben.“ Ein Kundenwunsch, der uns im HV immer aufhorchen lässt. Selbstverständlich bohrt man also nach: Der etwa 30-jährige Mann, leicht übergewichtig, im Schichtdienst tätig, hatte von seiner Hausärztin bereits Pantoprazol 40 mg gegen seine Refluxbeschwerden verordnet bekommen. Ich möchte Sie an dieser Stelle nicht unnötig auf die Folter spannen oder mit gekünstelten Dialogen langweilen, denn wir wollen es ja kurz machen: Der Kunde wusste schlicht nicht, dass Pantoprazol als Akutmedikament zur sofortigen Linderung seiner säurebedingten Beschwerden nicht gut geeignet ist. Jedenfalls befand er nach zweimaliger Einnahme, dass er mit dem Antazidum, das er schon aus der Zeit vor seinem Arztbesuch kannte, besser bedient sei.

Komplexe Sachverhalte aus dem Apothekenalltag einfach erklärt …

… das ist die Idee hinter dieser Serie! Denn wie alle Experten sind auch wir Apothekerinnen und Apotheker chronisch gefährdet, einen zu hohen Wissensstand beim Gegenüber – unseren Kundinnen und Kunden – vorauszusetzen. Bei der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind einfache Erklärungen auf die Frage „Warum?“ oft förderlicher als detaillierte Ausführungen, die sich mit dem „Wie“ beschäftigen.

Deshalb finden Sie in dieser Serie regelmäßig ent­sprechend aufbereitete Informationen, die Sie an Ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können – wir übernehmen sozusagen die Übersetzungsarbeit aus dem Pharmazeutischen.

Bei der Themenauswahl haben wir uns an der Häufigkeit im Apothekenalltag und am praktischen Nutzen für die AMTS orientiert.

Folge 1:Gehört heißt nicht immer richtig ver­standen – Was bedeutet „nüchtern einnehmen“?, DAZ 2021, Nr. 29, S. 48

Folge 2: Dem Schmerz eine „kleben“ – Transdermale therapeutische Systeme, DAZ 2021, Nr. 34, S. 50

Natürlich könnten wir jetzt sagen: Ja, hat er denn den Beipackzettel nicht gelesen? Das mit dem Beipackzettel ist aber so eine Sache. „Der Tod ist möglich. Helfen kann die Tablette unter Umständen auch.“ Für viele Patienten klingt die Zusammenfassung einer Packungsbeilage genau so.

Es gibt zweierlei Lager: die, die den Beipackzettel gar nicht erst lesen, und die, die ihn zwar lesen, das Arzneimittel dann aber aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen vielleicht nicht einnehmen. Beides kann Schaden anrichten. Natürlich gibt es Vorschriften, die die Gestaltung einer Packungsbeilage regeln. Diese stehen im Arzneimittelgesetz. Und genau so lesen sie sich auch: amtsdeutsch. Patientenfreundlich geht anders. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat im April 2015 zwar Empfehlungen herausgegeben, mit deren Hilfe die Verständlichkeit solcher „Waschzettel“ verbessert werden soll. Nur leider gibt es keine Verpflichtung, und deswegen wird es kaum gemacht. Wie können wir in der Apotheke helfen?

So ein Medikationsprozess ist ja an allerhand Stationen, von der Diagnose über die Abgabe bis zur Anwendung, fehleranfällig. Gehen wir davon aus, dass in unserem Beispiel Diagnose und Verordnung korrekt sind. Über etwaige Kontraindikationen oder Interaktionen mit anderen Arzneimitteln ist nichts bekannt. Und das Rezept wurde offensichtlich ebenfalls eingelöst. Ab dann scheint es kritisch geworden zu sein: Wurde der Patient bei Abgabe des Arzneimittels in der Apotheke ausreichend informiert? Die Anwendung durch den Patienten jedenfalls war bis dato nicht einwandfrei und konnte deshalb gar nicht zum erwünschten Erfolg führen. Freilich wissen wir nicht, ob der Patient vielleicht einfach nicht richtig hingehört hat. Ich schätzte ihn jedoch als recht aufmerksamen Zuhörer ein und kam zu dem Schluss, dass es hier wohl an der Aufklärung haperte.

Nach dem Gespräch habe ich mich ein wenig geärgert, weil ich nicht gefragt habe, ob er das Rezept bei uns in der Apotheke eingelöst hatte. Vielleicht war ich es sogar selbst, die vergessen hatte, dem Kunden wenigstens die Basics mit auf den Weg zu geben? Das soll mir nicht noch einmal passieren. Auch, wenn Google dann demnächst vorschlägt: „Warum fragt Frau Gitter so viel?“

Grafiken: nadrosia – sketchnote-love.com

Vier Fragen und vier Antworten klären ab, ob es sich um Beschwerden handelt, die ärztlich abgeklärt werden sollten.

Patienten fragen – wir antworten

Wie wirken Protonenpumpenhemmer („Magensäure­blocker“)?

