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Beratung

Codein-haltige Tropfen nicht lieferbar

Welche Antitussiva sind noch zu haben?

Der Winter naht, die Erkältungssaison geht erst richtig los, und Apotheken verzweifeln schon jetzt an Lieferengpässen. Wieder ein Rezept über Tryasol® forte und wieder der Griff zum Telefonhörer: Nachdem nun auch die letzten Reserven des Hustenstillers zur Neige gegangen sind, bleibt Apothekenmitarbeitern nur die Rücksprache mit dem Verordner. Welche (verfügbaren) Alternativen kann man vorschlagen und wann wird sich die Liefersituation voraussichtlich entspannen? | Von Rika Rausch

Husten zählt in dieser Jahreszeit traditionell zu den häufigsten Beratungsanlässen. Da ist es besonders ärgerlich, dass ausgerechnet jetzt die medikamentöse Palette nicht aus­geschöpft werden kann, weil viele Präparate nicht lieferbar sind. Der Engpass von Codein-haltigen Hustentropfen wird die Apotheken voraussichtlich noch eine Weile beschäftigen.

Drei Wochen Husten normal

Die häufigste Ursache für den akuten Husten bei erwachsenen Patienten ist eine Virusinfektion der Atemwege (z. B. durch Rhino-, Adeno- und Coronaviren), die in der Regel selbstlimitierend ist. Bei Erkältungskrankheiten bessert sich die Symptomatik meist nach zwei bis fünf Tagen. Der Husten ist erst trocken, dann produktiv – im Unterschied zu einer akuten Exazerbation einer COPD oder einer Pneumonie, wo ein produktiver Husten im Vordergrund steht, und einer Grippe oder einer COVID-19-Erkrankung, wo er häufig trocken bleibt. Keuchhusten (Pertussis) beginnt erkältungsähnlich, erreicht nach etwa einem Monat seinen Höhepunkt als quälender Stakkatohusten und klingt dann über mehrere Wochen ab. Im letzteren Fall handelt es sich um eine bakterielle Infektion, weshalb hier der Einsatz von Antibiotika sinnvoll sein kann. Ein akuter Husten kann bis zu drei Wochen anhalten. Ab vier Wochen spricht man von subakutem, ab acht Wochen von chronischem Husten – spätestens dann ist die Grenze der Selbstmedikation erreicht.

Red Flags

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Bei Patienten mit akutem und subakutem Husten sollte bei diesen Anzeichen sofort zu einem Arztbesuch geraten werden:

  • Stridor
  • Dyspnoe
  • relevanter Abfall der Sauerstoffsättigung
  • Tachykardie
  • schaumiger Auswurf (Hinweis auf Lungenödem)

Nicht zwingend therapiebedürftig

Einen akuten Husten zu behandeln, hält die S2k-Leitlinie „Akuter und chronischer Husten“ im Regelfall für nicht notwendig, sofern keine Red Flags vorliegen (siehe Kasten „Red Flags“). Husten ist ein Schutzreflex des Körpers. Durch die lokale Entzündung wird eine bessere Durchblutung der Schleimhaut erzielt, die vermehrte Sekretproduktion begünstigt einen Abtransport von unerwünschten Partikeln und Stoffen aus den Atemwegen. Dieser Reinigungsmechanismus sollte nur medikamentös unterdrückt werden, wenn der Patient einen hohen Leidensdruck hat, und auch dann darf die Anwendung von Antitussiva nur kurzzeitig und bestenfalls zur Nacht erfolgen. Zumindest subjektiv kann eine Behandlung so zu einer Linderung von Beschwerden beitragen. Für die Wirksamkeit nicht-medikamentöser Therapien wie Inhalationen bei Atemwegsinfekten gibt es keine ausreichende Evidenz. Sie können aber auch nicht schaden und werden von einigen Patienten als förderlich für das Wohl­befinden und die Heilung angesehen. Auch für medikamentöse Maßnahmen ist die Evidenzlage durchwachsen. Unter den Expektoranzien schneiden Phytopharmaka noch am besten ab. Antitussiva wirkten in Studien hinsichtlich des Hustenreizes bei akutem Husten nicht besser als Placebo. Von einem Versorgungsengpass kann deshalb keine Rede sein, dennoch bedeuten Lieferschwierigkeiten immer einen erhöhten Aufwand. Als Hilfestellung hier ein Überblick der am Markt befindlichen Antitussiva:

Codein und Dihydrocodein
Die S2k-Leitlinie hebt Codein-haltige Hustenstiller als wirksam hervor, um den Nachtschlaf zu verbessern. Codein und Dihydrocodein werden in gewissem Ausmaß im Körper zu Morphin metabolisiert, das an die Opioid-Rezeptoren im Hustenzentrum des Hirnstamms bindet und den Husten zentral dämpft. Bei ausgesprochenem Patientenwunsch dürfen entsprechende Präparate bei nicht produktivem und quälendem Reizhusten kurzfristig zur Nacht angewendet werden. Im Hinterkopf behalten werden muss das nicht unerhebliche Abhängigkeitspotenzial. Auch wegen unerwünschter Wirkungen wie Sedierung, Atemdepression und Obstipation sind entsprechende Präparate der Verschreibungspflicht unterstellt. Vorsicht ist geboten in Kombination mit zentral dämpfenden Medikamenten (Psychopharmaka, Alkohol). Strikt kontraindiziert ist die gleichzeitige Gabe von MAO-Hemmern.

