Pandemie Spezial

Weg frei für Antikörpercocktail

EMA befürwortet Regen-Cov2-Einsatz, doch wie reagieren die Mutanten?

Die ansteckenderen Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 breiten sich in Deutschland rasant aus. Neben der Sorge um die Wirksamkeit der Impfstoffe treibt die Wissenschaft auch die Frage um, wie sich diese auf potenzielle COVID-19-Therapeutika wie neutralisierende Antikörper auswirken.

Neutralisierende Antikörper gelten als vielversprechende Optionen im Kampf gegen das neuartige Coronavirus. Sie sind gegen die Rezeptorbindungsstelle (RBD) des Virus gerichtet und sollen verhindern, dass das Virus an die Wirtszelle andockt. Als Einsatzgebiete kommen der Schutz vor einer Infektion oder auch die Postexpositionsprophylaxe infrage. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Therapie leichter Krankheitsfälle. Hier sollen sie das Risiko schwerer Verläufe reduzieren. Klinische Ergebnisse legen nahe, dass die Antikörper den größten Nutzen haben, wenn sie früh nach der Diagnose verabreicht werden, sowie bei Patienten, die noch keine eigene Immunantwort haben oder eine hohe Viruslast aufweisen. Aufgrund des Wirkprinzips stellt sich natürlich die Frage, wie es um die Wirksamkeit der aktuellen Kandidaten gegen die neuen SARS-CoV-2-Varianten bestellt ist.

Foto: Siarhei – stock.adobe.com

Casirivimab und Imdevimab

Regeneron und Eli Lilly sind mit der klinischen Erforschung ihrer Antikörper derzeit am weitesten fortgeschritten und auch schon in die Zulassungsspur eingebogen. Am 21. November 2020 hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Emergency Use Authorisation (EUA) für den Cocktail von Regeneron (RegenCov, in Europa Regen-Cov2) mit den zwei rekombinanten humanen monoklonalen IgG1-Antikörpern Casirivimab und Imdevimab (REGN10933 und REGN10987) erteilt. Sie gilt für die Behandlung von leichtem bis mittelschwerem COVID-19 bei Erwachsenen und Kindern ab zwölf Jahren mit einem Gewicht von mindestens 40 kg mit einem hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und/oder für eine Krankenhausaufnahme.

Auch gegen Varianten

Nach Angaben von Regeneron Pharmaceuticals haben Forscher der Columbia University und Wissenschaftler aus dem eigenen Hause bereits bestätigt, dass Regen-Cov2 die zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten, die erstmals in Großbritannien (B.1.1.7) und Südafrika (B.1.351) identifiziert wurden, erfolgreich neutralisiert. Dabei behielten gegenüber der Variante B.1.1.7 beide ihre Wirksamkeit bei, während die Potenz von Casirivimab gegenüber der Variante B.1.351 reduziert war. Insgesamt soll die Neutralisationsfähigkeit des Cocktails jedoch auch hier ausreichen. Nähere Einzelheiten dazu sind einer Publikation der Columbia University auf dem Preprint-Server bioRxiv von Ende Januar 2021 zu entnehmen (doi: https://doi.org/10.1101/2021.01.25.428137). Die Variante, die zuerst in Brasilien (1.1.248) identifiziert wurde, enthält die gleichen Mutationen in der Rezeptorbindungsdomäne wie die B.1.351-Variante. Daher rechnet Regeneron auch für diese nicht mit einem Wirksamkeitsverlust. Das muss aber erst noch bestätigt werden.

Bamlanivimab und Etesevimab

Weitere erfolgversprechende neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 sind Bamlanivimab (LY3819253 bzw. LY-CoV555) von Eli Lilly und Etesevimab (LY3832479 bzw. LY-CoV016) von Junshi Biosciences. Bamlanivimab alleine erhielt bereits am 9. November 2020 eine Genehmigung für den Notfalleinsatz (EUA) durch die US-FDA analog zu dem Regeneron-Cocktail. Am 9. Februar 2021 folgte die EUA für die Kombination von Bamlanivimab und Etesevimab. Nach Angaben von Eli Lilly wird die Wirksamkeit der beiden Antikörper gegen die B.1.351-Variante aus Südafrika aktuell in einer Studie verifiziert.

Überprüfung in der EU

Am 4. Februar 2021 startete der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in einem speziellen Verfahren (gemäß Artikel 5 Abs. 3 der EU-Verordnung 726/2004) eine Überprüfung der verfügbaren Daten zur Verwendung von Casirivimab plus Imdevimab und Bamlanivimab alleine oder in Kombination mit Etesevimab zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Die Datenüberprüfung sollte mit einem harmonisierten wissenschaftlichen Gutachten abschließen, auf dessen Basis die Mitgliedstaaten dann selbst entscheiden können, ob sie die Antikörper einsetzen, bevor auf der EU-Ebene eine formelle Genehmigung erteilt wird. Das Ergebnis ist also nicht gleichbedeutend mit einer bedingten Zulassung auf EU-Ebene.

Über dasselbe Verfahren hatte die EMA im September letzten Jahres bereits den Einsatz von Dexamethason bei COVID-19-Patienten unter Sauerstoff- oder Beatmung befürwortet.

