Schwerpunkt Endometriose

Warnzeichen Menstruationsschmerzen

Strategien zur adäquaten Behandlung von Endometriose-induzierten Schmerzen

80% aller jungen Frauen leiden unter Menstruationsschmerzen, die ein erstes Warnsymptom für eine sich später entwickelnde Endometriose sein können. Da die Apotheke oftmals die erste Anlaufstelle für diese Frauen ist, in der sie Rat und Hilfe suchen, ist es ausgesprochen wichtig, Apothekerinnen und Apotheker für die Problematik dieser hormonellen chronisch progredienten Erkrankung zu sensibilisieren. Bei ausgeprägter Symptomatik ist eine gynäkologische Abklärung zwingend geboten. | Von Sylvia Mechsner

Im Zentrum der Endometriose-Diagnose steht die Anamnese mit dem Fokus auf schwere Dysmenorrhö, zyklische und azyklische Unterbauchschmerzen, Dyspareunie, zyklische Dyschezie und Dysurie. Dabei gilt es zu klären, ob die Symptome noch im Rahmen der „normalen“ Beschwerden anzusiedeln sind oder pathologisch sind. Die Tabelle soll helfen, zwischen noch „normalen“ und „pathologischen“ Menstruationsschmerzen zu differenzieren (Tab.).

Tab.: Differenzierung pathologischer Menstruationsschmerzen (VAS: Visual Analog Skala)
normal
pathologisch
Schmerzstärke
VAS < 5
VAS > 6
Schul-/Arbeitsunfähigkeit
nein
ja
Analgetika-pflichtig
nein
ja
Besserung der Schmerzen mit ­Schmerzmittel
ja, mit Ibuprofen 400 mg und/oder Butylscopolamin Schmerzreduktion auf VAS 0 bis 2 / 10
wirkt oft unzureichend, brauchen 800 mg Ibuprofen und mehr;
VAS 3 bis 4 therapieresistent
begleitende vegetative Reaktionen
nein
ja
  • Übelkeit
sehr oft
  • Erbrechen
oft
  • Kollapsneigung
oft
  • zyklische Diarrhö
sehr oft
schmerzhafte Abbruchblutung unter kombinierten oralen Kontrazeptiva
nein
ja
zyklische Unterbauchschmerzen vor der Blutung
nein
ja, oft bis zu 5 / 7 Tage

80% aller jungen Frauen geben an, Menstruationsschmerzen zu haben, doch nur 10 bis 15% entwickeln dann später auch eine Endometriose. Befragt man Frauen mit der späteren Diagnose der Endometriose, geben 90% an, bereits eine schwerste Dysmenorrhö im ersten Jahr nach Blutungsbeginn entwickelt zu haben. Für alle diese Frauen wäre an sich schon eine viel frühere Beratung und Einleitung einer adäquaten Behandlung von Menstruationsschmerzen sinnvoll. Hier greift aber das Gesundheitssystem nicht, weil es bislang keine Endometriose-Vorsorgestrategie basierend auf dem Vorliegen von Menstruationsschmerzen gibt. Umso wichtiger ist hier die Rolle der Apotheke einzuschätzen. Sie ist für die vielen unter Menstruationsschmerzen leidenden Frauen und Mädchen eine wichtige Anlaufstelle und stellt eine zentrale Versorgungsmöglichkeit für die Betroffenen dar. Viele junge Frauen suchen auch nicht unbedingt ärztlichen Rat, sondern werden gesellschaftlich oft durch ihr Umfeld geprägt, in dem es immer noch heißt, „Menstruationsschmerz ist normal, stell dich nicht so an, das haben alle, das gibt sich mit der Zeit ...“. Vor diesem Hintergrund versuchen sie, sich selbst vor allem mit nicht rezeptpflichtigen Schmerzmitteln und Spasmolytika zu helfen. Daher ist eine adäquate Beratung in der Apotheke sehr wichtig. Gleichzeitig sollten aber auch Entspannungstechniken, Osteopathie, Yoga und Akupressur oder Akupunktur angewendet werden. Bleiben die Menstruationsschmerzen auf einem hohen Level, sollte die Patientin gynäkologisch vorgestellt werden. In solch einer Situation erfolgt natürlich die ausführliche Anamnese und der Ausschluss einer anderen Schmerz­genese sowie eine gründliche gynäkologische Untersuchung. Ist eine Organdestruktion ausgeschlossen, bleibt die Arbeitshypothese, dass es sich um Endometriose-bedingte Schmerzen handelt, weiterhin bestehen.