Derzeit sind keine Präparate mit Codein in Tropfenform lieferbar. Tabletten sind dagegen noch teilweise verfügbar (z. B. Codeinum phosphoricum Berlin Chemie, Codicompren 50 mg retard, Tussoret). Sie können als Alternative für Patienten ab 18 Jahren vorgeschlagen werden. Für Personen mit Schluckbeschwerden kommen auch flüssige Darreichungsformen auf Basis von Dihydrocodein (Paracodin® Sirup und Tropfen) infrage, die noch teilweise lieferbar sind. Der Sirup ist bereits für Kinder ab vier Jahren zugelassen.

Noscapin
Ebenfalls rezeptpflichtig sind Präparate mit Noscapin. Das nicht sedierende Alkaloid weist insgesamt ein im Vergleich zu anderen Opiaten geringeres Nebenwirkungsspektrum auf und hat kein bekanntes Abhängigkeitspotenzial. Ein wissenschaftlicher Beweis seiner Wirksamkeit steht allerdings aus. Bekannte Nebenwirkungen sind Übelkeit, Kopfschmerzen und Benommenheit. Noscapin kann die blut­verdünnende Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten ver­stärken. Capval® steht als Sirup, Tropfen und Tabletten zur Verfügung und ist bis dato noch von Lieferschwierigkeiten verschont geblieben. Die flüssigen Darreichungsformen sind bereits für Kinder ab sechs Monaten zugelassen, Tabletten ab sechs Jahren.

Dextromethorphan
Auch bei Dextromethorphan-haltigen Präparaten sieht die Lage derzeit noch entspannt aus, obwohl es auch hier immer wieder zu Engpässen kommt. Dextromethorphan weist zwar eine Opioid-Struktur auf, zeigt aber praktisch keine Affinität an Opiat-Rezeptoren. Die antitussive Wirkung beruht auf einem nicht-kompetitiven Antagonismus an NMDA-Rezeptoren und einem Agonismus an Sigma-Rezeptoren. Die S2k-Leitlinie bemängelt, dass die verfügbaren Studien überwiegend herstellerfinanziert sind. Man geht von einem begrenzten Nutzen aus, dem aber ein hohes Missbrauchspotenzial und eine Reihe von Interaktionen gegenüberstehen. Dextromethorphan wird über das CYP2D6-Enzym metabolisiert und sollte aus diesem Grund nur vorsichtig mit entsprechenden Substraten (z. B. Fluoxetin, Chinidin, Terbinafin, Cimetidin, Amiodaron, Sertralin, Bupropion, Methadon) kombiniert werden. Die Silomat DMP Lutschtabletten (à 10,5 mg) kommen bereits ab einem Alter von sechs Jahren in Betracht. Die Kapseln mit 30 mg Dextromethorphan (Hustenstiller ratiopharm) sind erst ab zwölf Jahren zugelassen, derzeit aber auch nicht lieferbar.

Pentoxyverin
Auch Pentoxyverin wirkt als Agonist an Sigma-Rezeptoren, daneben als Antagonist an muscarinergen M1-Rezeptoren. In der Folge wird die Aktivität von bestimmten Neuronen gedämpft, was den Husten lindern soll. Eine unerwünschte Wirkung ist Müdigkeit. Die Anwendung zentral dämpfender Arzneimittel und Alkohol kann zu einer Verstärkung der sedierenden Wirkung führen. Pentoxyverin ist ebenso wie Dextromethorphan nicht verschreibungspflichtig, seine Wirksamkeit ist aber schlechter erprobt. Noch ist der Markt ausreichend bestückt. Silomat bzw. Sedotussin® Saft und Tropfen sind ab zwei Jahren zugelassen.

