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Praxis

Bürokratiemonster Hilfsmittelversorgung

Über den Unsinn des Präqualifizierungsverfahrens

Die Kosten in der Heil- und Hilfsmittelversorgung stiegen in den vergangenen Jahren kontinuierlich [1]. Unter anderem aus diesem Grunde waren auch immer wieder Reformen im Bereich der Versorgung mit Hilfsmitteln zulasten der gesetzlichen Kranken­kassen notwendig. Doch diese brachten für die in der Versorgungspraxis tätigen Betriebe auch vielfache Herausforderungen und Probleme mit sich. | Von Jessica Geller 

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) im Jahre 2007 sind Leistungserbringende in der Hilfsmittelversorgung nicht mehr automatisch zur Abgabe von Hilfsmitteln zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt. Stattdessen müssen nun Verträge mit den jeweiligen Krankenkassen geschlossen werden. Hierzu haben sich die Krankenkassen zu vergewissern, dass die Leistungserbringenden die gesetzlichen Ansprüche für die Hilfsmittelversorgung erfüllen [2, 3]. Die Betriebe müssen laut § 126 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V dazu fähig sein, eine „ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung“ von Hilfsmitteln zu gewährleisten [4]. Dies wurde zunächst durch die Krankenkassen spezifisch bei jedem Betrieb einzeln geprüft. Die Einführung des Präqualifizierungsverfahrens im Jahr 2011 sollte die durch diese einzelfallbezogenen, redundanten Eignungsprüfungen entstehende Bürokratie verringern [5]. Mit Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) wurde die Präqualifizierung 2017 schließlich, bis auf wenige Ausnahmen, verpflichtend [2, 6]. Zusätzlich wurden strikte Regelungen über die Gültigkeitsdauer der Präqualifizierung sowie die verpflichtende Akkreditierung der Präqualifizierungsstellen eingeführt [6]. In seiner Begründung für das HHVG schreibt der Bundestag unter anderem, dass die Heilmittelerbringenden nun in die Versorgungsverantwortung miteinbezogen würden und durch das „Vertragscon­trolling“ eine bessere Hilfsmittelversorgung erreicht werde. Ebenfalls genannt werden Qualitätsaspekte bei der Ausschreibung zur Versorgung mit Hilfsmitteln [7]. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hingegen warnte schon in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gesetzes vor dem zusätzlichen bürokratischen Aufwand durch die verstärkten Beratungs- und Dokumentationspflichten. Die ABDA wies in diesem Zuge auch auf die Gefahr hin, dass infolge des Gesetzes die flächendeckende Versorgung gefährdet werden könnte [8]. Dies war weder die erste, noch die letzte Warnung aus der Apothekerschaft. Das Thema Präqualifizierung wurde beispielsweise schon in der Hauptversammlung des Deutschen Apothekertages 2015 in mehreren Beschlüssen aufgegriffen. Unter anderem wurde von den Delegierten ein vereinfachtes Präqualifizierungsverfahren für Apotheken gefordert, das sich auf bestimmte Hilfsmittel beschränken sollte. Auch auf Probleme bei der Apothekenübernahme wurde in diesem Kontext verwiesen [9]. Doch statt der erhofften Vereinfachungen wurde das alte Zertifizierungsverfahren abgeschafft und die Präqualifizierung zur verpflichtenden Maßnahme. Beim Deutschen Apothekertag 2019 appellierte die Apothekerschaft erneut an den Gesetzgeber, die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln automatisch mit der Apothekenbetriebserlaubnis zu gewähren [10]. Auch dieser Ruf blieb, trotz schlüssiger Argumente und wiederholtem Verweis auf die übermäßige Bürokratie, bislang ohne Ergebnis.

Hilfsmittelversorgung und Präqualifizierung – was sind Ihre skurrilsten Erfahrungen?