Das therapeutische Stufenschema

Abbildung 1 zeigt das Stufenschema, nach dem vorgegangen werden sollte, wenn die rein multimodale Schmerztherapie nicht greift. Dieses Schema beschreibt indirekt die pathophysiologischen Grundlagen der Schmerzen. Schmerzen durch Endometriose-Läsionen (Freisetzung von Schmerzmediatoren und Aktivierung nozizeptiver Nervenfasern) sind hormonell und operativ zu behandeln (Stufe 1 bis 3). Im Rahmen der andauernden Schmerzen kommt es mehr und mehr zur zentralen Sensitivierung, daher wird die Schmerzschwelle herabgesetzt, Fehl- und Schonhaltung führen zu Muskelverkrampfungen, die chronische Entzündung führt vermehrt zu begleitenden Darmproblemen. Mehr und mehr müssen nun komplementäre Maßnahmen eingesetzt werden, um die Patientinnen aus der Schmerzsituation herauszuholen. Dazu gehören zum Beispiel Physiotherapie, Osteopathie, Akupunktur und Ernährungsumstellung. Endo­metriose als Schmerzerkrankung ist ein erheblicher Stressfaktor, der Umgang und die Krankheitsverarbeitung müssen auch psychologisch begleitet werden. Letztlich kann es zu einem schweren chronischen Schmerzsyndrom kommen. Hier macht auch eine stationäre interdisziplinäre Schmerztherapie einen Sinn.

Abb. 1: Basis Hormontherapie Da Endometriose grundsätzlich eine hormonelle Erkrankung ist, bildet die medikamentöse hormonelle Therapie die Basis. Es sollte stets geprüft werden, ob die Patientin eine Hormontherapie anwendet und wenn ja, ob diese suffizient ist. Wird noch keine solche Therapie gemacht, sollte eine hormonelle Therapie eingeleitet werden.


Hormonelle Therapie
Endometriose ist eine hormonabhängige Erkrankung, die ektopen Endometriose-Läsionen reagieren genauso wie das Endometrium auch auf den Estrogen-Anstieg im Blut, der somit nicht nur zum Aufbau der Gebärmutterschleimhaut führt. Mit der Blutung kommt es dann auch in ektopen Läsionen zur Freisetzung der Prostaglandine und Aktivierung von Nozizeptoren. Daher macht eine hormonelle Therapie mit dem Ziel der ovariellen Downregulation Sinn. Da aber auch eine Abbruchblutung zu Schmerzen führt, werden die Hormonpräparate im Sinne einer therapeutischen Amenorrhö ohne Abbruchblutungspause genommen.

Wird eine Hormontherapie abgelehnt, sollte evaluiert werden, warum dies so ist. Besteht ein Kinderwunsch, ist in der Tat eine hormonelle Therapie nicht zielführend. Sie bedeutet dann nur Zeitverlust, hier müssen multimodale Strategien angeboten werden. Der Kinderwunsch sollte aber auch entsprechend konsequent verfolgt und beschleunigt werden, gegebenenfalls sollte die Patientin ein Kinderwunsch­zentrum aufsuchen. Manchmal kann allerdings auch für solche Patientinnen eine „Schmerzverschnaufpause“ sinnvoll sein. Daher sollte bei hohem Leidensdruck auch die Option einer hormonellen Therapie besprochen werden. Wenn starke Schmerzen bestehen, kann eine drei- bis sechsmonatige hormonelle Therapie die Patientin entlasten, so dass sie sich erholen kann.

→ Der Erfolg einer hormonellen Therapie kann nur beurteilt werden, wenn die Patientin blutungsfrei ist!

