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Beratung

Unerwünschte Pilze

Wie Mykosen bei Kindern behandelt werden

Pilzinfektionen bei Erwachsenen sind häufig Anlass für ein Beratungsgespräch in der Apotheke. Egal ob Fuß-, Nagel- oder Scheidenpilz – es stehen diverse Präparate für die Selbstmedikationstherapie zur Verfügung. Doch wie sieht es aus, wenn Kinder von Mykosen betroffen sind? Was ist im Rahmen der Selbstmedikation möglich? Und wann muss unbedingt zum Arztbesuch geraten werden? | Von Sabine Fischer

Pilzinfektionen im Kindesalter haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mittlerweile gehören sie zu den am häufigsten in der Pädiatrie beobachteten Infektionen. Wie bei Erwachsenen wird dabei auch bei Kindern das Gros der Mykosen durch Dermatophyten hervorgerufen, die von Mensch zu Mensch übertragen werden oder von Tieren stammen [1].

Pilzinfektionen im Windelbereich …

Bekanntester Vertreter dieser Dermatophyten ist Candida albicans, ein Hefepilz und Erreger von Soor, der meist bereits während der Geburt auf Kinder übertragen wird. Um einer derartigen Infektion im Geburtskanal vorzubeugen, ist eine Scheidenpilzbehandlung bei Schwangeren dringend nötig.

Besonders anfällig für Candida albicans ist aufgrund des feuchtwarmen Klimas im Windelbereich der Po von Babys. Ist die Haut „nur“ entzündet, liegt eine Dermatitis vor. Kommen Pilze hinzu, spricht man von Windelsoor. Der Po des Kindes ist gerötet, schmerzt und juckt, er weist Pickel oder Pusteln auf, und es können sich offene oder schuppige Hautstellen bilden. Für einen guten Heilungsprozess sollte die Windel oft gewechselt werden, vor allem nach dem Stuhlgang. Nach sorgfältigem Abtrocknen können antimykotische Salben (Miconazol-haltig wie Infectosoor, Micotar oder Nystatin-haltig wie Multilind, Mykoderm, Nystoderm) aufgetragen werden. Optimal ist die Kombination mit Zink, das dafür sorgt, dass nässende Hautstellen trocknen können. Zusätzlich können Kamillenbäder oder das Auftragen von Muttermilch auf die betroffenen Hautstellen die Heilung unterstützen. Eltern sollten ihre Kinder so oft wie möglich ohne Windel strampeln oder krabbeln lassen, damit Luft an die Haut kommt [2].

… gehen häufig mit Mundsoor einher

Liegt ein Windelsoor vor, sollte unbedingt auch der Mund des Kindes untersucht werden, denn häufig gehen Windel- und Mundsoor miteinander einher. Erkennbar ist ein Befall der Mundschleimhaut mit Candida albicans an grauweißen Flecken und krümeligen Belägen auf Schleimhaut und Zunge, die sich nur schwer abwischen lassen. Säuglinge zeigen zusätzlich oft eine Trinkschwäche. Obwohl es sich um eine eher harmlose Erkrankung handelt, sollte bei Verdacht auf einen Mundsoor der Kinderarzt aufgesucht werden. Besonders oft sind Babys von Mundsoor betroffen, da sie noch nicht über eine umfassende Besiedlung der Schleimhäute mit gesunden Keimen verfügen. Bei älteren Kindern tritt Mundsoor vor allem nach Antibiotika- oder Cortison-Gabe auf. Die Übertragung erfolgt wie im Fall des Windelsoors oft schon während der Geburt, aber auch durch unzureichend sterilisierte Flaschensauger oder Beißringe oder über eine Besiedlung der Brustwarzen der Mutter beim Stillen. Bleibt der Mundsoor unbehandelt, kann es zum Befall von Speiseröhre, Herz und Lunge kommen. Zur Therapie stehen antimykotische Mundgele, Suspensionen oder Lutschtabletten zur Verfügung. Diese enthalten Nystatin (z. B. Adiclair Nystatin Mundgel, Moronal), Miconazol (z. B. Infectosoor Mundgel, Mykoderm Mund-Gel, Micotar Mundgel) oder Amphotericin B (rezeptpflichtig). Bei rechtzeitiger Behandlung ist die Therapie meist nach acht bis zehn Tagen abgeschlossen. Zusätzliche Linderung kann den Kindern durch das Auftupfen von verdünnter Myrrhen-Tinktur auf die betroffenen Stellen verschafft werden. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Kamillentee steht jedoch im Verdacht, die ­Pilzinfektion zu begünstigen, und sollte deshalb nicht getrunken werden [3]. Ist ein Säugling an Mundsoor erkrankt, sollte unbedingt die stillende Mutter mit einem lokalen ­Antimykotikum mitbehandelt werden. Allerdings ist in Deutschland kein Präparat für diese Anwendung zugelassen. Der Einsatz erfolgt off-label gemäß Anordnung des behandelnden Arztes.