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Wir haben vor geraumer Zeit die DAZ-Leserinnen und -Leser dazu aufgerufen, uns ihre skurrilsten Erfahrungen im Zusammenhang mit der Hilfsmittelversorgung und Präqualifizierung zu schildern. Die Resonanz war überwältigend und die Geschichten – nun ja, die hätte man sich nicht ausdenken können. Wenn die Sache nicht so nerven-, zeit- und geldverzehrend wäre, müsste man herzlich lachen. Da Bilder bekanntlich mehr sagen als 1000 Worte, hat unsere Cartoonistin Barbara Kohm einige dieser Anekdoten bebildert. Das Ergebnis sehen Sie auf diesen Seiten. Und gerne dürfen Sie uns auch weiterhin kontaktieren: Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen aus der Welt der Hilfsmittelversorgung an redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de

Laut GKV-Spitzenverband handele es sich bei einer Präqualifizierung um eine „vorwettbewerbliche Eignungsprüfung“, welche nach definierten Vorgaben sowie unabhängig von konkreten Ausschreibungen erfolgen solle. In ihrem Rahmen seien ferner die Fachkunde sowie die Leistungsfähigkeit des Betriebs nachzuweisen [5]. Solch eine Maßnahme klingt zunächst sinnvoll für eine gute Versorgungsqualität und damit eigentlich erstrebenswert. In der Praxis jedoch ergeben sich die verschiedensten Probleme und Herausforderungen, die das gesetzte Ziel der verbesserten und unbürokratischeren Hilfsmittelversorgung in weite Ferne rücken lassen.

Toilette: Behindertengerecht? Also von der Treppe war keine Rede … Obwohl die Toilette einer Apotheke nur über eine Wendeltreppe in den Keller zu erreichen ist, müssen die Toiletten behindertengerecht nachgerüstet werden. Der Handwerker freut sich und der Rollifahrer, der vor der Treppe steht und dringend muss, vermutlich auch …

Während das Sozialgesetzbuch ganz allgemein von „Leistungserbringern“ spricht, wird erst bei einem Blick in den Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands so wirklich deutlich, wie unterschiedlich die an der Hilfsmittelversorgung unseres Landes beteiligten Betriebe wirklich sind [4, 11]. Neben pharmazeutischem sowie pflegerischem Fachpersonal kommen laut Katalog unter anderem auch verschiedenste Fachkräfte aus den Bereichen Orthopädie, Medizintechnik, Hörgeräteakustik und Augenoptik als fachliche Leitungen für die Hilfsmittelversorgung in Frage. Ebenfalls finden sich Berufsbilder wie Friseure, Installateur- und Heizungsbauermeisterinnen, IT-Systemkauffrauen sowie Blindenführhundtrainer im Kriterienkatalog wieder [11]. Trotz der auf der Hand liegenden, immensen Unterschiede in den Tätigkeitsfeldern gelten für die jeweils hinter den fachlichen Leitungen stehenden Betriebe die exakt selben Vorgaben und dasselbe Prozedere: die Präqualifizierung.

Schlüssellochperspektive? Bei Hilfsmitteln nicht erwünscht. Grifflöcher in Schiebetüren sind offenbar ein Einfallstor für potenzielle Voyeure. Aber Pflaster lösen ja bekanntlich viele Probleme – auch die von der Präqualifizierungsstelle herbeigeredeten.