Nicht selten verzichten Patientinnen aber auch ganz bewusst auf hormonelle Therapien. Es besteht zunehmend eine Ablehnung hinsichtlich der synthetischen Hormone mit der Vorstellung, die Hormone seien unnatürlich und damit auch schlecht für den Körper. Da es sich bei Endometriose aber um eine hormonabhängige Erkrankung handelt, die zum einen progressiv verlaufen kann, aber auch aufgrund der zentralen Sensitivierung unbehandelt zu immer stärkeren Schmerzzuständen führt, sollte hier die Patientin objektiv beraten und aufgeklärt werden. Im besten Fall führt dies zu einer veränderten Einstellung der Patientin hinsichtlich der Einleitung einer hormonellen Therapie.

Wenn die Hormone aber aufgrund von unerwünschten Wirkungen nicht vertragen werden, muss geprüft werden, inwieweit hier Alternativen zur Verfügung stehen. Erstlinien-Therapie sollten die Gestagen-Monopräparate sein. Unter Dienogest kann es bei 5% der Frauen zu depressiven Verstimmungen kommen, allgemein werden oft Stimmungsveränderungen unter hormoneller Therapie beschrieben. In Einzelfällen wurde die vaginale Applikation von Dienogest versucht. Weitere Alternativen sind Desogestrel oder auch Chlormadinon. Beide müssen gegebenenfalls in höherer Dosierung gegeben werden, um die Blutungsfreiheit zu erreichen. Dydrogesteron und Drospirenon kommen ebenfalls infrage, manchmal sind kombinierte orale Kontrazeptiva besser verträglich, dann sind auch sie eine Option (Off-Label-Use). Aber zumindest sollten Frauen auf eine lokale hormonelle Therapie mit Levonorgestrel hingewiesen werden, mit der zumindest die Uterus-assoziierten Schmerzen gelindert werden können. Ist der Patientin aber einfach nur keine hormonelle Therapie angeboten/empfohlen worden, ist nun der Zeitpunkt, damit zu beginnen.

Stufenweises Vorgehen

  • 1. Hormontherapie Endometriose ist eine hormonelle Erkrankung. Die Hormontherapie bildet die Basis einer medikamentösen Therapie.
  • 2. Operation Eine wichtige Säule der Therapie ist auch die Operation. Es sollte geprüft werden, ob sie an dieser Stelle bzw. Zeitpunkt sinnvoll ist oder nicht.
  • 3. Schmerztherapie Dass auftretende Schmerzen auch analgetisch behandelt werden müssen, wird oft vergessen. Hier besteht große Unsicherheit sowohl vonseiten der Patientinnen als auch von den behandelnden Frauenärzten.
  • 4. Therapie von Begleitreaktionen Chronifizierte Schmerzen führen zu sekundären Begleitreaktionen im Bewegungsapparat. Dazu zählen sowohl Fehlhaltungen als auch Muskelverspannungen der Beckenbodenmuskulatur. Diese können gut mitbehandelt werden. Manuelle Therapie, Entspannungstechniken sowie Osteopathie sind sinnvolle Maßnahmen.
  • 5. Ernährungsumstellung Zunehmend werden auch unspezifische Darmbeschwerden mit einer Endometriose in Zusammenhang gebracht, wie der zyklische Blähbauch, auch „Endo-Belly“ genannt. Hier helfen oftmals Ernährungsumstellungen.
  • 6. Psychologische Begleitung Chronische Erkrankungen mit langem Leidensweg sind auch auf vielen Ebenen psychisch belastend. Oft ist daher eine psychologische Begleitung sinnvoll.
  • 7. Stationäre Schmerztherapie Auch eine interdisziplinäre stationäre multimodale Schmerztherapie kann erforderlich werden.