Zunehmend Befall von Nägeln ...

Während Nagelpilzinfektionen (Onychomykosen) früher bei Kindern nur selten auftraten, kommen sie nun zunehmend vor. Da es keine Meldepflicht gibt, sind Angaben zur genauen Inzidenz nicht möglich. Nach internationalen Literaturangaben liegt die Prävalenz derzeit bei Kindern bei etwa 0,5 bis 1,5%, dabei sind Kinder aller sozialen Schichten betroffen. Neben genetischen Faktoren spielen die Beschaffenheit der Schuhe ebenso eine Rolle wie die Belastung von Füßen und Nägeln durch Sportarten wie Tanzen, Tennis oder Fußball. Häufig sind Familienmitglieder die Infektionsquelle. Während bei Erwachsenen Trichophyton rubrum der weltweit häufigste Keim ist, ist das Erregerspektrum bei Kindern deutlich breiter. Neben Candida albicans gehören Microsporum (M.) canis (von Katzen), Trichophyton (T.) mentagrophytes, T. benhamiae (beide von Meerschweinchen) sowie T. erinacei (vom Igel) zu den Verursachern.

Wichtig ist eine vollständige Beseitigung der Keime, einschließlich der im Nagelbett befindlichen Sporen. Da eine durchgemachte Infektion nicht zur Immunität führt, kann die Infektion sonst jederzeit wiederkehren. Anders als bei Erwachsenen ist Nagelpilz bei Kindern immer ein Fall für den Arzt. Fundament der Therapie ist die topische Behandlung. Diese erfolgt zunächst mit einer Kombination aus 40%iger Harnstoffsalbe und Bifonazol, wodurch der pilzhaltige Nagelanteil entfernt wird. Kann durch die Behandlung mit Harnstoff keine Wirkung erzielt werden, handelt es sich nicht um einen Nagelpilz. Der Harnstoff ist somit auch Dia­gnostikum. Anschließend wird mit Bifonazol-haltigen Cremes oder Sprays nachbehandelt. Ciclopirox und Amorolfin sind bei Kindern nicht zugelassen. Die topische Therapie muss auch durchgeführt werden, wenn eine systemische Behandlung nötig ist, da kein systemisches Arzneimittel die Erreger in den äußeren Infektionsherden erreichen kann. Eine systemische Therapie wird durchgeführt, wenn ein Nagel zu über 50% bzw. mehr als drei Nägel gleichzeitig betroffen sind (Behandlungsschema s. Tab.). Allerdings ist in Deutschland kein Präparat für diese Indikation bei jüngeren Kindern zugelassen, das heißt es muss ein Off-Label-Use erfolgen. Griseofulvin, das einzige zugelassene orale Antimykotikum, ist in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr verfügbar [1, 4, 5]. In einer kanadischen Übersichtsarbeit gingen die Ärzte der Frage nach, welches Nebenwirkungsrisiko durch den Einsatz systemischer Antimykotika (Terbinafin, Itraconazol, Griseofulvin und Fluconazol) bei Kindern besteht. Dazu wurden Daten von sieben Studien mit insgesamt 208 Patienten zwischen einem und 18 Jahren ausgewertet. Da die Heilungsraten anhand unterschiedlicher Parameter bestimmt wurden, sind Wirksamkeitsvergleiche schwierig. Die beste klinische Heilungsrate zeigte aber eine Behandlung mit Itraconazol (94%). Insgesamt kam es nur bei vier von 208 Patienten zu Nebenwirkungen. Deshalb beurteilten die Forscher die Durchführung einer oralen Therapie als effektiv und sicher, wenn auch bei dünner Datenlage [6]. Vorteil einer systemischen Therapie ist die gleichzeitige Behandlung von befallener Haut an den Füßen, z. B. in den Zehenzwischenräumen [1]. In den USA gibt es zwei weitere topische Präparate bei Mykosen: Efinaconazol und Tavaborol. Beide Wirkstoffe haben in Studien bei Erwachsenen gute Resultate erzielt. Efinaconazol ist in den USA seit 2020 auch zur Behandlung des Fußnagelpilzes bei Kindern ab sechs Jahren zugelassen [6].