So verschieden die Betriebe, so verschieden sind natürlich auch die von ihnen hergestellten, abgegebenen oder angepassten Hilfsmittel sowie die damit verbundenen Dienstleistungen. Sinnvollerweise unterteilt der GKV-Spitzenverband die vielen Hilfsmittel in verschiedene Versorgungsbereiche, für die jeweils eigene Kriterien festgelegt sind. Doch oftmals verbirgt sich auch innerhalb eines Versorgungsbereichs eine Vielzahl an höchst unterschiedlichen Hilfsmitteln, die allerdings aufgrund ihrer gemeinsamen Kategorisierung absolut gleich behandelt werden. Ein eindrucksvolles Beispiel stellt der Versorgungs­bereich 33 – Toilettenhilfen – dar. Neben pharmazeutischem Personal dürfen hier auch verschiedene medizintechnische Berufe sowie Installateur- und Heizungsbauermeister für Sanitär- , Heizungs- und Klimatechnik (mit Zusatzausbildung im Bereich Barrierefreiheit) als fachliche Leitungen fungieren. Während bei einer Apothekerin davon auszugehen ist, dass sie im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig Fertigware im Fachhandel bestellt und diese unverändert an ihre Kundschaft abgibt, wird eine Medizintechnikerin oder Installateurin wohl eher eine individuelle, handwerkliche Anpassung oder sogar den Einbau vollständiger Toilettensysteme anbieten. Allein im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbands sind aktuell (Stand: April 2022) insgesamt 328 verschiedene Produkte im Versorgungsbereich 33 gelistet. Hierunter fallen neben einfachen Toilettensitzerhöhungen aus Plastik auch elektrische Aufstehhilfen sowie WC-Aufsätze mit integrierter Wascheinrichtung [12]. Je nach Kontext ergibt also die im Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands geforderte Ausstattung mit einer Bohrmaschine für diesen Versorgungs­bereich Sinn. Andererseits wäre auch eine zusätzliche Unterteilung des Versorgungsbereichs sinnvoll: In unverändert abzugebende Fertigprodukte zum einen und handwerklich anzupassende Produkte zum anderen. Oder alternativ auch eine gesetzliche Abgrenzung nach angebotenen Dienstleistungen, mit unterschiedlichen Anforderungen an rein abgebende Betriebe im Vergleich zu herstellenden und anpassenden Leistungserbringenden. Zumindest würden hierdurch womöglich deutlich weniger ungenutzte Bohrmaschinen in deutschen Apotheken auf ihren einzigen Bestimmungszweck warten: Verstaubtes Fotomodell im Rahmen eines Audits oder einer Re-Präqualifizierung.

Hauptsache das richtige Maß Ein Zentimeter hin oder her kann für manche Geschäfte entscheidend sein. So verschlechtert es beispielsweise die Versorgung mit Handgelenksorthesen massiv, wenn die Toilette einen Zentimeter zu niedrig ist …

Und auch das Antragsverfahren als solches bereitet in vielen Betrieben verschiedenste Probleme. Statt des versprochenen Bürokratieabbaus stehen allein auf Seiten der Leistungs­erbringenden alle fünf Jahre vollumfängliche (Re-)Präqualifizierungen an, bei denen sämtliche Unterlagen neu ein­zureichen sind. Jeweils inklusive einer vollumfänglichen, aktuellen fotografischen Dokumentation der Räumlichkeiten. Zusätzliche Termine stehen außerdem bei Umzügen oder Betriebsübergängen an. Nach einem Aufruf in den sozialen Medien berichteten uns einige Apothekenleitungen in diesem Kontext von auftretenden Schwierigkeiten [13]. Teilweise forderten die Präqualifizierungsstellen von ihnen Nachweise über die Aktualität der Fotos, manchmal wurde auch ein Bild aus einer anderen Perspektive eingefordert. Gerade bei sehr kleinen Räumen ist Zweiteres jedoch nicht immer möglich und eine aktuelle Tageszeitung im Bild erinnert den einen oder die andere womöglich eher an grausame Entführungsszenarien statt an eine flächendeckend notwendige Gesundheitsdienstleistung. Zusätzlich zur erneuten Antragsstellung sind während der Laufzeit zwei Überwachungsaudits durchzuführen, bei welchen ebenfalls umfangreiche Unterlagen vorzulegen sind. Einer der marktführenden Anbieter von Präqualifizierungen im Apothekenwesen, die Agentur für Präqualifizierung GmbH (AfP), gewährt bei Mängeln an den Unterlagen eine Korrekturfrist von lediglich zwei Wochen. Mit einer einmaligen Option auf Fristverlängerung. Werden die Fristen nicht eingehalten oder die angeforderten Nachweise nicht nachgereicht, erlischt die Präqualifizierung für den betroffenen Versorgungsbereich unmittelbar [14, 15].