Hormone ja, aber Blutungen? Wie von Brandes et al. beschrieben, sind Blutungen unter hormoneller Therapie oft schmerzhaft, auch leichte Blutungen [11]. Daher sollte die Therapie dann optimiert werden. Ziel ist es, eine therapeutische Amenorrhö zu erreichen. Dafür kann z. B. von Desogestrel gegebenenfalls auf Dienogest umgestellt werden, das eine gute antiproliferative Wirkung auf das Endometrium hat. Besteht die Blutung unter Dienogest weiter, kann eine Verdopplung der Dosis (1-0-1) für sieben Tage versucht werden bzw. bei Nichtansprechen sollte eine Abbruchblutung ausgelöst werden. Der Wirkmechanismus sollte der Patientin erklärt werden, denn diese kann besser mit ihren Schmerzen umgehen, wenn sie versteht, warum sie diese hat, und ist dann auch eher bereit, weiter geduldig eine Besserung abzuwarten. Eine Hormontherapie, unter der dennoch Schmerzen vorliegen, hat verständlicherweise eine geringe Akzeptanz und wird dann lieber abgebrochen.

Kombinierte orale Kontrazeptiva sollten im Non-stop-Modus gegeben werden, auch hier ist eine Abbruchblutung typischerweise schmerzhaft. Steht eine Adenomyose im Fokus der Beschwerden, kann auch eine lokale hormonelle Therapie mit Levonorgestrel sinnvoll sein, bei weiter bestehenden Blutungen gegebenenfalls auch mit einer Progesteron-only-Pille kombiniert.

Hormone ja, keine Blutungen, trotzdem Schmerzen, meist azyklisch: Bei diesem Symptomkomplex sollte ein Therapiewechsel versucht werden: Von kombinierten oralen Kontrazeptiva sollte auf Gestagen-Monopräparate (z. B. Dienogest) umgestellt werden. Unter der Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva können die Estrogen-Spiegel auf Werte von über 50 pg/nl steigen und damit proliferativ aktive Konzentrationen erreichen. Unter Gestagen-Monopräparaten bleibt der Estrogen-Spiegel meist im therapeutischen Fenster unter 50 pg/nl. Auch wenn Dienogest und Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga (GnRH-Analoga) in der Erstlinien-Therapie zu einer jeweils ähnlichen Schmerzreduktion führen [44], sind bei chronischen Schmerzen die GnRH-Analoga dem Dienogest überlegen und sollte dann hier als Zweitlinien-Therapie (in Kombination mit Low-dose-Hormontherapie [Add-back-HRT], z. B. Tibolon) bei Frauen mit bereits gesicherter Endometriose eingeleitet werden. Oftmals kann dann eine deutliche Schmerzreduktion bis hin zur Schmerzfreiheit erreicht werden. Ist nach drei Monaten eine Besserung zu verzeichnen, sollte die Therapie bis sechs Monate verlängert werden. Es gibt einige Patientinnen, die nur mit GnRH-Analoga und mit entsprechender Add-back-Hormontherapie zu behandeln sind. Sie können diese dann auch längerfristig einnehmen.

Operation
Gerade in der Erstdiagnostik sind fortbestehende Schmerzen unter suffizienter Therapie eine wichtige Indikation für eine Operation und haben dann oft einen sehr guten Effekt auf die Schmerzreduktion, auch auf die Reduktion der zentralen Sensitivierung [22]. In der Rezidivsituation sieht es aber anders aus. Hier sollte die Indikation einer Re-Opera­tion streng geprüft werden.

Analgetika
Bei fortbestehenden Schmerzen bzw. auch intensiven Beschwerden sollten gleich parallel zur Hormontherapie auch die Prinzipien der Schmerztherapie besprochen werden. Schmerzmittel können die Endometriose-Läsionen nicht direkt beeinflussen, hemmen aber die Freisetzung der Schmerzbotenstoffe und sind damit auch antiinflammatorisch wirksam. Sie greifen in den akuten nozizeptiven Schmerz ein. Es ist interessant, dass es Patientinnen oft auch hier widerstrebt, Schmerzmittel einzunehmen. Sie haben die Sorge, dass Schmerzmittel gefährlich und nicht gut für den Körper sind. Wir kennen viele Patientinnen, die bewusst versuchen, den Schmerz auszuhalten bzw. nur Schmerzmittel zu nehmen, „wenn es gar nicht anders geht“. Es sollte daher mithilfe der Visual Analog Skala (VAS) der Schmerzlevel erfasst werden, es sollte erfragt werden, ob Bettlägerigkeit und Arbeitsunfähigkeit bestehen. Da eine Einschätzung der Schmerzintensität sehr wichtig ist, sollte die Patientin ermuntert werden, ein Schmerztagebuch zu führen. Nur so kann dann auch der Verlauf beurteilt werden.

