Wirtschaft

Teuerfalle Eigenschäden

Warum Apothekenmitarbeiter niemals Repräsentanten sein sollten

Selbstverständlich haben Apotheken Werte- oder Inhalts­versicherungen abgeschlossen. Damit ist ein großer Teil des Inventars samt Medikamenten und anderen Waren im Lager bei Beschädigungen versichert. Doch was ist bei Schäden, die versehentlich durch das Apothekenteam selbst verursacht werden? Nicht selten heißt es dann: Eigenschäden sind nicht mitversichert. Ein Kostenrisiko, das Apotheken vermeiden sollten.

Die Versicherungslücke ist allgemein bekannt aus der Hausratversicherung und der Familienhaftpflicht: Schießt der Filius mit dem Fußball das Wohnzimmerfenster vom Nachbarn ein, zahlt die Ver­sicherung. Trifft es jedoch das eigene Haus, geht die Familie leer aus. Denn Schäden am eigenen Besitz sind durch die Policen nicht gedeckt, weil jedes Familienmitglied, das dort wohnt, als dem Policen­inhaber gleichgestellt angesehen wird.

Anders im gewerblichen Bereich: Hier wird nämlich zwischen Inhabern (sog. Repräsentanten) und angestellten Mitarbeitern unterschieden. Denn schließlich gilt: Wo gearbeitet wird, da geht auch mal was zu Bruch. Wenn das Inhabern passiert, können diese als Repräsentanten so gut wie nie auf Versicherungsschutz bauen (doch auch hier gibt es mittlerweile erste Ausnahmen). Unterlaufen jedoch Mitarbeitern Fehler, die Schäden an der Einrichtung oder den Vorräten der Apotheke ver­ursachen, sind diese zumindest weitgehend versicherbar.

Aber viele Werte- und Inhaltsversicherungen – also die „Apotheken-Hausrat-Police“ – schränken die Leistungspflicht bei Eigenschäden durch die „Repräsentantenklausel“ ein: Alle, die als Repräsentant gelten, können demnach rechtlich in vollem Umfang an die Stelle des Inhabers treten. Das Verhalten der Repräsentanten kann dem Apothekeninhaber daher in vollem Umfang zugerechnet werden.

Was bedeutet das im Alltag? Da geht es nicht nur um die sprichwörtliche Tasse Kaffee, die sich über die Tastatur ergießt … Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Mit­arbeiter legt im Labor ein für Weiterbildungszwecke überlassenes Tablet auf die Ablage. Wenig später deponiert eine Kollegin ein paar Papiere auf dem Gerät. Die Filialleiterin, die diese Papiere benötigt, greift sich den Stapel, übersieht aber das Tablet und selbiges kracht auf den Fliesenboden. Der Schaden beträgt rund 400 Euro.

Foto: benjaminnolte/AdobeStock
Schäden am Kommissionierautomat können teuer werden, wenn der Versicherer hier durch eine zu weit gefasste Repräsentantenklausel einen Eigenschaden geltend macht.

Nachlässigkeiten beim Kommissionierer können teuer werden

Nun ist ein Verlust von 400 Euro sicher sehr ärgerlich, aber doch keine Katastrophe. Eigenschäden können allerdings auch ganz andere Formen annehmen. Und die sind gar nicht mal so selten. Unachtsamkeiten sind beispielsweise bei Kommissionierautomaten mit die häufigste Schadens­ursache. So sind dem Autor allein aus dem engeren Kollegenkreis mindestens fünf Schadenfälle bekannt. Im Prinzip läuft es immer nach einem ähnlichen Muster ab: Es werden Gegenstände in dem Gerät belassen, die dort nicht hingehören. Meist sind es kleine Trittleitern oder sogenannte Elefantenfüße, die bei der Suche nach einer Packung oder für Reinigungs­arbeiten in den inneren Bereich des Kommissionierautomaten mitgenommen und dort vergessen werden. Oft weil der Mitarbeiter „vorne“ gebraucht wird, wenn z. B. ein Pharmareferent angekommen ist. Dann muss nur ein anderer Mit­arbeiter den Kommissionierer wieder in Betrieb setzen und schon wickelt sich der Greifarm um das Hindernis … Der typische Preis für eine solche Reparatur beträgt rund 20.000 Euro. Plus haufenweise Mehrarbeit für alle Apothekenmitarbeiter. Wenn der Versicherer hier durch eine zu weit gefasste Repräsentantenklausel einen Eigenschaden geltend machen kann, bleiben alle Kosten an der Apotheke hängen.

Ein weiterer Fall, der allerdings nicht zu einer Beschädigung des Inventars führte, hat es in den späten 1960er-Jahren sogar in das Magazin „Spiegel“ (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45921998.html) und andere Medien geschafft. Es geht um die branchenbekannte Verwechslung von Eugynon und Enzynorm. Zur Erinnerung: In Abwesenheit des Inhabers gab ein Angestellter einer Kundin anstelle eines Ver­hütungsmittels ein Magenpräparat. Die unbeabsichtigten Folgen waren neun Monate später in Form eines frischgeborenen Kindes auf der Welt. Ein Gericht verurteilte den Inhaber der Apotheke dazu, die Hälfte der Unterhalts­kosten für das ungeplante Kind zu übernehmen. Die andere Hälfte mussten die Eltern des Kindes tragen, weil sie den Beipackzettel des Magenpräparats nicht beachtet hatten.