Trend zur Open-Air-Apotheke Dass sich Freiluft-Apotheken ohne Decke und Wände nicht durchgesetzt haben, hat sich offenbar noch nicht bis zur Präqualifizierungsstelle rumgesprochen. Oder warum wollen die sonst immer einen Nachweis haben, dass alles da ist?

Neben dem ohnehin schon immensen bürokratischen Aufwand stellen sich der Apothekerschaft auch noch weitere Hürden des Antragsverfahrens in den Weg. Zum Beispiel scheinen die Präqualifizierungsstellen recht uneinheitliche Ansprüche an die einzureichenden Nachweise oder an die Umsetzung der Bestimmungen des Kriterienkatalogs zu haben. Trotz vergleichbarer Antragsdokumente und Gegebenheiten fallen in verschiedenen Betrieben nämlich die Entscheidungen der Präqualifizierungsstellen teils unterschiedlich aus. Dies ist möglich, da viele Punkte des Kriterien­katalogs deutlichen Auslegungs- und Interpretationsspielraum lassen, sodass die Entscheidungen letztendlich beim zuständigen Personal der Präqualifizierungsstelle liegen. In einigen Fällen mag dies den Apotheken zugute kommen, in anderen wiederum nicht. Immer wieder berichten Apothekenleitungen auch von sich fortwährend ändernden Ansprüchen zwischen zwei Präqualifizierungen desselben Betriebs, selbst wenn die Gegebenheiten unverändert sind. Ein Beispiel hierfür ist die ursprünglich akzeptierte, im Rahmen der nächsten Präqualifizierung dann aber beanstandete behindertengerechte Toilette eines Kollegen aus Castrop-Rauxel (DAZ.online vom 05.04.2022) [16]. Andere Kolleginnen und Kollegen erzählten uns von plötzlich beanstandeten Beratungsraumtüren oder, dass sie andere Fotos ihrer Liege nachreichen mussten, weil die Ursprünglichen aufgrund eines angewinkelten Kopfteils oder eines vorhandenen Lakens nicht mehr akzeptiert wurden. Ob sich also beispielsweise Milchglas-Schiebetüren mit kleinem Lochgriff als Zugangstüren zum „akustisch und optisch abgegrenzten Bereich“ beziehungsweise „Raum zur Beratung“ gemäß verbindlichem Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbands eignen, scheint eine von vielen Ermessensfragen zu sein. Und der Umgang mit diesen kann sich auch bei derselben Präqualifizierungsstelle über die Laufzeit der Präqualifizierung ändern. Diese Problematik scheint zumindest nicht vollständig am GKV-Spitzenverband vorbeizugehen. Auf seiner Homepage finden sich Antworten auf häufig gestellte Fragen zu den verbindlichen Empfehlungen [17]. Doch im Falle der Beratungsraum-Liege ist dort entgegen der Praxiserfahrungen nicht die Rede von spezifischen Anforderungen an die Position der Kopfstütze auf den Fotonachweisen. Auch fehlen explizite Vorgaben über Größe und Höhe der Liege. Vielmehr finden sich lediglich einige grob umrissene Kriterien, die in die Entscheidung der Präqualifizierungsstelle miteinbezogen werden sollten [17].

Türöffner Hilfsmittelversorgung Apotheken ohne Eingang mögen aus verschiedenen Gründen ihren Reiz haben, zum Beispiel bleiben unliebsame Kunden zuverlässig draußen – alle anderen übrigens auch. Allerdings wird man nie die Freuden der HiMi-Versorgung erfahren, denn dafür braucht man eine Zugangstür, was auch zu beweisen ist (quod est demonstrandum …).