Tab.: Systemische Therapie der Onychomykose bei Kindern und Erwachsenen (nach [5])
Präparat
Fluconazol
Terbinafin
Itraconazol*
Erreger
T. rubrum, C. albicans, M. canis
T. rubrum, T. interdigitale, T. mentagrophytes
T. rubrum, C. albicans, T. mentagrophytes, T. benhamiae, S. brevicaulis
Erwachsene
150 mg
250 mg
200 mg
Kinder (< 7 Jahre)
100 mg
125 mg
100 mg
Fluconazol drei Tage lang täglich, Itraconazol und Terbinafin sieben Tage lang täglich, danach jeweils eine Dosis pro Woche.

* Dosierung hängt von der galenischen Formulierung ab, hier angegeben für das neue Suba-Itraconazol (Itraisdin®)

… und Köpfen

Mykosen der behaarten Kopfhaut (Tinea capitis) werden vor allem durch M. canis, aber auch durch andere Erreger wie T. verrucosum oder T. mentagrophytes ausgelöst. Infektionsquellen sind Katzen, Hunde, Pferde, Affen und Kaninchen, die ohne klinische Symptome den Erreger im Fell mit sich tragen können. Ebenso ist aber eine Übertragung durch Gegenstände wie Autositze und Kuscheltiere oder direkt von Mensch zu Mensch möglich. Tinea capitis ist die häufigste Dermatophytose im Kindesalter, vor allem im Alter zwischen drei und sieben Jahren. Nach der Pubertät ist sie seltener zu beobachten, da die zunehmende Talgproduktion eine fungistatische Wirkung aufweist. Das klinische Bild ist sehr variabel in Abhängigkeit von Erreger und Immunstatus des Betroffenen. Unterschieden wird die akut tiefe phlegmasische (entzündliche) Infektion von der chronisch oberfläch­lichen, aphlegmasischen Infektion.

Symptome einer phlegmasischen Form sind Pusteln und ein teilweiser Haarverlust, die schlimmste Ausprägung mit massiver eitriger Sekretion wird als Kerion celsi („wie der Honig aus der Wabe“) bezeichnet. Dazu können Fieber, geschwollene Lymphknoten, Erbrechen und ein allgemeines Krankheitsgefühl kommen. Bei der aphlegmasischen Form sind im Mikroskop gut erkennbare abgebrochene Haare markant. Dazu kommen runde Herde mit mehlartiger Schuppung. Die Therapie erfolgt immer systemisch und adjuvant topisch. Welches Antimykotikum (Terbinafin, Itra­conazol) zum Einsatz kommt, ist vom Erreger abhängig. Kinder, die eine geeignete systemische und adjuvante topische Therapie erhalten, können die Schule/den Kindergarten sofort wieder besuchen Alle Familienmitglieder und enge Kontaktpersonen sollten ebenfalls untersucht werden. Kontaminierte Gegenstände, vor allem Hygieneartikel, sollten desinfiziert bzw. entsorgt oder durch Einmalartikel ersetzt werden [1, 7].

