Arzneimittel und Therapie

Entzug mit Vareniclin plus Nicotin-Pflaster

Problemgruppe der stark trinkenden Raucher könnte von der Kombination profitieren

Eine Vielzahl von Erkrankungen und eine vorzeitige Sterblichkeit wird durch den gleichzeitigen Konsum von Tabak und Alkohol verursacht. Insbesondere stark trinkende Raucher sind in der Regel weniger erfolgreich bei der Raucherentwöhnung als Raucher, die wenig oder keinen Alkohol trinken. Eine kombinierte Behandlung mit Vareniclin und Nicotin-Pflaster trägt zu einer Verbesserung der kontinuierlichen Rauchabstinenz auch bei stark trinkenden Rauchern bei.

Tabak- und Alkoholkonsum gehören zu den drei Hauptursachen für vermeidbare Krankheiten und Verletzungen in den USA. Fast 20% der Raucher trinken stark, verglichen mit 6,5% der Nichtraucher. Viele Menschen konsumieren beide Substanzen gleichzeitig, was mit einer hohen Rate an Krebs, Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergeht und mit erheblichen Belastungen für die öffentliche Gesundheit und Wirtschaft verbunden ist. Die Entwicklung wirksamer Maß-nahmen, die auf Raucher mit hohem Alkoholkonsum abzielen, ist daher von entscheidender Bedeutung.

Foto: Николай Григорьев/AdobeStock

Die Kombinationsbehandlung Vareniclin plus Nicotin-Pflaster reduzierte sowohl den Tabak- als auch den Alkoholkonsum.

Vareniclin, ein zur Raucherentwöhnung zugelassener hochwirksamer Arzneistoff, der bereits in Kombination mit einer Nicotin-Ersatztherapie zur Untersuchung der Raucherentwöhnung bei nicht stark trinkenden Rauchern eingesetzt wurde, kann die Raucherentwöhnungsrate bei stark trinkenden Rauchern verbessern, da es auf neuronale nicotinische Acetylcholin-Rezeptoren (nAChR) einwirkt, die eine bedeutende Rolle bei der verstärkenden Wirkung von Alkohol und Nicotin spielen.

In einer doppelblinden, placebo-kontrollierten, randomisierten klinischen Überlegenheitsstudie, durchgeführt zwischen dem 26. März 2018 und dem 14. Februar 2020 an zwei ambulanten Einrichtungen in Chicago, Illinois, wurde untersucht, ob die kombinierte Behandlung mit Vareniclintartrat und Nicotin-Pflaster im Vergleich zu Placebo und Nicotin-Pflaster bei stark trinkenden Rauchern zu einer Verbesserung der kontinuierlichen Abstinenz vom Zigarettenrauchen und des Trinkverhaltens führt.

Für die Studie wurden 122 Teilnehmer im Alter zwischen 18 bis 85 Jahren über soziale Medien und Anzeigen im öffentlichen Nahverkehr rekrutiert.

Alle Teilnehmer rauchten zwischen fünf und 30 Zigaretten pro Tag, tranken stark (mehr als 14 Getränke pro Woche bei Männern oder mehr als sieben Getränke pro Woche bei Frauen; mindestens ein Tag mit starkem Alkoholkonsum pro Monat im vergangenen Jahr) und äußerten den Wunsch, mit dem Rauchen aufzuhören.

Während der zwölfwöchigen Studie erhielten die nach Geschlecht und Rauchverhalten stratifizierten Teilnehmer, die gleichmäßig auf die beiden Behandlungsgruppen Vareniclin/Nicotin-Pflaster und Placebo/Nicotin-Pflaster randomisiert wurden, zweimal täglich entweder 1 mg Vareniclintartrat oder ein entsprechendes Placebo. Die Nicotin-Pflaster wurden zehn Wochen lang in der vom Hersteller empfohlenen Dosierung verwendet. Zusätzlich erhielten die Studienteilnehmer in der Woche vor und am Tag der Beendigung eine kurze individuelle Beratung zur Raucherentwöhnung.

Der primäre Endpunkt der Studie war die von den Teilnehmern selbst angegebene kontinuierliche Zigarettenabstinenz in den Wochen neun bis zwölf, die in Woche zwölf biochemisch be­stätigt wurde. Die Häufigkeit des wöchentlichen und des wöchentlichen starken Alkoholkonsums während des Studienzeitraums wurden als sekundäre Endpunkte bestimmt.

Die Studienergebnisse zeigten höhere Raucherentwöhnungsraten in den Wochen neun bis zwölf in der Vareniclin-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe (27 Teilnehmer [44,3%] gegenüber 17 Teilnehmern [27,9%]) und eine geringere Rückfallwahrscheinlichkeit während der Behandlungsdauer in der Vareniclin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Obwohl beide Behandlungen gut vertragen wurden, berichteten die Teilnehmer in der Vareniclin-Gruppe über mehr unerwünschte Wirkungen, wobei fünf Teilnehmer dieser Gruppe die Behandlung vorzeitig abbrachen.

Zeitgleich wurde ein signifikanter Rückgang des Alkoholkonsums unabhängig von der Behandlungsgruppe festgestellt. Die wöchentlichen Alkoholtage reduzierten sich um 25% und die wöchentlichen Tage mit starkem Alkoholkonsum gingen um 54% zurück.

Die Kombinationsbehandlung mit Vareniclin und Nicotin-Pflaster verbessert die in der Vergangenheit schlechteren Ergebnisse der Raucherentwöhnung bei stark trinkenden Rauchern und zeigt, dass diese in ein Raucherentwöhnungsprogramm aufgenommen werden können.