Noch ein letzter Fall, der uns wieder in den Bereich der Werteversicherung zurückführt: Nach einer Weihnachtsfeier, bei der der Inhaber nachweislich früher gegangen war, um seinem Team noch eine Weile „unter sich“ zu gönnen, wurde am Ende vergessen, die Kerzen des Adventskranzes aus­zumachen. Mit der Folge, dass die Apotheke in diesem dem Autor bekannten Fall fast vollständig ausbrannte. Der reine Sachschaden lag bei knapp 500.000 Euro, plus noch mal halb so viel für die Betriebsunterbrechung. Auch wenn die Feuerversicherung grundsätzlich solche Schäden übernimmt, ist die Höhe der Versicherungs­leistung fraglich. Denn der Ver­sicherer könnte zumindest wegen grober Fahrlässigkeit die Leistung massiv kürzen. Fällt so etwas unter Eigenschaden, ist der Ruin kaum noch abwendbar. Bei der hier erwähnten Apotheke wurde der Schaden allerdings reguliert.

Wer gilt für den Versicherer als Repräsentant?

Diese Beispiele – und es gibt unzählige andere – zeigen, dass Einschränkungen des Versicherungsschutzes bei selbst verschuldeten Beschädigungen so gering wie möglich gehalten werden sollten. Doch wie bekommt man das hin? Zuallererst sollte die Festlegung der Repräsentanten im Versicherungsvertrag geprüft werden.

Viele Versicherer werten neben dem Versicherungsnehmer weitere Mitarbeiter – oft weisungsbefugte Angestellte und Führungskräfte – als Repräsentanten. Diese werden von Versicherern, entgegen den einschlägigen Regelungen im Apothekenrecht, dem Versicherungsnehmer gleichgestellt. In den Versicherungsverträgen heißt es in solchen Fällen – versicherungstechnisch verquast im Kleingedruckten –, dass sich der Apo­thekeninhaber die Kenntnis und das Verhalten seiner Repräsen­tanten zurechnen lassen muss. Wenn also als Repräsentanten angesehenen Mitarbeitern ein Missgeschick unterläuft, das zu einem Schaden am Apotheken­eigentum führt, wird dieses so behandelt, als wäre der Schaden durch den Versicherungsnehmer selbst verursacht worden.

Erste Aufgabe beim Abschluss einer Inhalts- oder Werteversicherung ist es daher, darauf zu achten, dass „nur der Policeninhaber persönlich“ als Repräsentant gilt, keine Filialleiter, Führungskräfte und auch sonst niemand. Mittlerweile gibt es sogar Anbieter, die selbst für Eigenschäden, die dem Inhaber persönlich zuzurechnen sind, bis zu einer bestimmten Summe voll und darüber hinaus in Teilen aufkommen. Und da auch Chefs nicht vor Fehlern gefeit sind, sollten nur solche Policen als apothekengerecht akzeptiert werden, die den Inhaber wenigstens teilweise schützen.

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Ein Wasserschaden im Labor, ein vergessener Elefantenfuß im Kommissionierer oder gar eine pandemiebedingte Schließung der Apotheke kann drastische Folgen für den Betrieb haben.

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Von Michael Jeinsen / Heiko Beckert
Versicherungen für Apotheken
Richtig absichern – Fehler vermeiden
2021, XIV, 194 S., 9 farb. Abb., 3 s/w Tab., 17,0 × 24,0 cm, kartoniert
Deutscher Apotheker Verlag
ISBN 978-3-7692-7629-9
 

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Wird auch bei grober Fahrlässigkeit reguliert?

Im Zusammenhang mit Eigenschäden kommt es unter bestimmten Umständen zu einer Verschärfung, die unbedingt beachtet werden sollte. So kann es leicht passieren, dass nach einer Beschädigung der Vorwurf der Fahrlässigkeit oder der groben Fahrlässigkeit erhoben wird. Fahrlässig verursachte Missgeschicke sind üblicherweise kein Argument für Versicherungen, um aus der Regulierung auszusteigen. Sollte das in Einzelfällen dennoch der Fall sein, wäre eine Anpassung dringend anzuraten. Anders sieht es beim Vorwurf der groben Fahrlässigkeit aus. Hier ist es durchaus üblich, dass Versicherer sich aus der Regulierung entsprechend der Schwere des Mitverschuldens zurückziehen.

Dabei sollten zumindest Schäden, die durch Mitarbeiter verursacht werden, regulierungspflichtig bleiben – auch bei grober Fahrlässigkeit. Das ist die Minimallösung. Besser wäre es allerdings, wenn selbst Inhaber eine Teilabsicherung erhalten, sodass tatsächlich selbst verursachte Beschädigungen durch den Versicherungs­nehmer nicht gänzlich ohne Ver­sicherungsschutz dastehen. Eine komplette Übernahme der Regulierung bei grober Fahrlässigkeit des Inhabers ist aktuell allerdings – soweit ersichtlich – nicht zu erhalten.

Noch problematischer wird es, wenn nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit, sondern der des Vor­satzes im Raum steht. Es ist zweifelsohne nachvollziehbar, dass Versicherungen nicht für Schäden aufkommen wollen, die vom Ver­sicherungsnehmer mit Absicht verursacht wurden. Doch wie sieht es aus, wenn Angestellte ohne das Wissen des Arbeitgebers einen Schaden bewusst verursachen? Genau in solchen Fällen sollten Apothekeninhaber geschützt sein. Denn gerade in der Gesundheitsbranche können Schäden sehr schwerwiegend und damit sehr teuer sein. Aber genau das bieten viele Absicherungskonzepte nicht. Deshalb sollten Inhaber dieses Problem, sofern es nicht bereits zufriedenstellend gelöst ist, unbedingt mit ihrem Versicherungs­berater besprechen. Denn Vorsatzhandlungen von Angestellten sollten nicht ahnungslosen Inhabern angelastet werden. Das gilt nicht nur für die Wertever­sicherung, sondern auch für die Betriebshaftpflicht. |

Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apo­thekenschutz beim BVSV, E-Mail: berlin@die-Apothekerhelfer.de

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