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Gesundheitspolitik
Lunapharm: Strafprozess gestartet
Anklage wegen gewerbsmäßigen Handels mit gefälschten Arzneimitteln
Gut fünf Jahre nachdem das ARD-Magazin „Kontraste“ den Fall „Lunapharm“ an die Öffentlichkeit brachte, hat jetzt auch die strafrechtliche Aufarbeitung begonnen: Am 11. Oktober war Prozessauftakt in Potsdam. Die Hauptverhandlung startete damit, dass das Verfahren gegen einen dritten Angeklagten, der über eine griechische Apotheke ohne Großhandelserlaubnis – und daher illegal – Arzneimittel an Lunapharm geliefert haben soll, abgetrennt wurde. Der 75-Jährige sei verhandlungsunfähig.
Verschleierte Vertriebswege
Die Staatsanwaltschaft verlas anschließend die Anklage. Demnach soll die Geschäftsführerin des im brandenburgischen Mahlow ansässigen Import-Unternehmens zwischen 2015 und Juni 2018 Medikamente über besagte Apotheke in Griechenland bezogen und in Deutschland vertrieben haben – im Fokus standen vor allem Krebsarzneimittel. Nachdem dieser Handel im Mai 2017 behördlich verboten worden war, sollen die beiden Angeklagten einen anderen Weg gesucht und gefunden haben: Bis Juli 2018 seien weitere Lieferungen von der griechischen Apotheke über Rechnungen eines Großhändlers aus Zypern verschleiert worden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Krautz-Zeitel „Parallelhandel“ vor: Die 56-Jährige habe teure Medikamente, die in europäischen Ländern zu unterschiedlichen Preisen gehandelt wurden, aus dem Ausland bezogen, teilweise neu verpackt und gekennzeichnet. Dann seien die Medikamente von Lunapharm in Deutschland an Apotheken oder Großhändler weiterverkauft worden. Damit habe sie Einnahmen in Höhe von 1,1 Millionen Euro erzielt.
Wann ist Parallelhandel strafbar?
Parallelhandel an sich ist allerdings keine Straftat, sondern ein übliches Geschäftsmodell, wenn auch eines, das nicht allen gefällt. Es gibt auch keine Hinweise, dass die Arzneimittel nicht wirksam waren. „Kontraste“ hatte seinerzeit zwar über zweifelhafte Lagerungsstätten sowie mutmaßlich in Kliniken gestohlene Ware berichtet – doch das ist offenbar kein Thema in der Anklage. Die nach der Aufdeckung der Affäre untersuchten Rückstellproben der über Lunapharm eingeführten Arzneimittel blieben unauffällig. Die Anklage stützt sich vielmehr darauf, dass die Bezugsquellen bzw. -wege wegen fehlender Erlaubnisse illegal waren und über die Vertriebswege falsche Angaben gemacht wurden. Auch in einem solchen Fall gilt ein Arzneimittel als „gefälscht“ (§ 4 Abs. 40 AMG) – und gefälschte Arzneimittel in Deutschland in den Verkehr zu bringen, ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar.
Krautz-Zeitel will diese Woche Stellung nehmen
Die Verteidiger der Lunapharm-Geschäftsführerin kündigten in der ersten Sitzung an, die Angeklagte werde am zweiten Verhandlungstag, der diese Woche Freitag angesetzt ist, umfassend zu der Anklage Stellung nehmen. In einer schriftlichen Erklärung betonte auch die Verteidigung, dass die Medikamente ohne Beanstandungen gewesen seien: „Irgendeine Täuschung oder gar Gefährdung von Patienten lag nie vor und wird der Geschäftsführerin auch nicht vorgeworfen.“
Eine Affäre mit Folgen
Die Lunapharm-Affäre brachte seinerzeit nicht nur die damalige Brandenburger Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) zu Fall. Sie war auch einer der Auslöser für das von der Großen Koalition in Berlin auf den Weg gebrachte Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), mit dem die Importförderklausel modifiziert wurde. Zwar war von vielen Seiten, auch der Apothekerschaft, gefordert worden, diese Klausel ganz aufzuheben – letztlich wurde sie aber nur für Biologika und onkologische Arzneimittel zur parenteralen Anwendung gestrichen.
Zudem beschäftigte der Fall die Justiz auf vielerlei Ebenen. Es ging nicht nur um die Frage der Herstell- und Großhandelserlaubnis, um die die Lunapharm-Geschäftsführerin vergeblich kämpfte. Krautz-Zeitel klagte auch gegen das Land Brandenburg, die „Kontraste“-Berichterstattung und gegen das Bundesgesundheitsministerium, seinerzeit vertreten durch Minister Jens Spahn (CDU). Sie war und ist überzeugt, stets korrekt gehandelt zu haben und fühlt sich zu Unrecht in ihrer Reputation geschädigt – sie klagte auf Unterlassung und Schadenersatz. Durchschlagenden Erfolg hatten ihre Klagen jedoch nicht – lediglich ein Teil der „Kontraste“-Aussagen wurde als unzulässige Verdachtsberichterstattung gewertet. Auch mit ihrer Forderung nach Schadenersatz konnte sich die Unternehmerin nicht durchsetzen.
Dass der Strafprozess mit einer solchen Verzögerung startet, erklärte ein Gerichtssprecher mit dem „sehr komplexen Verfahren“. Es sind zunächst 20 Verhandlungstage bis zum 6. März anberaumt. |
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