Wenn aber Schmerzmittel genommen werden, sollten auch Präparat und Dosierung erfasst werden. Hier bestehen oft Einnahmefehler, nicht rezeptpflichtige Analgetika werden zum Teil extrem überdosiert genommen. Fragt man gezielt danach, geben viele Frauen an, mehr und mehr Schmerzmittel nehmen zu müssen, weil sie nicht selten auch unter therapieresistenten Schmerzen leiden. Die betrifft meist Frauen, die keine Hormontherapie erhalten und deren zyklische Beschwerden monatlich auftreten. Daher ist hier eine grundsätzliche Beratung zum einen über den Sinn einer Schmerztherapie und zum anderen über die Applikationsschemata obligat. Nichtsteroidale Analgetika gelten gemäß den WHO-Empfehlungen als Erstlinien-Therapeutika zur Schmerzbehandlung (s. Abb. 2).

Abb. 2: WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie

Diese sollten dann besser frühzeitig in geringer Dosierung, dafür aber regelmäßig nach einem festen Schema über die Schmerztage genommen werden. Abwarten, bis der Schmerz nicht mehr auszuhalten ist, führt nur dazu, dass nur mit sehr hohen Dosierungen der Schmerz reduziert werden kann.

Es können Ibuprofen, Naproxen oder Metamizol eingesetzt werden, dabei sollte an Magenschutz gedacht werden. Zum Beispiel könnte mit einem Einnahmeschema mit Ibuprofen 400 mg 1-1-1 begonnen werden, dies kann auf dreimal 800 mg gesteigert werden, bei Bedarf könnte Metamizol z. B. in Tropfenform ergänzt werden. Leider gibt es nur wenige Studien, in denen Analgetika als Schmerzmedikation bei Endometriose-Schmerzen untersucht worden sind. Lediglich zu Naproxen und Ibuprofen sind einige Studien zur Behandlung der Dysmenorrhö durchgeführt worden [23, 24]. Daher sollte man sich an die WHO-Empfehlungen zur Schmerz­therapie mit dem entsprechenden Stufenschema halten.

An der Schmerzentstehung kann aber auch die glatte Muskulatur der Darmwände beteiligt sein. Daher scheint hier die Gabe von Butylscopolamin und hochdosierte Magnesium-Präparate zusätzlich zur Analgetika-Therapie sinnvoll. Erfahrungsberichten zufolge scheint auch Cannabidiol-Öl (CBD-Öl, 10%) einen positiven Effekt zu haben. Viele Patientinnen berichten über den positiven Effekt des Konsums von Cannabis. Die Einnahme von Tetrahydrocannabinol-Öl (THC-Öl) könnte daher auch eine Option sein, aber die Verordnung ist sicherlich dem Schmerztherapeuten vorbehalten, denn das Antragsverfahren ist schwierig und erfordert ein Nicht-Ansprechen auf andere Schmerzmedikamente. In Einzelfällen kann dies aber sinnvoll sein [10]. Der Einsatz von Opiaten sollte streng indiziert und ebenfalls dem Schmerztherapeuten vorbehalten sein. Insgesamt scheinen aber Endometrioseschmerzen nur wenig sensitiv auf Opioide anzusprechen, denn Opioid-Rezeptoren werden vor allem im akuten inflammatorischen Schmerzgeschehen hochreguliert und bei chronischen Schmerzen dann nicht mehr, so dass hier auch hinsichtlich einer Abhängigkeitsgefahr äußerste Zurückhaltung geboten ist [42]. Bei stark brennendem Schmerzcharakter muss an eine neuropathische Schmerzkomponente gedacht werden. Daher können auch Gabapentin und Pregabalin versucht werden. Duloxetin und Amitriptylin können ebenfalls als Ko-Analgetika eingesetzt werden. Wenn die Schmerz­einstellung mit diesen Maßnahmen nicht zufriedenstellend ist, sollte die Patientin in einem Schmerzzentrum vorgestellt werden.