Zudem verringert sich die Rückfallwahrscheinlichkeit während der Behandlungsdauer, die eine längerfristige Verabreichung von Vareniclin notwendig macht, um eine therapeutische Wirkung zu beobachten.

Der genaue neuropharmakologische Mechanismus, der der Wirksamkeit von Vareniclin und Nicotin-Pflaster zugrunde liegt, ist unklar. Die Ergebnisse unterstützen die weitere Untersuchung von Vareniclin und Nicotin-Pflaster als kombinierte Behandlungsstrategie für Raucher mit riskantem Trinkverhalten, die in der Vergangenheit schlechtere Ergebnisse mit standardmäßig zugelassenen Raucherentwöhnungsbehandlungen erzielten. |

Literatur
King A, Vena A, de Wit H, Grant JE, Cao D. Effect of Combination Treatment With Varenicline and Nicotine Patch on Smoking Cessation Among Smokers Who Drink Heavi-ly: A ­Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2022;5(3):e220951. doi:10.1001/jamanet­workopen.2022.0951

Britta Mielinski, Berlin

 

 

Ideologische Barrieren überwinden!

Ein Gastkommentar

Prof. Dr. med. ­Markus Backmund

In Deutschland sterben jährlich 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums und 75.000 an den Folgen des Alkoholkonsums. Tabakkonsum und Alkoholkonsum beeinflussen sich gegenseitig zu mehr Konsum und kürzeren Zeitabständen des Konsums [Verplaetse et Mc Kee, 2017]. Tabak­abhängigkeit, hervorgerufen durch den Konsum von Nicotin, führt zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität.

Eine Entgiftung und Entwöhnung bei Tabakabhängigkeit ist sehr schwierig und wenig erfolgreich: 80% derer, die entgiften, sind nach einem Monat rückfällig, nach sechs Monaten sind lediglich noch 3% abstinent [Benowitz, 2009].

Gesundheitsschädlich sind die beim Rauchen entstehenden chemischen Substanzen. Diese führen zu der oben erwähnten erhöhten Mortalität. Nicotin ist für die Abhängigkeit verantwortlich. Häufig konsumieren Tabakabhängige gleichzeitig auch Alkohol oder sind zusätzlich alkoholkrank.

Angesichts der hohen Prävalenz der Tabakabhängigkeit sind Studien, die sich mit der Entgiftung und Entwöhnung beschäftigen, wissenschaftlich und klinisch sehr wichtig. King et al. (2022) untersuchten in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie, ob eine Entgiftungsbehandlung mit dem Nicotin-Agonisten ­Vareniclin plus Nicotin-Pflaster und Kurzintervention (Verumgruppe) erfolgreicher ist als nur mit Nicotin-Pflaster und Kurzintervention.

Gleichzeitig wurde untersucht, ob sich die Trinkmenge verändert. 122 Patienten, 55 Frauen und 67 Männer, nahmen an der Studie teil. 44,3% derjenigen, die randomisiert zur Verumgruppe zugeteilt worden sind, waren zwischen Woche neun und zwölf abstinent gegenüber 27,9% in der Gruppe, die anstatt Vareniclin Placebo erhalten hatten. Auch wenn insgesamt die Medikamente gut vertragen worden sind, brachen fünf Patienten der Verumgruppe die Therapie wegen Nebenwirkungen ab. Durchschnittlich werden mit einer Kombination von Psychotherapie und Pharmakotherapie 30% Erfolgsraten erzielt [Batra et al., 2016], so hoch wie ungefähr in der Placebogruppe. Die zusätzliche Gabe von Vareniclin scheint die Erfolgsrate noch deutlich zu verbessern. Der Alkoholkonsum wurde in beiden Gruppen gleichermaßen reduziert.

Angesichts der großen Bedeutung und Problematik sind weitere Studien wünschenswert. Dabei wäre es wissenschaftlich bedeutsam, wenn ideologische Barrieren überwunden werden könnten: Da Nicotin als ­Medikament herstellbar und ver­abreichbar ist und dabei keine zellschädlichen Eigenschaften hat, könnte es analog der Opioidsubstitutionsbehandlung bei Opioidabhängigen auch langfristig als Substitut gegeben werden. Studien, die eine langfristige Substitutionsbehandlung beinhalten, könnten für die Abhängigen große gesundheitliche Vorteile mit sich bringen. Der Gesetzgeber müsste den Widerspruch beseitigen, dass einerseits Tabak­abhängigkeit entsprechend der Weltgesundheitsorganisation als schwere Krankheit mit erhöhter Morbidität und Mortalität eingestuft wird, andererseits wirksame Medikamente bisher nicht als Kassenleistung anerkannt sind.
 

Literatur

Batra A, Petersen KU, Hoch E, Mann K, Kröger C, Schweizer C, Jähne A, Rüther T, Thürauf N, Mühlig S. Psychotherapy and pharmakotherapy for harmful tobacco use and tobacco dependency. Nervenarzt 2016;87:35-45

Benowitz NL. Pharmacology of Nicotine: Addiction, Smoking-Induced Disease, and Therapeutics. Annu Rec Pharmacol Toxicol 2009;49:57-71

King A, Vena A, de Wit H, Grant JE, Cao D. Effect of Combination Treatment With Varenicline and Nicotine Patch on Smoking Cessation Among Smokers Who Drink Heavily. A Randomized Clinical Trial. JAMA Network Open 2022;5(3):e220951. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.0951

Verplaetse TL, McKee SA. An overview of alcohol and tobacco/nicotine interactions in the human laboratory. Am J Drug Alcohol Abuse 2017;43:186-196
 

Prof. Dr. med. Markus Backmund, 
Internist – Infektiologie, Psychotherapie, Notfallmedizin, Suchtmedizin, 
Tal 9, 80331 München

 

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