Womöglich beruhen einige der nachträglichen Beanstandungen bereits akzeptierter Gegebenheiten auch auf den seit Einführung der Akkreditierungspflicht durch das HHVG nun ebenfalls höheren Anforderungen an die Präqualifizierungs­stellen. Gegenüber der DAZ (siehe „Immer Ärger mit der Präqualifizierung“ DAZ 2021, Nr. 11, S. 64) deutete Diethard Grundl, Geschäftsführer der AfP, zumindest an, dass die Ausgestaltung des Antrags- und Prüfungsverfahrens von der Akkreditierungsstelle mitbestimmt werde. Unter anderem der Anspruch, dass die Beschreibung der betrieblichen Gegebenheiten als frei formulierter Prosatext erforderlich sei, beruhe auf entsprechenden Vorgaben seitens der gesetzlich für die Akkreditierung zuständigen Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) [18]. Solche Texte zu verfassen bedarf natürlich deutlich mehr Zeit als das Ausfüllen eines standardisierten Ankreuzbogens. Leider berichten auch in diesem Zusammenhang immer wieder Kollegen und Kolleginnen von mehrfachen Korrekturwünschen seitens der Präqualifizierungsstellen, was den Bearbeitungsaufwand entsprechend zusätzlich erhöht. Häufig werde auch das Kopieren der Texte aus dem vorherigen Präqualifizierungsantrag nicht akzeptiert.

Zusätzliche Probleme ergeben sich auch im Falle von zunächst akzeptierten Ausnahmefällen, selbst wenn diese in den Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands genannt werden. Laut Kapitel IV. (Besonderheiten für Neubetriebe oder bei Erstbezug) kann beispielsweise auf eine behindertengerechte Toilette verzichtet werden, wenn „in unmittelbarer räumlicher Nähe“ zum Betrieb eine solche vorhanden ist und der Kundschaft zur Verfügung gestellt wird. Allerdings wird dieser Anspruch an die örtliche Nähe nicht weiter definiert sondern explizit auf die Entscheidungshoheit der Präqualifizierungsstelle verwiesen [19]. Somit erfolgt spätestens bei der Re-Präqualifizierung eine erneute Prüfung des Sachverhalts, auf Basis augenscheinlich sehr uneinheitlicher Kriterien.

Lagerungsbedingungen für Inkontinenzprodukte – ein unterschätztes Problem Versender verschicken Zäpfchen im Sommer ohne Kühlung. Egal! Hauptsache im Inkolager vor Ort stimmt die Temperatur. Was kommt als nächstes? Vielleicht Schmelzpunktbestimmung beim Wareneingang …

Aufgrund der wiederholt einzureichenden, umfassenden Unterlagen benötigen die Präqualifizierungsstellen außerdem mehrere Wochen bis Monate für die Prüfung der Anträge. Bei notwendigen Nachforderungen kann sich diese Zeit weiterhin verlängern. Insbesondere im Rahmen zeitlich sensibler Prozesse, wie es Betriebsübergänge häufig sind, kann es somit terminlich schnell eng werden. Leider kommt es gerade in diesem Bereich auch zu Versorgungslücken (DAZ.online vom 22.04.2022) [20]. Der Antrag kann in vielen Fällen jedoch auch nicht einfach früher gestellt werden, da die hierzu notwendigen Nachweise erst im Verlauf des Betriebsübergangs generiert werden (z. B. IK-Nummer oder die auf die neue Leitung lautende Betriebshaftpflichtversicherung). Zusätzlich ergaben sich durch die Coronavirus-Pandemie, ebenso wie in vielen anderen Betrieben, auch bei einigen Präqualifizierungsstellen deutliche Verzögerungen in der Antragsbearbeitung [20]. Gerade Apotheken haben während dieser Zeit besondere Belastungen sowie Verantwortung getragen und sind auch weiterhin maßgeblich an der Aufrechterhaltung unseres pandemie­geplagten Gesundheitssystems involviert. Praktikable Not- oder Übergangslösungen für die Präqualifizierung hätten hier sicherlich einige zusätzliche Sorgen sowie Kraftaufwendungen reduziert.

