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Kehrtwende bei Noventi

Neue Strategie und neue Unternehmensführung

tmb | Noventi, der Marktführer unter den Apothekenrechenzentren, richtet seine Unternehmensstrategie neu aus. Dazu gehört ein Personalwechsel an der Spitze. Dies alles ging in der vorigen Woche erstaunlich schnell. Die neuen Vorstände haben sich inzwischen an die Apotheker gewandt, um die Ver­lässlichkeit des Unternehmens zu bekunden.

Am 5. September gab die Noventi Health SE bekannt, die Preise für einige Leistungen im Rahmen der Rezeptabrechnung zu erhöhen. Das Unternehmen reagierte damit auf die allgemeinen Preissteigerungen. Beobachter waren jedoch verwundert über den Zeitpunkt der Ankündigung kurz vor der Expopharm. Noch am selben Tag wurde der Hintergrund deutlich. Noventi gab bekannt, dass das Unternehmen seine Unternehmensführung neu aufstellt und sich auf das Kerngeschäft und ausgewählte Zukunftsprojekte fokussiert. Der bisherige Vorstandsvorsitzende Dr. Hermann Sommer und Vorstand Victor Castro verlassen das Unternehmen. Mark Böhm, der seit Herbst 2021 Vorstand „Markt und IT“ ist, und Frank Steimel als neuer Finanzvorstand übernehmen die Geschäftsführung.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Expopharm 2019: Vor der Pandemie freute sich Noventi über reges Interesse der Messebesucher.2022 geht es bei dem Unternehmen vor der Fachausstellung hoch her.

Unüberbrückbare Differenzen zur bisherigen Strategie

Die Erklärung dazu war deutlich formuliert: „Der Aufsichtsrat sah sich insbesondere wegen unüberbrückbarer Differenzen bei Unternehmensführung und -strategie zu einer Neuordnung des Vorstandes veranlasst.“ Der Aufsichtsratsvorsitzende Herbert Pfennig erklärte: „Hohe Kostensteigerungen, Inflation und die konjunkturelle Entwicklung erfordern unverzüglich eine Fokussierung auf das solide und gesunde Kerngeschäft von Noventi sowie auf ausgewählte Zukunftsprojekte.“ Pfennig würdigte Böhm und Steimel als „zwei erfahrene Manager, die das Unternehmen kennen und wissen, wie sie Noventi weiter voranbringen“. Alleiniger Eigentümer von Noventi ist der aus Apothekern bestehende Verein FSA. Der FSA-Vorsitzende Jürgen Frasch erklärte, der Verein unterstütze die Entscheidung des Aufsichtsrats „vollumfänglich“.

Bisher: alles auf Wachstum

Mit Blick auf den Marktauftritt von Noventi ist leicht zu verstehen, was die Entscheidung des Aufsichtsrats bedeutet. Noventi hatte in den vorigen Jahren durch offensives Marketing von sich Reden gemacht, trat beispielsweise als Sponsor eines Tennis-Turniers auf und schmückte sich sogar mit einem Besuch beim Papst. Die Strategie war stark auf Wachstum ausgerichtet. Im Geschäftsbericht für 2021 hieß es, die „Noventi-Familie“ ver­größere sich kontinuierlich durch neue Geschäftsfelder und Kundengruppen. Ziel war die „Entwicklung von Noventi zur Leitmarke im deutschen Gesundheitsmarkt, die alle Bereiche der Gesundheitsbranche abdeckt“. Als im Jahr 2020 das Rechenzentrum AvP insolvent wurde, nahm Noventi viele betroffene Apotheken als Neukunden auf. In Apothekerforen ist jedoch zu lesen, dass sich Noventi-Kunden seitdem über nachlassenden Service beklagen, weil die vielen neuen Kunden das Unternehmen offenbar stark fordern. Angesichts des immer komplexeren Geschäfts erscheint plausibel, dass Noventi durch hohe Kosten belastet wird und der Aufsichtsrat nun in den allgemeinen Kostensteigerungen ein Problem erkennt. Vermutlich dürfte die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen dies verstärken, denn das Abrechnungs­geschäft von Noventi ist vielfach mit einer Vorfinanzierung der Abrechnungsgelder verbunden.

Böhm und Steimel betonen Verlässlichkeit

Die neue Strategie setzt auf Verlässlichkeit und Solidität. Dies wird aus einem Schreiben der neuen Vorstände an die Apotheken deutlich, das am 8. September bekannt wurde. Offenbar haben die Vorstände damit auf die Unruhe am Markt reagiert, die durch den plötzlichen Personalwechsel im Noventi-Vorstand entstanden war. In dem Schreiben mit dem Titel „Ihr verlässlicher Partner im Dienste der Apotheke vor Ort“ stellen sich Böhm und Steimel den Kunden vor. Sie beschreiben Noventi als verlässlichen Partner und seit 122 Jahren als zukunftssicheren Begleiter der Apotheken. „Das soll und das wird auch so bleiben“, betonen Böhm und Steimel und erklären: „Wir wissen, dass die Sicherheit der Rezeptabrechnung existenziell ist und wir sind sehr stolz darauf, dass es in unserer Unternehmensgeschichte noch nie zu einer eigenverschuldeten Verzögerung bei der Auszahlung der Rezeptabrechnung kam.“ Noventi habe ein festes, von der Apo-Bank geführtes Finanzierungskonsortium, das die Zahlungen an die Apotheken jederzeit sicherstelle.

Für die Abrechnung betonen sie die in den Vertragsbedingungen verankerte rechtliche Absicherung, bei der die Kunden bis zur erfolgten Auszahlung der Rezeptgelder uneingeschränkt Eigentümer der Rezepte bleiben würden. Zu dieser Zug-um-Zug-Abtretung verweisen die Vorstände auf ein früheres Schreiben von Noventi vom Mai dieses Jahres (siehe AZ 2021, Nr. 8 und DAZ 2022, Nr. 22, S. 14).

Rezeptabrechnung und Warenwirtschaft als Kerngeschäft

In ihrem aktuellen Brief beschreiben Böhm und Steimel das „Kerngeschäft Rezeptabrechnung und Warenwirtschaft“ und „ausgewählte Zukunftsprojekte“ als „Fundament für die vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit“ mit den Apotheken. Sie erklären aber nicht, welche Zukunftsprojekte weitergeführt werden sollen und welche nicht. Schließlich laden Böhm und Steimel die Kunden ein, sie persönlich am Messestand von Noventi bei der Expopharm zu treffen. |

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