Ernährung
Interessanterweise wird der Ernährung eine immer größer werdende Rolle im Krankheitsgeschehen der Endometriose zugesprochen. Mehr und mehr Patientinnen beobachten, dass ihre unspezifischen Darmbeschwerden, die sie selber gar nicht als „gynäkologisches Problem“ identifiziert haben, einem zyklischen Muster folgen und es zu einem Phänomen kommt, das bereits einen Eigennamen bekommen hat, der „Endo-Belly“.Hier kommt es zyklisch zum Teil über Stunden andauernd zu einem enormen Blähbauch, der Ausmaße wie in höheren Schwangerschaftsmonaten annehmen kann. Dies verursacht den Frauen nicht nur Schmerzen, sondern auch ein Unwohlsein. Damit einher gehen auch funktionelle Darmentleerungsstörungen (Obstipation/Diarrhö), Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Schmerzen vor dem Stuhlgang. Leider gibt es kaum evidenzbasierte Ernährungsempfehlungen [47]. In Anbetracht der Komplexität der Erkrankung überrascht das jedoch auch nur wenig [19]. Grundsätzlich gibt es Empfehlungen für eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie einem reduzierten Konsum von Zucker und tierischen Produkten. Im Internet werden verschiedene Empfehlungen zu einer „Endometriose-Ernährung“ gegeben, die den Eindruck vermitteln, dass die Wirkung einer bestimmten Diät belegt ist. Jedoch beruht ein Teil dieser Empfehlungen nicht auf gesicherten, mit Studien untermauerten Erkenntnissen. Dennoch konnten auch wir beobachten, dass die vegane Ernährung mit Verzicht auf Zucker und Gluten oftmals zur deutlichen Beschwerdebesserung führt. Hier besteht die Annahme, dass Prozesse in der Darmschleimhaut und der Darmwand zyklischen Veränderungen unterliegen. Dabei können das Mikrobiom, aber auch eine chronische Entzündung eine Rolle spielen. Dieses Phänomen muss in weiteren Studien geprüft werden [3].

Es gibt verschiedene Ansätze, die Darmflora auch mit Probiotika aufzubauen und zu stabilisieren. Grundsätzlich ist bekannt, dass ein proinflammatorisches Milieu auch freie Radikale hervorruft und zu oxidativem Stress führt. Daher könnte grundsätzlich eine antiinflammatorische Ernährung sinnvoll sein. Zum Beispiel konnte in einer prospektiven Studie gezeigt werden, dass durch die Einnahme von Fischöl (Omega-3-Fettsäuren) das Risiko von Endometriose-Rezidiven reduziert werden kann. Dabei spielte das Verhältnis ungesättigter zu gesättigten Fettsäuren eine Rolle [37]. Auch Vitamin C, E und A, Selen und Zink haben antioxidative Eigenschaften. Vitamin D wird neben einer antiinflammatorischen Wirkung auch eine antiproliferative und immunmodulatorische Wirkung zugesprochen und bewirkte in einer Studie sogar eine Schmerzreduktion [28, 31, 35], die vermutlich durch eine verminderte Histamin-Freisetzung bedingt wurde. Es gibt Kombinationen von antiinflammatorischen Substanzen, die für die supportive Therapie der Endometriose in Form von Nahrungsergänzungsmitteln angeboten werden.

Komplementäre Verfahren können ebenfalls in die multimodale Therapie einbezogen werden. Vor allem in Bezug auf Akupunktur gibt es bereits eine Vielzahl von Studien, die den positiven Effekt belegen. Eine Schmerzmodulation wird durch die Ausschüttung endogener Opioide (Schmerzreduktion) und endogenem Cortisol (antiinflammatorisch), einer Deaktivierung von Hirnarealen, die mit der Schmerzwahrnehmung verlinkt sind und durch lokale Effekte wie Adenosin-Freisetzung und lokalen Blutfluss vermutet [8]. Eine Verbesserung von Endometriose-assoziierten Schmerzen wurde in mehreren Studien belegt [30]. Auch lokale Maßnahmen wie Botox-Injektionen [38] und Neuraltherapie [46] kommen individuell zur Anwendung. Aber auch Homöopathie, Balneotherapie, traditionell chinesische Medizin usw. haben ihren Stellenwert und sollten als supportive Maßnahmen nicht unterschätzt werden.

