Management

Teilzeitmodelle für Filialleitungen

DAZ-Umfrage: Mehrheit wünscht sich Veränderung

msw | Ob Filialleitung in Teilzeit oder Jobsharing: Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Umfrage auf DAZ.online ist sich einig, dass die in einigen Regionen Deutschlands notwendige Bedingung einer Vollzeittätigkeit für Filialleitungen dringend überdacht werden sollte. „Vollzeit ist Auslaufmodell – kann man mögen oder nicht“, schreibt ein Leser, der nach eigener Aussage seit Jahren in Gremien anregt, dass die Filialleitung auf motivierte, kompetente Teilzeitkräfte aufgeteilt werden darf. Doch dazu gibt es auch Gegenstimmen.

Etwa 72 Prozent der 745 Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer beantworteten die Frage, ob eine Filialleitung auch in Teilzeit möglich sei, mit „Ja“ (siehe Abbildung). Rund 25 Prozent halten diese Option nicht für denkbar. Die Mehrheit der Befürworter (47,6 Prozent von 633 Antwortenden) hält dabei eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 bis 34 Stunden als erforderlich. Auch 25 bis 29 Stunden ­wären für 20,9 Prozent der Befragten ausreichend, 19,8 Prozent sprechen sich für 35 bis 39 Wochenstunden aus. Die Extreme favorisieren vergleichsweise weniger Approbierte: 9,2 Prozent sind der Meinung, dass eine Filialleitung nicht unter 40 Stunden arbeiten sollte, für 2,7 Prozent ist hingegen sogar eine wöchentliche Arbeitszeit von unter 25 Stunden vertretbar. Eine bisher gesetzlich nicht mög­liche Alternative zur Filialleitung in Teilzeit ist das Jobsharing, das im Falle von Filialleitungen als Topsharing (Teilen einer Führungsposition) bezeichnet wird (siehe auch Beitrag „Vier Schultern für einen Job“ in DAZ 2022, Nr. 12, S. 18). Die Option, sich eine Filialleitungsstelle mit einem zweiten verantwortlichen Approbierten zu teilen, käme für 68,7 Prozent der 620 Antwortenden infrage, 26,6 Prozent lehnen dieses Modell ab, 4,7 Prozent sind sich unsicher.

Filialleitung in Vollzeit, Teilzeit oder Topsharing? Ergebnisse der DAZ-Umfrage

Die Argumente der Befürworter

An den Kommentaren zur Umfrage ist erkennbar, wie brisant das Thema für einige Filialleitungen und Inhaber ist. Ein Leser bezweifelt, dass „eine durchschnittliche Filialleitung mit 40 Stunden besser ist als zwei motivierte Teilzeit-Filialleitungen, die sich vernünftig absprechen“. In vielen Apotheken seien sogar mehrere ehemalige Filialleiterinnen vorhanden, die gerne Beruf und Familie unter einen Hut bringen würden. Er sei enttäuscht, dass Vorschläge zur Änderung der Vorgabe in den Kammer­versammlungen nicht unterstützt werden. Resignierend stellt er fest: „Wer etwas erreichen möchte, sucht Lösungen. Wer etwas verhindern möchte, kommt mit Ausreden.“

Eine Apothekerin, für die die Tätigkeit als Filialleitung in Teilzeit seit 15 Monaten trotz Pandemie gut funktioniert, merkt an: „Eine Apotheke, die gut läuft, ist immer Teamarbeit. Ganz egal, wie viel die Chefin anwesend ist, es läuft nur dann rund, wenn alle anderen mitziehen. Darauf kommt es an und nicht auf die reinen Arbeitsstunden. Denn auch eine Führungskraft kann ihre Anwesenheitszeit effizienter oder weniger effizient nutzen und letztendlich müssen eben alle einen guten Job machen, egal ob der Chef ­gerade über die Schulter schaut.“ Sie weist auch darauf hin, dass eine Apotheke mit einer Teilzeitleitung besser gegen den Ausfall dieser Person geschützt sei, weil es andere Approbierte geben müsse, die die Filialleitung in ihrer Abwesenheit vertreten. Diese könnten im Notfall kurzfristig einspringen.