Levodropropizin und Dropropizin
Seit Anfang des Jahres 2022 sind Präparate mit Levodropropizin rezeptfrei zu haben. Der Wirkmechanismus des nicht-opioiden Antitussivums ist noch nicht vollständig geklärt, man weiß aber, dass es afferente C-Fasern im Bronchialbaum hemmt. Ebenso wie Pentoxyverin dürfen es auch Patienten mit Asthma und COPD anwenden. Relevante Kontraindikationen sind produktiver Husten und eine stark eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion. Wechselwirkungen sind mit Ausnahme von sedierenden Arzneimitteln nicht zu befürchten. Nachteilig ist die kurze Wirkdauer von Levodropropizin mit einer Halbwertszeit von nur ein bis zwei Stunden. Das Präparat Quimbo® steht als Saft und Tropfen ab zwei Jahren zur Verfügung. Das Racemat Dropropizin ist als Larylin® Pastillen und Sirup ab zwölf Jahren verfügbar, ebenfalls für die Selbstmedikation.

Benproperin
Das nicht-opioide Antitussivum Benproperin hemmt den Hustenreiz im afferenten Teil des Reflexbogens. Im Gegensatz zu Codein wirkt es sogar atemanregend und kann auch bei eingeschränkter Atmung angewendet werden – bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Das Präparat Tussafug® ist eine Option ab sieben Jahren, aber zurzeit nicht lieferbar.

Phytopharmaka
Phytopharmaka auf Basis von Isländisch Moos, Eibisch und Malve können bei Reizhusten hilfreich sein, unterdrücken den Husten aber nicht im Sinne eines klassischen Antitussivums. Schleimstoffdrogen enthalten heterogene Polysaccharide, die mit Wasser visköse Schleime (Hydrogele) bilden. Die reizlindernde Wirkung hält allerdings nur so lange an, wie die entsprechenden Rezeptoren eingehüllt sind. Aus diesem Grund sollte nach der Einnahme für mindestens eine halbe Stunde nichts gegessen oder getrunken werden. Präparate auf Basis von Efeu wirken gleichzeitig als Hustenstiller und Hustenlöser und können nach ärztlicher Rücksprache bereits im Säuglingsalter gegeben werden.

Optionen in Schwangerschaft und Stillzeit

Laut dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin Embryotox darf Codein in begründeten Fällen bei hartnäckigem Reizhusten und Versagen physikalischer Maßnahmen kurzfristig als Antitussivum verwendet werden. Bei Verabreichung kurz vor der Entbindung muss mit Atemdepression, bei länger andauernder Anwendung (als Analgetikum) mit schweren Entzugserscheinungen beim Neugeborenen gerechnet werden, die auch bis zu 72 Stunden verzögert auftreten können. Als Antitussivum kommt alternativ Dextromethorphan infrage. Die Anwendung sollte jedoch auf wenige Tage beschränkt werden. Gleiches gilt für die Stillzeit, wobei bei Kindern mit Apnoe-Neigung Vorsicht geboten ist, da eine atemdepressive Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Möglich scheint auch die Anwendung von Präparaten mit Efeublätter-Trockenextrakt zu sein, obwohl systematische Studien zur Verträglichkeit in der Schwangerschaft fehlen. Es ist unbedingt auf eine alkoholfreie Zubereitung zu achten. Während der Stillzeit kann es zu einer Geschmacksveränderung der Milch kommen. Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, die gegen eine Anwendung von isla® moos während der Schwangerschaft und Stillzeit sprechen.

Ein Flaschen-Problem?

Auffallend ist, dass derzeit insbesondere flüssige Darreichungsformen von Lieferschwierigkeiten betroffen sind. Zumindest im Fall von Tryasol® forte ist nicht der Wirkstoff, sondern die Flasche das Problem: Als Grund für den Lieferengpass nennt Hersteller Aristo aktuelle Schwierigkeiten mit Zulieferern in der Lieferkette, die zu Änderungen der Primärpackmittel geführt haben. Diese Änderungen müssen von der Behörde genehmigt werden. Aristo rechnet mit dieser Genehmigung noch im Laufe des Novembers, sodass der Lieferengpass bestenfalls Ende des Monats behoben sein soll. Auch im Fall des seit Wochen nur kleckerweise verfügbaren NasenSpray-ratiopharm® Kinder geht das Gerücht um, dass es am Fläschchen liegt. Teva hält sich bedeckt, erklärt aber, dass die aktuellen Lieferengpässe auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sind. Fehlende Primärpackmittel seien nicht der Hauptgrund, so Teva. Codeintropfen-CT 1 mg, 30 ml sollen voraussichtlich ab Januar 2023 wieder lieferbar sein. Für die 15-ml-Flasche gibt es derzeit noch keinen Termin. |

 

Literatur

Akuter und chronischer Husten. S3-Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), AWMF-Register-Nr. 053-013, DEGAM-Leitlinie Nr. 11, Stand: Februar 2021

Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation. 5. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2021

Fach- und Gebrauchsinformationen der genannten Präparate

Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, www.embryotox.de

 

Autorin

Rika Rausch ist Apothekerin und Journalistin. Seit 2017 arbeitet sie neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke als freie Mitarbeiterin bei der DAZ.

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