Bewegungsapparat und Beckenboden entspannen

Es ist bereits gut untersucht, dass es im Rahmen von Schmerzen zu Fehl-/Schonhaltungen kommt und durch die Schmerzen der gesamte Bewegungsapparat in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Vor allem hinsichtlich des Beckenbodens gibt es sehr umfangreiche Daten von Veränderungen, die sich bei Patientinnen mit chronischen Schmerzen einstellen. Vor allem der Tonus, die Kraft, die Ausdauer, die Koordinationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Muskel­entspannung werden signifikant verändert [7, 16]. Kommt es im Rahmen der Erkrankung zur zunehmenden Schmerzsensitivierung, nehmen auch Muskelverspannungen zu, und Beckenbodenveränderungen mit hypertonen Muskelgruppen triggern die Schmerzen dann weiter (myofasziale Triggerpunkte) [43].

Eine Therapiemethode, die die Beckenbodendysfunktion und deren Auswirkung lindert, ist die Elektrostimulation. Die intravaginale Elektrostimulation zeigte bereits viel­versprechende Ergebnisse beim Vaginismus und anderen Schmerzerkrankungen [48]. Zudem konnte Mira et al. in einer Studie zeigen, dass die Therapie mit transkutaner Elektrostimulation (TENS) zu einer signifikanten Schmerzreduktion führt [34]. Die Patientinnen sollten die für sie angenehmen und schmerzlindernden Beckenbodenentspannungsübungen selbstständig durchführen. Zum Thema Beckenboden ist es unerlässlich, auch darauf hinzuweisen, dass Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) zu einem erheblichen Leidensdruck beitragen. Daher ist es wichtig, auch dieses Thema mit der Patientin zu besprechen, gegebenenfalls unter Einbeziehung des Partners, und auf die Möglichkeit einer sexualmedizinischen Beratung hinzuweisen. Auch hier sind die Beckenbodenentspannungsübungen, transkutane Elektrostimulation sowie Yoga [33] und Osteopathie [41] hilfreich.

Auf die Psyche achten

Ein weiterer wichtiger Faktor im Krankheitsgeschehen und Erleben der Erkrankung ist natürlich auch die Psyche. In verschiedenen Studien konnte eine deutlich reduzierte gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Frauen mit Endometriose im Vergleich zu nicht an Endometriose erkrankten Frauen gezeigt werden [5]. Besonders deutlich war das bei Infertilitätspatientinnen mit Endometriose im Vergleich zu solchen, die keine Endometriose haben [9]. Aber nicht nur das, Frauen mit Endometriose zeigen auch vermehrt psychopathologische Symptome. Studien aus Österreich, Ungarn und Brasilien berichten, dass 15 bis 87% der Frauen mit Endometriose unter depressiven Symptomen und 29 bis 88% unter Angststörungen leiden [12, 14, 15]. Detaillierte Analysen lassen vermuten, dass nicht die Endometriose-Erkrankung als solche, sondern eher die Endometriose-assoziierten Schmerzen, vor allem wenn diese chronifiziert sind, psychischen Distress verursachen. Passend dazu zeigen vor allem Endometriose-Patientinnen mit starken Schmerzen signifikant häufiger depressive Symptome und Angststörungen als solche ohne Schmerzen [17, 18]. Daher ist eine psychologische Begleitung unerlässlich und sollte angesprochen und eingeleitet werden. Leider ist die Versorgungssituation mangels Therapeuten unbefriedigend. Dennoch können im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen erste Schritte eingeleitet werden. Die persönliche Krankheitsbewältigung ist wichtig. Auch Schmerzreduktionskurse zur Erarbeitung einer Schmerzbewältigungsstrategie mit der Erlernung von verschiedenen Techniken wie progressiver Muskelrelaxa­tion, autogenem Training, Entspannungsübungen, Yoga, Chi Gong, kreative Therapie usw. sind äußert sinnvoll und sollten in den Alltag der Patientin integriert werden.