Auf einen Blick

  • Pilzinfektionen gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten bei Kindern.
  • Windelsoor kann in der Selbstmedikation mit Miconazol- oder Nystatin-haltigen topischen Präparaten behandelt werden.
  • Alle anderen Mykosen bei Kindern sind ein Fall für den Arzt.
  • Infektionsquelle bei Nagelpilz sind meist Familien­mitglieder.
  • Etliche Tierarten können Erreger von Mykosen übertragen, deshalb sollten vor allem streunende Tiere nicht gestreichelt werden.

Pilze der freien Haut

Verschiedene Erreger wie Trichophyton rubrum, T. mentagrophytes, T. verrucosum oder Microsporum canis können zu Fadenpilzmykosen der Haut führen (Tinea corporis). Hauptüberträger sind auch hier Tiere, sowohl Haustiere als auch streunende Tiere oder Bauernhoftiere (vor allem Kälber). Die Haut weist ca. zwei bis drei Wochen nach dem ersten Befall scharf begrenzte, kreisrunde Hautveränderungen auf. Zu Beginn treten diese meist einzeln auf, später jedoch zahlreich. Charakteristisch ist das Auftreten von kleinen Pusteln im Randbereich, während nur eine geringe Schuppung vorliegt. Wird keine Behandlung durchgeführt, kommt es rasch zur Ausbreitung. Lokale Therapien mit Antimykotika (Bifonazol und/oder Ciclopirox) führen bei gering ausgeprägten Fällen zum Erfolg. Die lokale Therapie sollte direkt nach Probenentnahme beginnen, um Infektionsketten zu unterbrechen, da die Kinder hoch infektiös sind. Bei schwereren klinischen Symptomen ist die Gabe zusätzlicher systemischer Antimykotika wie Fluconazol angezeigt. Um Rezidive zu vermeiden, sollten Familienmitglieder mit untersucht werden. Die beste Vorbeugung ist die Expositionsprophylaxe, das heißt vor allem Hände weg von streunenden Tieren [1, 8]. |

 

Literatur

[1] Tietz H-J. Mykosen im Kindesalter. consilium Themenheft 2015:04

[2] Windeldermatitis/Windelsoor. Informationen der Kinder- und Jugendärzte im Netz, Stand 18. September 2017, www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/windeldermatitiswindelsoor

[3] Mundsoor. Informationen der Kinder- und Jugendärzte im Netz, Stand 12. November 2021, www.kinderaerzte-im-netz.de/krankheiten/mundsoor

[4] Tietz H-J. Onychomykose: Neues über eine alte Krankheit. Der Hausarzt 2018;92:40 – 46

[5] Tietz H-J. Onychomykose bei Erwachsenen und Kindern. Ars medici 2017;21:991 – 994

[6] Mutschler U. Therapie der Onychomykosen bei Kindern. Pädiatrie 2019;31:16–17

[7] Tinea capitis. S1-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, AWMF-Registernummer 013-033, Stand 23. Januar 2019

[8] Fölster-Holst R et al. Mykosen der Haut bei Kindern und Jugendlichen. Springer Medizin e.Medpedia 3. April 2019, www.springermedizin.de/emedpedia/paediatrie/mykosen-der-haut-bei-kindern-und-jugendlichen?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54671-6_333

[9] FDA Approves Ortho Dermatologics‘ Labeling For ­Jublia® (efinaconazole) Topical Solution, 10%, In Patients As Young As Six Years Old. Informationen der Bausch Health Companies Inc, 29. April 2020, https://ir.bauschhealth.com/news-releases/2020/04-29-2020-120230152

 

Autorin

Dr. Sabine Fischer ist Apothekerin aus Stuttgart. Seit dem Pharmaziestudium in Freiburg und einer Promotion in Tübingen arbeitet sie an der PTA-Schule und in öffentlichen Apotheken. Nebenbei schreibt sie als freie Journalistin.

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