Arzneimittel und Therapie

Levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva am sichersten

Erhöhtes Thrombose-Risiko neuerer kombinierter oraler Kontrazeptiva bestätigt

Hormonelle Kontrazeptiva geraten immer wieder wegen ihres Thrombose-Risikos in Verruf. Nun wurden erneut kombinierte orale Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation mit verschiedenen Gestagenen bei jungen Frauen untersucht. Dabei war das Risiko, eine venöse Thromboembolie zu entwickeln, bei einer Levonorgestrel-haltigen Kombination am geringsten.
Foto: rainbow33/AdobeStock

Zu diesem Ergebnis kamen die Autoren einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie, in der das Auftreten von venösen Thromboembolien (VTE) unter Einnahme von Gestagen-Estrogen-Kombinationen untersucht wurde. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) mit noch unklarem Thrombose-Risiko (Chlormadinon, Dienogest, Nomegestrol) [1].

Bereits im Jahr 2014 zeigte eine evidenzbasierte Überprüfung durch das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur, dass Kombinationspräparate, die Levonorgestrel, Nor­ethisteron und Norgestimat enthalten, mit jährlich fünf bis sieben VTE-Fällen pro 10.000 Frauen das niedrigste VTE-Risiko aufwiesen. Die höchste VTE-Inzidenz zeigten Drospiren­on, Gestoden und Desogestrel mit neun bis zwölf Fällen pro 10.000 Frauen und Jahr. Für eine Risikoeinschätzung von kombiniertem Chlormadinon, Dienogest und Nomegestrol lagen zum Bewertungszeitpunkt keine ausreichenden Daten vor [2]. 2018 konnte diese Datenlücke teilweise geschlossen werden. Das Risiko für Dienogest lag in der gleichen Größenordnung wie von Desogestrel, Gestoden und Drospirenon [3]. Entsprechend mussten die Fachinformationen angepasst werden.

Tab.: Risiken venöser Thromboembolien von oralen kombinierten Kontrazeptiva im Vergleich zu Levonorgestrel und Ethinylestradiol (< 50 µg) als Referenz (aOR = 1)
Gestagen-Komponente
Estrogen-Komponente
adjustierte Odds Ratio (aOR)
95%-Konfidenzintervall
Gestoden
Ethinylestradiol
5,05
1,23 bis 20,74
Dienogest
Ethinylestradiol
2,26
1,80 bis 2,84
Cyproteronacetat
Ethinylestradiol
2,15
1,43 bis 3,25
Chlormadinonacetat
Ethinylestradiol
2,06
1,58 bis 2,68
Desogestrel
Ethinylestradiol
1,93
1,44 bis 2,61
Norgestimat
Ethinylestradiol
1,90
0,62 bis 5,81
Drospirenon
Ethinylestradiol
1,89
1,41 bis 2,55
Nomegestrol
Estradiol
1,41
0,52 bis 3,81

Referenz Levonorgestrel

Um diese Datenlücke für die genannten Gestagen-Kombinationen weiter zu schließen, wurden in der aktuellen Studie 677.331 junge Frauen im Alter von 10 bis 19 Jahren mit erstattungsfähigen KOK-Neuverordnungen zwischen 2005 und 2017 aufgenommen. Die Informationserfassung erfolgte mithilfe der Pharmakoepidemiologischen Forschungsdatenbank (GePaRD) des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS). Im Studienzeitraum entwickelten 1166 Probandinnen eine venöse Thromboembolie, definiert als Lungenembolie oder tiefe Venenthrombose. Die Studie bestätigte für die Kombination aus Levonorgestrel und niedrig dosiertem Ethinylestradiol (< 50 µg) das niedrigste VTE-Risiko. Kombinierte orale Kontrazeptiva mit Nomegestrol, Chlormadinon und Dienogest waren mit einem 1,4- bis 2,3-fach erhöhten Risiko im Vergleich zum Levonorgestrel-Präparat assoziiert. Für die Kombination mit Gestoden konnte sogar ein fünffach erhöhtes Risiko gezeigt werden (siehe Tab.). Die Studienautoren weisen darauf hin, dass unterschiedliche Estrogen-Konzentrationen den direkten Vergleich der kombinierten Gestagene verzerrt haben können. |

Literatur

[1] Schink T et al. Use of combined oral contraceptives and risk of venous thromboembolism in young women: a nested case-control analysis using German claims data. BJOG 2022; 129(13):2107-2116, doi: 10.1111/1471-0528.17268

[2] Assessment report for combined hormonal contraceptives containing medicinal products. Bericht der Europäischen Arzneimittel-Agentur, 16. Januar 2014, EMA/739865/2013

[3] Kombinierte hormonale Kontrazeptiva – Dienogest/Ethinylestradiol. Rote-Hand-Brief, Dezember 2018

Apothekerin Judith Esch

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