Rehabilitation

Wir sind in Deutschland in der sehr komfortablen Situation, dass es zertifizierte Rehabilitationskliniken gibt, die Endometriose-Patientinnen betreuen. Man kann dies als Anschlussheilbehandlung nach einem stationären Aufenthalt oder auch als Rehabilitationsmaßnahme beantragen. Diese Möglichkeit wird bislang nicht in vollem Maße ausgeschöpft. Die Kliniken (Übersicht unter www.Stiftung-Endometriose-Forschung.de) bieten ein auf Endometriose-Patientinnen konzipiertes Programm an, das sowohl krankheitsspezifische Information, psychologische Begleitung, Schmerz­reduktionskurse und Bewältigungsstrategien, intensive Physiotherapie und viele weitere Anwendungen anbietet. Hier können Patientinnen auch von einem Sozialdienst im Hinblick auf Arbeitsplatz-spezifische Maßnahmen oder der Beantragung eines Grades der Behinderung beraten werden.

Multimodale Therapie ist ein Muss

Dies alles sind Komponenten einer multimodalen Therapie. Sollte es nicht gelingen, die Patientin zur multimodalen Therapie an ein ambulantes Netzwerk anzubinden, kommen auch stationäre multimodale Schmerztherapien infrage, die von einigen Schmerzzentren angeboten werden. Es sollte dann aber darauf geachtet werden, dass auch die gynäko­logischen Aspekte der organisch bedingten Erkrankung Berücksichtigung finden und nicht ein primärer psychosomatischer Ansatz Hauptbestandteil der multimodalen Schmerztherapie ist. Optimal wäre ein gemeinsames (gynäkologisches und schmerztherapeutisches) Konzept. Aus eigener Erfahrung hat sich gezeigt, dass diese Patientinnengruppe hoch motiviert ist und die „Arbeit“ durch gute Erfolge belohnt wird. Diese Patientinnen haben oft einen so hohen Leidensdruck, dass sie für alle Optionen offen sind, die eine Schmerzreduktion versprechen.

Die Endometriose-assoziierte Schmerzgenese setzt sich aus peripherer Sensitivierung sowie einer Aktivität von Läsionen und Schmerznervenfasern zusammen. Diese sollten mit den ersten drei Maßnahmen aus dem Stufenplan (Hormone, OP und Analgetika) erfasst werden. Greifen diese Maß­nahmen auch nach einigen Monaten nicht, muss an eine zentrale Sensitivierung gedacht werden, die letztlich zu sekundären myofaszialen Schmerzen, aber auch zu anderen Schmerzphänomenen wie Reizdarmsyndrom (Irritable Bowel Syndrome, IBS) und Blasenschmerzsyndrom (Bladder Pain Syndrome, BPS) oder Vulvodynie führen kann, die durch eine herabgesetzte Schmerzschwelle charakterisiert sind. |

Der vorliegende Beitrag ist ein modifizierter Auszug aus dem Artikel Mechsner S. „Endometrioseschmerz beherrschen – Stufenschema und klinische Erfahrungen“, Der Schmerz 2021, https://doi.org/10.1007/s00482-021-00543-8. Mit freundlicher Genehmigung der Springer Medizin Verlag GmbH.

 

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Autorin

Prof. Dr. Sylvia Mechsner, Studium der Humanmedizin an der Freien Universität Berlin; 2010 Habilitation zum Thema „Endometriose, das verkannte Frauenleiden - Untersuchungen zur Pathogenese und Schmerzentstehung“; Oberärztin an der Klinik für Gynäkologie mit Hochschulambulanz, Campus Virchow Klinikum; seit 2005 Leiterin des Grundlagenforschungslabors für Endometriose der Klinik für Gynäkologie, Charité Universitätsmedizin Berlin; seit 2014 Leiterin des Endometriosezentrums der Charité; seit 2019 W2-Professorin für Endometrioseforschung an der Klinik für Gynäkologie, Endometriosezentrum Charité – Universitätsmedizin Berlin

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