Arzneimittel und Therapie

Mit Tirzepatid gegen Adipositas

Duales Wirkprinzip lässt auch bei Nicht-Diabetikern die Pfunde purzeln

Das duale Wirkprinzip von Tirzepatid konnte einer aktuellen Phase-III-Studie zufolge auch bei adipösen Nicht-Diabetikern überzeugen. Hier führte die einmal wöchentliche Gabe des GIP-/GLP-1-Rezeptoragonisten zu einem signifikanten Gewichtsverlust. Zulassungsstudien laufen derzeit.

Adipositas (Body Mass Index, BMI ≥ 30 kg/m2) ist die häufigste chronische Erkrankung weltweit – mehr als 650 Millionen Erwachsene sind betroffen – Tendenz steigend. Die Erkrankung ist mit einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko verbunden – so steigt u. a. das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Typ-2-Diabetes.

Die Pathophysiologie ist komplex und multifaktoriell – eine alleinige Lebensstilanpassung ist häufig nicht ausreichend. Diät und vermehrte Bewegung setzen physiologische Gegenregulationsmechanismen in Gang, die eine weitere Gewichtsreduktion limitieren und das Halten des erreichten Gewichts erschweren. Daher wird in einigen Leitlinien empfohlen, ergänzend auch medikamentös die Gewichtsreduktion bei Adipositas oder Übergewicht und dem Vorliegen mindestens einer gewichtsassoziierten Komorbidität zu unterstützen.

Dazu eignen sich Inkretin-Mimetika, von denen derzeit die beiden GLP-1-­Rezeptor-Agonisten Liraglutid (Saxenda®) und Semaglutid (Wegovy®) zur Gewichtsreduktion zugelassen sind.

Hoffnung weckt der neue Arzneistoff Tirzepatid, der die Wirkung zweier Inkretine vereint (s. S. 28).

Die SURMOUNT-Studie

In der SURMOUNT-1-Studie wurden die Wirksamkeit und Sicherheit von Tirzepatid bei Erwachsenen mit Adipositas oder Übergewicht, ohne Vorliegen eines Typ-2-Diabetes, untersucht. Die multizentrische, doppelblinde, randomisierte, kontrollierte klinische Phase-III-Studie wurde im Zeitraum von Dezember 2019 bis April 2022 an 119 Zentren in neun Ländern durchgeführt. Insgesamt wurden 2539 Probanden mit einem BMI ≥ 30 oder ≥ 27 und einer gewichtsbedingten Komplikation außer Diabetes (z. B. Hypertonie) in die Studie eingeschlossen; die Studienteilnehmer hatten mindestens eine erfolglose Diätbehandlung. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 44,9 Jahren; die meisten waren weiblich (67,5%). Zu Studienbeginn lag das mittlere Körpergewicht bei 104,8 kg und der durchschnittliche BMI bei 38,0 kg/m2; knapp 95% der Teilnehmer hatten einen BMI ≥ 30 kg/m2. Die Studienteilnehmer erhielten einmal wöchentlich Tirzepatid 5 mg, 10 mg oder 15 mg subkutan injiziert oder Placebo über einen Zeitraum von 72 Wochen, einschließlich einer 20-wöchigen Dosis-Eskalationsphase. Ergänzend erhielten alle Teilnehmer regelmäßige Lebensstil-Beratungen inklusive Ernährungsberatung zu gesunden und ausgewogenen Mahlzeiten mit einem Defizit von 500 Kalorien pro Tag und körperlicher Aktivität von mindestens 150 Minuten pro Woche.

Primäre Endpunkte waren die prozentuale Gewichtsveränderung im Vergleich zur Baseline und eine Gewichtsreduktion ≥ 5% nach 72 Wochen.

Mehr als 20% Gewichtsverlust

Alle drei Tirzepatid-Dosierungen waren der Placebo-Therapie überlegen – die mittlere prozentuale Gewichtsveränderung nach 72 Wochen lag in der 5-mg-Gruppe bei -15,0% (95%-KI: -15,9 bis -14,2), in der 10-mg-Gruppe bei -19,5% (95%-KI: -20,4 bis -18,5) und in der 15-mg-Gruppe bei -20,9 % (95%-KI: -21,8 bis -19,9) vs. -3,1% unter Placebo (95%-KI: -4,3 bis -1,9). Eine Gewichtsreduktion von ≥ 5% zeigten je nach Tirzepatid-Dosierung zwischen 85 und 91% der Teilnehmer – unter Placebo lediglich 35%. In der 10-mg-Gruppe zeigten nach 72 Wochen mehr als die Hälfte der Teilnehmer einen Gewichtsverlust von ≥ 20%; in der 15-mg-Gruppe lag der Anteil sogar bei 57% vs. 3% unter Placebo.

Darüber hinaus konnte in allen drei Tirzepatid-Gruppen eine Verbesserung der kardiometabolischen Risikowerte – insbesondere eine Reduktion des Taillenumfangs, des systolischen und diastolischen Blutdrucks, des Nüchterninsulinspiegels und der Fettwerte – festgestellt werden.

Unter Tirzepatid klagten die Teilnehmer am häufigsten über gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Diarrhö und Obstipation. Die Symptome waren meist mild bis moderat und traten vorwiegend während der Dosis­eskalationsphase auf.

Fazit

Die einmal wöchentliche Applikation von Tirzepatid führte in allen drei Dosierungen im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten und anhaltenden Gewichtsreduktion bei guter Verträglichkeit. Soeben ist für Tirzepatid in der EU die Zulassung für die Therapie des Typ-2-Diabetes erteilt worden (s. S. 28). Ob Tirzepatid auch zur Adipositas-Therapie zugelassen werden wird, wird von den derzeit laufenden weiteren SURMOUNT-Studien abhängen, mit deren Ergebnissen 2023 gerechnet wird. |

Literatur

Apovian CM et al. Pharmacological management of obesity: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2015; 100:342-62

DAZ. Tirzepatid senkt HbA1c und lässt die Pfunde purzeln; verfügbar unter: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2021/daz-47-2021/tirzepatid-senkt-hba-1c-und-laesst-die-pfunde-purzeln, letzter Zugriff 24.08.2022

DAZ.online. EMA empfiehlt Tirzepatid zur Zulassung gegen Diabetes mellitus Typ 2; verfügbar unter: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/07/25/ema-empfiehlt-tirzepatid-zur-zulassung-gegen-diabetes-mellitus-typ-2, letzter Zugriff 27.08.2022

DocCheck Flexikon. Adipositas; verfügbar unter https://flexikon.doccheck.com/de/Adipositas, letzter Zugriff 24.08.2022

Jastreboff AM et al. Tirzepatide Once Weekly fort he Treatment of Obesity. N Engl J Med 2022; 387:205-16

Wharton S et al. Obesity in adults: a clinical practice guideline. CMAJ 2020; 192(31):E875-E891

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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