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Gesundheitspolitik
Industrie ist kritisch
Pläne von Habeck und EU
Die Pharmaindustrie wird in dem Papier als „starke Treiberin der Innovation“ bezeichnet. Die „Attraktivität des Pharmastandorts Deutschland“ soll gesteigert werden, indem „die Rahmenbedingungen für eine starke, nachhaltige und international wettbewerbsfähige Pharmaindustrie verbessert werden“. Genannt wird u. a. die „Weiterentwicklung des EU-Vergaberechts für kritische Arzneimittel“. Letzteres hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt, als er erstmals seine kurz- und mittelfristigen Pläne zur Bekämpfung der Lieferengpässe vorgestellt hat.
Überdies hat die EU-Kommission am vergangenen Mittwoch ein Strategiepapier mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen gegen den Arzneimittelmangel vorgelegt. Demnach soll noch diesen Oktober ein „freiwilliger Solidaritätsmechanismus für Arzneimittel“ ins Leben gerufen werden, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen. Bis Jahresende soll dann eine „Liste von unverzichtbaren Arzneimitteln“ erarbeitet und Anfang 2024 geänderte Leitlinien zur Beschaffung von Arzneimitteln vorgelegt werden. Ziel ist letztlich auch hier, die Produktion verstärkt zurück in die EU zu holen.
Aber die deutschen Pharmaverbände bleiben kritisch gegenüber den Plänen aus Berlin und Brüssel. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) erklärte zu Habecks Debattenvorschlag, eine Industriestrategie sei „mehr als überfällig“. Präsident Han Steutel forderte „erstens einen klaren Kompass hinsichtlich des uneingeschränkten Schutzes geistigen Eigentums, zweitens klare, effiziente und schnelle bürokratische Prozesse in der Genehmigung von Investitions- und Forschungsvorhaben, und drittens einen stabilen, planbaren und innovationsfreundlichen Gesundheitsmarkt“.
Keine „Zombiefabriken“
Pro Generika unterstützt den Ansatz des Wirtschaftsministeriums und begrüßte auch die Pläne der EU, wie Geschäftsführer Bork Bretthauer gegenüber der AZ erklärte. Als Beispiel nannte er u. a., dass die EU in einem koordinierten Verfahren wichtige Arzneimittel beschaffen und einlagern will. Kritik äußerte er allerdings an Deutschland, das sich in dieser Frage „gegenüber unseren europäischen Nachbarn unsolidarisch verhalten“ habe, „indem es vorgeprescht ist und Generikaunternehmen mit dem ALBVVG sechs Monate Lagerhaltung ausschließlich für Deutschland auferlegt hat“. Das verschärfe mögliche Engpassprobleme in anderen Ländern.
Gut findet Pro Generika auch, dass die „hiesige Produktion lebenswichtiger Arzneimittel mit Investitionszuschüssen unterstützt werden soll“. Die höheren Produktionskosten müssten sich aber auch in den Erstattungspreisen spiegeln, ansonsten hätte man „Zombiefabriken“, die „dauerhaft finanziell unterstützt werden müssen“.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) steht den Plänen der EU-Kommission zwiespältig gegenüber. An dem Maßnahmenpaket gegen Lieferengpässe begrüße man „insbesondere die regulatorischen Flexibilitäten, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Ausnahmeregelungen zu treffen, um schneller Arzneimittel für Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen“, hieß es gegenüber der AZ.
Doppelstrukturen vermeiden
„Wichtig ist, Doppelstrukturen auf EU-Ebene und in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu vermeiden und die Prozesse so gut es geht zu harmonisieren.“ Wie auch Pro Generika sieht der BPI insbesondere die Pläne zur Arzneimittel-Bevorratung kritisch. Dies habe man bereits beim Engpassgesetz (ALBVVG) deutlich gemacht. „Wenn betreffende Arzneimittel, Wirkstoffe sowie Vorprodukte nicht lieferbar sind, können sie auch nicht gehortet werden.“
Übertriebene Ökonomisierung
Der Europa-Abgeordnete Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im EU-Parlament, erklärte, es sei „allerhöchste Zeit, dass die Europäische Kommission hier tätig wird“. Die Änderungen bei den Ausschreibungen, also bei der Beschaffung, seien für ihn „langfristig der wichtigste Punkt“ in der Strategie. Insbesondere bei Generika sei zu sehr „an der Preisschraube gedreht“ worden.
Der Vorstandschef des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, Thomas Rochell, erklärte dazu: „Seit Jahren erleben wir in der ambulanten Versorgung Probleme mit Arzneimittellieferungen.“ Man sei Zeuge „einer übertriebenen Ökonomisierung in der Daseinsvorsorge, sei es in Kliniken, Arztpraxen oder Apotheken“. Europa müsse „zusammenarbeiten und überlegen, wie und wo Wirkstoffe regional produziert werden können“. |
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