Neues EMA-Dokument zu Regen-Cov2

Am 18. Februar 2021 teilte die EMA mit, dass der CHMP seine Überprüfung von Casirivimab und Imdevimab abgeschlossen habe. Am selben Tag gab die Agentur Hinweise zur Verwendung der Antikörperkombination heraus. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Regeneron-Cocktail zur Behandlung von bestätigtem COVID-19 bei Patienten verwendet werden kann, die keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Nach Einschätzung der EMA deuten vorläufige Studienergebnisse darauf hin, dass die Kombination die Viruslast (Virusmenge im Nasen- und Rachenraum) stärker reduziert als Placebo und dass sie zu weniger COVID-19-bezogenen Arztbesuchen führt. Die Empfehlungen sind eine wertvolle Hilfestellung für die Mitgliedstaaten im Vorgriff auf eine etwaige EU-Zulassung.

Die Beurteilung der Datenlage für die Antikörper Bamlanivimab und Etesevimab ist noch nicht abgeschlossen.

Vielversprechender Antikörper von Celltrion

Erwähnung verdient an dieser Stelle außerdem der therapeutische Antikörper Regkirona (Regdanvimab bzw. CT-P59) der südkoreanischen Firma Celltrion, der Anfang Februar in Südkorea eine bedingte Marktzulassung für eine bestimmte COVID-19-Patientenpopulation erhalten hat. Laut Celltrion hat die Korea Disease Control and ­Prevention Agency (KDCA) bestätigt, dass CT-P59 die SARS-CoV-2-Variante B.1.1.7 und daneben noch weitere sechs Genommutationen von SARS-CoV-2 (Varianten S-L-V-G.G. GHA GR) neutralisiert. Auch die Kombination von CT-P59 mit einem anderen monoklonalen Antikörperkandidaten soll B.1.1.7 und B.1.351 neutralisieren können. Celltrion hat nach eigenen Angaben insgesamt bereits 38 potente Antikörper gegen SARS-CoV-2 erfasst und will daraus weitere Cocktails gegen die neuen Varianten entwickeln.

Rolling Review für Regen-Cov2 und Celltrion-Antikörper

In Europa könnte zumindest für den Regeneron-Cocktail eine bedingte Zulassung bald in Sichtweite kommen Am 4. Februar 2021 hat die EMA einen Rolling Review dazu in Gang gesetzt. Am 24 Februar wurde auch für den Celltrion-Antikörper Regdanvimab eine fortlaufende Datenüberprüfung gestartet und damit quasi die letzte Stufe auf dem Weg zur Zulassung gezündet. Für Bamlanivimab allein oder auch in Kombination mit Etesevimab steht dieser Schritt im Gegensatz dazu auf EU-Ebene bislang noch aus.

Erst vor Kurzem hatte das Bundesgesundheitsministerium Kontingente von knapp 200.000 Dosen der monoklonalen Antikörper von Regeneron und Eli Lilly (Bamlanivimab und Casirivimab plus Imdevimab) für Deutschland gesichert. Die Anwendung soll nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der behandelnden Ärzte erfolgen.

Ausblick

Insgesamt haben aktuell zehn Unternehmen für ihre Antikörperkandidaten bzw. Kombinationen bei der EMA eine wissenschaftliche Beratung in Anspruch genommen. Zu den neutralisierenden Antikörpern in fortgeschrittenen Phasen der Entwicklung (s. Tab. 1).

 

Tab. 1: SARS-CoV-2-neutralisierende monoklonale Antikörper in fort­geschrittenen klinischen Phasen
Firma
Name des/der Antikörper
Phase-II/III-Studien
Regeneron
Casirivimab plus Imdevimab (Regen-Cov2)
NCT04425629, NCT04452318, RECOVERY (NCT04381936)
Eli Lilly
Bamlanivimab
BLAZE-1 (NCT04427501), BLAZE-2 (NCT04497987), BLAZE-4 (NCT04634409)
Bamlanivimab plus Etesevimab
AstraZeneca
AZD7442 (AZD8895 plus AZD1061)
PROVENT (NCT04625725), STORM CHASER (NCT04625972, ACTIV-3 (NCT04501978)
Vir Biotechnology/GlaxoSmithKline
VIR-7831 (GSK4182136) und VIR-7832 (GSK4182137)
VIR-7831: ACTIV-3 (NCT04501978), COMET-ICE(NCT04545060), BLAZE-4 (NCT04634409), in Kombination mit Bamlanivimab
Celltrion
Regkirona (CT-P59 bzw. Regdanvimab)
NCT04602000

In Deutschland arbeiten Wissenschaftler von der Uniklinik Köln (UKK), der Philipps-Universität Marburg (UMR) und vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gemeinsam mit Boehringer Ingelheim an einen neuen Antikörper, der SARS-CoV-2 in vorklinischen Tests unschädlich ­gemacht hat. Die klinische Erprobung des Kandidaten namens BI 767551 (DZIF-10c) in der Phase 1/2a, entweder als Inhalation (NCT04631705) oder als Infusion (NCT04631666) wurde laut Eintrag in Clinical Trials.gov im November gestartet. |

Apothekerin Dr. Helga Blasius

 

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