Trotz aller anderslautenden Absichtsbekundungen des Gesetzgebers gestaltet sich das derzeitige Versorgungssystem zumindest aus Sicht der Leistungserbringenden also insgesamt tatsächlich eher aufwendig bürokratisch, anstatt einfach und zuverlässig. Die starke angestrebte Standardisierung durch die forcierte Gleichbehandlung der unterschiedlichsten Betriebe steht einer oftmals in der Praxis notwendigen Flexibilität mit fallbezogenem Augenmaß konträr entgegen. Der durch das Verfahren erreichte vereinfachte Prüfungsaufwand seitens der Krankenkassen geht somit klar zulasten der hilfsmittelversorgenden Betriebe. So entsteht nicht nur Frust bei diesen, auch die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsmitteln wird potenziell gefährdet oder leidet in ihrer Qualität, was dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers vollständig entgegen steht. Alleine die immensen bürokratischen Hürden, die vielfach mit einem Gefühl von Willkür hinsichtlich der Entscheidungsfindung einhergehen, machen die Hilfsmittelversorgung für Apotheken zunehmend unattraktiver. Zu der vielen eingesetzten Arbeitszeit gesellen sich auch noch die verlorenen Nerven sowie die von den Präqualifizierungsstellen erhobenen Gebühren hinzu. Die aus den abrechenbaren Hilfsmitteln letztlich erzielte Vergütung wiegt dies in vielen Apotheken wahrscheinlich bei Weitem nicht mehr auf. Eine weitere klassische Apotheken-Dienstleistung also, die eher auf dem Selbstverständnis der Apothekerschaft als Heilkundige als auf ihrer ebenso betriebswirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeit beruht. |

Literatur

 [1] Verband der Ersatzkassen e. V. (2022), Daten zum Gesundheitswesen: Heil- und Hilfsmittel, in: vdek.com, 26.01.2022, https://www.vdek.com/presse/daten/d_ausgaben_heil_hilfsmittel.html, letzter Zugriff am 21.04.2022.

 [2] GKV-Spitzenverband (2019), Präqualifizierung, in: gkv-spitzenverband.de, 16.07.2019, https://gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/hilfsmittel/praequalifizierung/praequalifizierung.jsp, letzter Zugriff am 21.04.2022.

 [3] Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007, erschienen am 30.03.2007 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2007 Teil I Nr. 11, S.378-438.

 [4] Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) § 126 Versorgung durch Vertragspartner, verfügbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__126.html, letzter Zugriff am 21.04.2022.

 [5] Grienberger C im Auftrag des GKV-Spitzenverbands (2011), Präqualifizierung ein Resümee, in:, bvmed.de, 21.09.2011, https://www.bvmed.de/de/versorgung/hilfsmittel/praequalifizierung/21.09.2011-carla-grienberger-gkv-spitzenverband-berlin, letzter Zugriff am 26.04.2022.

 [6] Daniel Liebig im Rahmen von buzer.de (2017), Änderung § 126 SGB V vom 11.04.2017, in: buzer.de, https://www.buzer.de/gesetz/2497/al60376-0.htm, letzter Zugriff am 22.04.2022.

 [7] Deutscher Bundestag (2017), Vorgang – Gesetzgebung. Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG), in: dip.bundestag.de, https://dip.bundestag.de/vorgang/gesetz-zur-st%C3%A4rkung-der-heil-und-hilfsmittelversorgung-heil-und-hilfsmittelversorgungsgesetz/76480, letzter Zugriff am 21.04.2022.

 [8] ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (2016), Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG/Stand 23. Juni 2016), in: bundesgesundheitsministerium.de, 11.07.2016, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Stellungnahmen_WP18/HHVG/ABDA_Stellungnahme_Heil-__und__Hilfsmittelversorgungsgesetz_2016-07-11.pdf, letzter Zugriff am 26.04.2022.