Protonenpumpenhemmer (PPI) neutralisieren die Säure nicht direkt im Magen. Sie werden resorbiert, also in den Blutkreislauf aufgenommen. Der Arzneistoff greift quasi von hinten an, indem er die Säurebildung in den dafür zuständigen Zellen im Magen hemmt. Die am häufigsten verordneten PPI sind Omeprazol und Pantoprazol. Sie werden z. B. bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren oder Entzündungen der Speiseröhre angewendet.

Warum muss ich dieses Arzneimittel nüchtern einnehmen?

Magensäureblocker verfügen über einen magensaftresistenten Überzug, weil sie sich erst im Dünndarm und nicht schon im Magen auflösen sollen. Die darin enthaltenen Wirkstoffe wie Omeprazol oder Pantoprazol sind nämlich sehr säureempfindlich und würden im sauren Magensaft zerstört werden.

Der gefüllte Magen lässt größere Teile nicht durch. Ist der Magen dagegen leer, kann die Tablette sofort weiter, erreicht den Dünndarm unbeschadet und der Wirkstoff kann in den Blutkreislauf aufgenommen werden.

Wie schnell wirken Magensäureblocker?

Die Wirkung von Magensäureblockern tritt erst nach einigen Tagen vollständig ein. Für ganz akute Magenprobleme sind sie also gar nicht so gut geeignet. Hier wirken Antazida (Mittel, die die Säure direkt im Magen neutralisieren) schneller.
 

Literaturtipps (nicht nur) für Apothekenkunden

Christine Gitter
Ist das gesund oder kann das weg?
Wirklich ALLES über Nahrungs­ergänzungsmittel
304 S., 18,00 €
144 × 209 mm, Kartoniert
ISBN 978-3-426-27808-6
Droemer / Knaur, 2020

Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Superfood – die Hersteller versprechen mehr Gesundheit, Energie und Konzentration. Über Risiken und Nebenwirkungen wird gerne geschwiegen. Informativ und erfrischend unterhaltsam schafft Apothekerin Christine Gitter Abhilfe. Magnesium, Vitamin C, Vitamin B12, Vitamin D, Zink – viele greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln in Pillen- oder Pulverform, um ihrem Körper oder Geist Gutes zu tun. Aber ist das, was wir zu uns nehmen, wirklich gesund? Oder vielleicht sogar gefährlich? Sich auf dem Gesundheitsmarkt zurechtzufinden, ist eine Herausforderung. Apothekerin Christine Gitter gibt kompetent und unterhaltsam Antwort auf alle relevanten Fragen: Was genau bewirken Vitamine und Mineralstoffe im Körper? Sind die versprochenen Wirkungen eigentlich bewiesen? Funktioniert Körper- und Gehirn-Tuning mit Nahrungsergänzungsmitteln tatsächlich? Was hat es mit dem Tagesbedarf auf sich? Halten Antioxidanzien wirklich den Alterungsprozess auf? Und können wir getrost auf das eine oder andere Präparat verzichten?

 

200

Christine Gitter
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin
Alles über die fantastische Welt der Medikamente
288 S., 16,99 €
40 SW-Fotos, 132 × 209 mm, Kartoniert
ISBN 978-3-426-27780-5
Droemer / Knaur, 2019

Medikamente sind für uns Helfer in der Not, manchmal lebensnotwendig, sie bergen aber auch Risiken und Nebenwirkungen für unsere Gesundheit. Anschaulich und charmant erzählt Apothekerin Christine Gitter alles, was man wissen muss, um sich im Dickicht der Pharmazie sicher zu bewegen. Die Pharmazeutin kennt sie ganz genau: die Fragen und Sorgen all jener, die eine Apotheke aufsuchen. Wie soll man es schaffen, eine riesige Kapsel zu schlucken? Woher weiß die Kopfschmerz-Tablette, dass sie in den Kopf soll, und: Gibt es diese Pille auch vegan? Anschaulich und mit Augenzwinkern erklärt sie komplexe Zusammenhänge, zeigt einfache Tricks und teilt ihr Rezept für die perfekte Hausapotheke.

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oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Kann ich mein Sodbrennen selbst mit Säureblockern behandeln?

Sodbrennen kann ein Symptom für verschiedenste Erkrankungen sein. Unbehandelt kann Sodbrennen aber auch andere Erkrankungen nach sich ziehen. Wenn Sie wirklich nur sehr selten Sodbrennen haben, können Sie das selbst behandeln. Bei häufigerem Auftreten sollten Sie unbedingt Ihren Arzt besuchen. |

 

Autorin

Christine Gitter, Apothekerin, sammelte über zwanzig Jahre Erfahrung in der Offizin, davon 16 Jahre als Inhaberin. Die Buchautorin engagiert sich in unterschiedlichen Projekten zur Förderung der AMTS.

Illustratorin

Nadine Roßa ist Designerin, Illustratorin und „Spiegel“-Bestseller-Autorin für diverse Sketch­notes-Bücher. Sie gibt Workshops und Vorträge rund um das Thema Visualisierung und begleitet Veranstaltungen durch Graphic Recordings (Visuelle Protokolle).

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