Dass Führung in Teilzeit auch in Apotheken möglich ist, bestätigt eine weitere Approbierte, die ihre Filiale mit 25 Wochenstunden führt: „Wir haben in unserer Apotheke eine besondere Struktur: Neben der Inhaberin und mir als Filialleitung gibt es bei uns eine ‚Leiterinnenrunde‘, zu der eine PTA gehört, die Vollzeit arbeitet und für den HV-Bereich zuständig ist, und eine PKA mit 27 Stunden, deren Verantwortung der kaufmännische Bereich ist. Beide übernehmen Leitungsfunktionen für ihre Teilbereiche und arbeiten eng mit mir und der Inhaberin zusammen. Dadurch werden wichtige Informationen immer an mich herangetragen und ich habe ein gutes Gefühl dabei, die Gesamtverantwortung für die Filiale zu übernehmen, obwohl ich nur 25 Stunden anwesend bin. So teile ich mir die Filialleiterposition nicht mit einem anderen Approbierten, aber ich gebe Aufgaben und Verantwortung an andere Mitarbeiterinnen ab. Wenn wir dieses Konstrukt nicht hätten, wären 25 Stunden defini­tiv zu wenig. Beim Modell Topsharing müssten beide Filialleitungen genügend überlappende Arbeitszeit haben, um sich miteinander austauschen zu können – das könnte ein Problem sein. Ich bevorzuge unser Modell mit einer in Vollzeit arbeitenden leitenden PTA, die natürlich sehr viel mehr mitbekommt als eine Teilzeitkraft.“

Dass die Organisation der Abläufe in einer Apotheke und die Zuteilung von Kompetenzen bei einer in Teilzeit arbeitenden Führungskraft entscheidend sind, bestätigt auch Master-Coach und systemische Beraterin Anja Keck, die in Teilzeit mit 30 Wochenstunden eine Filiale leitet: „Es gibt zwei Be­dingungen, die ich als Leitung in Teilzeit für sehr relevant halte: die Handlungsfähigkeit des Teams vor Ort sicherzustellen und einen gut organisierten Informationsfluss zu haben. Es stört den Arbeitsfluss von Mitarbeiter und Führungskraft, wenn wegen jeder Kleinigkeit nachgefragt werden muss. Deswegen ist es hilfreich zu definieren, wann eine Rückfrage zwingend nötig ist. Trotzdem sollte die Leitung über alle wichtigen Prozesse informiert werden. Wann und auf welchem Weg dieser Austausch passiert, kann direkt mit festgelegt werden.“

Die Bedenken der Gegner

„Die Work-Life-Balance kippt allmählich zur verkehrten Seite“, schreibt eine Leserin. So wichtig es sei, für Mitarbeiter flexible Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, so grundlegend sei es auch, das Gewicht einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung oder anderer Aufgaben, die im Betrieb als Ziel gesetzt werden, nicht aus den Augen zu verlieren. Der Apothekerberuf habe so viele Teilbereiche abzudecken, dass es den wenigsten gegeben sei, sie in Teilzeit vollumfänglich und in die Tiefe gehend zu beaufsichtigen und jederzeit im Blick zu behalten, merkt sie an. Aus ihrer Sicht führen ausufernde Bürokratie und immer neue Aufgaben zur Grenze der Belastbarkeit. Deshalb hielte sie es für kollegial, wenn die Filial­leitung keinen Job sondern eine „Berufung“ aus ihrer Aufgabe macht und ihrem Chef auf seiner Ebene den Rücken stärkt.

Ein anderer Leser hat selbst schlechte Erfahrungen mit einer geteilten Führungsposition gemacht: „Einmal gehabt – niemals wieder ...“, kommentiert er. So wurden er und der zweite leitende Approbierte offenbar vom Team gegeneinander ausgespielt. Auch rechtlich sieht er Probleme, wenn beispielsweise in der Apotheke ein Fehler passiert. Dann sei niemand bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen.

Bund der Pharmazieräte berät im Oktober

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD), Apotheker Marco Bubnick, weist darauf hin, dass die Leitung einer Apotheke sehr viel Verantwortung gegenüber den Patienten und Kunden sowie gegenüber den Mitarbeitern bedeutet. Die Apothekenleitung einer Apotheke (sei es nun der Filialleiter oder der Leiter einer Hauptapotheke) müsse stets die Übersicht über alle wesentlichen Vorgänge in der Apotheke haben. Deshalb hat die APD auf ihrer Tagung im Jahr 2011 eine Resolution verabschiedet, die die Anstellung eines Filialleiters in Vollzeit, das bedeutet mindestens 38 Stunden pro Woche, festlegt. Bubnick räumt jedoch ein: „Gleichwohl sehe auch ich eine Diskrepanz zwischen dem realen (Familien-)Leben und den gesetzlichen Anforderungen an den Leiter einer Apotheke. Es ist sicher nicht immer leicht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, was auch den Aufsichtsbehörden bewusst ist.“ Aus diesem Grund wird die APD das Thema auf ihrer kommenden Tagung im Oktober in Lübeck aufgreifen und diskutieren. Möglicherweise stimmen die Mit­glieder dann für eine Änderung des Meinungsbildes. |

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