 [9] Müller-Bohn T, Kusnick C (2015), Klare Voten und interessante Hintergründe. Deutsche Apotheker Zeitung 2015;41:80.

[10] Landesapothekerverband Baden-Württemberg e. V., Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (2019), Überarbeitung der Präqualifizierungsanforderungen zur Sicherstellung einer flächendeckenden Hilfsmittelversorgung. Drucksache 1.3.4 der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker des Deutschen Apothekertags 2019. Online verfügbar in abda.de, Beschlüsse der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker, S.31-32, https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/veranstaltungen/detail/deutscher-apothekertag-und-expopharm-2019/, letzter Zugriff am 26.04.2022.

[11] GKV-Spitzenverband (2021), Kriterienkatalog Empfehlungen gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Kriterienkatalog_30.08.2021.pdf, letzter Zugriff am 22.04.2022.

[12] REHADAT GKV-Hilfsmittelverzeichnis (2022), Produktgruppe 33 Toilettenhilfen, in: rehadat-gkv.de, 25.03.2022, https://www.rehadat-gkv.de/index.html?pgnr=33, letzter Zugriff am 22.04.2022.

[13] Deutsche Apotheker Zeitung (2022), Hausnummer falsch? Toilette einen Zentimeter zu niedrig? Was auch immer… Wir suchen die besten Geschichten von der Präqualifizierung, in: facebook.com, 11.02.2022, https://www.facebook.com/DAZ.online/photos/a.273582246053656/4780128272065675, letzter Zugriff am 25.04.2022.

[14] Agentur für Präqualifizierung, Ablauf Überwachung, in: afp-da.de, https://www.afp-da.de/verfahren/ihr-weg-zur-pr%C3%A4qualifizierung/%C3%Bcberwachungsaudit/, letzter Zugriff am 22.04.2022.

[15] Agentur für Präqualifizierung, Fristenregelungen, in: afp-da.de, https://www.afp-da.de/fristen/, letzter Zugriff am 22.04.2022.

[16] Geller J (2022), Game of Thrones für Hartgesottene – die behindertengerechte Toilette, in: deutsche-apotheker-zeitung.de, 05.04.2022, https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/04/05/game-of-thrones-fuer-hartgesottene-die-behindertengerechte-toilette, letzter Zugriff am 25.04.2022.

[17] GKV-Spitzenverband (2022), Häufig gestellte Fragen Empfehlungen nach § 126 Abs. 1 Satz 3 SGB V, in: gkv-spitzenverband.de, Februar 2022, https://gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/eignungskriterien.jsp, letzter Zugriff am 25.04.2022.

[18] Geller J (2021), Immer Ärger mit der Präqualifizierung. Deutsche Apotheker Zeitung 2021;11:64-69.

[19] GKV-Spitzenverband (2021), Empfehlungen des GKV-Spitzenverbands gemäß § 126 Absatz 1 Satz 3 SGB V für eine einheitliche Anwendung der Anforderungen zur ausreichenden, zweckmäßigen und funktionsgerechten Herstellung, Abgabe und Anpassung von Hilfsmitteln, in: gkv-spitzenverband.de, 30.08.2021, https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/hilfsmittel/praequalifizierung/eignungskriterien/ek_ab_01_januar_2022/HiMi_Empfehlungen_nach__126_SGB_V_30.08.2021_bf.pdf, letzter Zugriff am 22.04.2022.

[20] Geller J (2022), Bitte warten – Knackpunkt Apothekenübernahme, in: deutsche-apotheker-zeitung.de, 22.04.2022, https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/04/22/bitte-warten-knackpunkt-apothekenuebernahme, letzter Zugriff am 26.04.2022.

Autorin

Jessica Geller, Apothekerin und DAZ-Autorin

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