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Gesundheitspolitik
Telemedizin-Plattformen unter Beobachtung
AKWL und AKNR wollen nach juristischem Erfolg gegen Shop Apotheke / Zava wachsam bleiben
2020, als die Corona-Pandemie auf ihrem Höhepunkt war, dachten sich der niederländische Arzneimittelversender Shop Apotheke und der mittlerweile in Irland ansässige Telemedizinanbieter Zava, es sei eine gute Idee, den Menschen Hand in Hand ganz bequem online zu Rezept und Arzneimittel zu verhelfen. Doch die gemeinsame Werbeaktion kam in Apothekenkreisen nicht gut an. So fand sich damals auf der Webseite der Shop Apotheke direkt der Zugang zu Zava. Auf dieser Plattform konnten (und können) Patienten eine Indikation „aussuchen“, einen medizinischen Fragebogen ausfüllen und erhalten dann das Rezept von Zava oder auf Wunsch das Arzneimittel von einem Versender.
Verbotene Zuweisung
Hierin sahen AKWL und AKNR einen Verstoß gegen das in § 11 Apothekengesetz (ApoG) normierte Verbot der Patientenzuführung sowie eine nicht zulässige Bewerbung für eine Fernbehandlung (§ 9 Heilmittelwerbegesetz) mittels Online-Fragebogen. Darüber hinaus hielten sie am Vorgehen der beiden Unternehmen einiges für irreführend – etwa den fehlenden Hinweis, dass Zava nicht in Deutschland ansässig ist. Und so zogen die Kammern gemeinsam gegen Shop Apotheke vor Gericht und machten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
Bereits im Oktober 2021 gab das Landgericht Köln der Klage statt. Insbesondere in der Darstellung der Zusammenarbeit sah man hier einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot. Ebenso bejahte das Gericht einen Verstoß gegen das Fernbehandlungswerbeverbot. In den von Zava angebotenen Indikationen sei nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nämlich erforderlich. Auch hinsichtlich der Irreführungsaspekte folgte das Gericht der Argumentation der Kammern. Auf die Berufung der Shop Apotheke bestätigte das Oberlandesgericht Köln im Juni 2021 die erstinstanzliche Entscheidung. Die Revision ließ es nicht zu. Daraufhin legte Shop Apotheke Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) ein. Doch auch damit kamen die Niederländer nicht weiter. Wie AKWL und AKNR vergangenen Mittwoch mitteilten, haben die Karlsruher Richter die Beschwerde zurückgewiesen. Es liege kein Revisionsgrund vor und auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hält der BGH nicht für erforderlich (Beschluss vom 9. Februar 2023, Az.: I ZR 114/22).
AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und AKNR-Präsident Armin Hoffmann betonen in ihrer Pressemitteilung, dass ihnen Geschäftsmodelle, bei denen die Vorzüge der Telemedizin dahingehend missbräuchlich genutzt werden, dass Patienten einzig und allein durch das Ausfüllen von Fragebögen zu einer Verordnung gelangen, „schon lange ein Dorn im Auge“ seien. Dem trete man konsequent entgegen, um Patienten zu schützen.
Dass Apothekerkammern kritisch auf Telemedizinanbieter blicken, ist nicht abwegig – zumal nicht, wenn dabei der Arzneimittelbezug in den Vordergrund gerückt wird. „Wir müssen unsere Kammerangehörigen und die Teams in den Apotheken davor schützen, dass sie mit Verschreibungen konfrontiert werden, die das Ergebnis von fragwürdigen telemedizinischen Dienstleistungen sind und bei denen die anerkannten medizinischen Standards nicht eingehalten werden“, erklärt Bettina Mecking, Justiziarin der AKNR. Immer wieder gebe es Anfragen, wie mit diesen Verschreibungen umzugehen sei. „Bestehen erhebliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Verschreibung, so können wir es den Apothekerinnen und Apothekern sowie PTA nicht zumuten, hier die Arzneimittel auszugeben.“
AKWL-Justiziar Sören Cromberg verweist darauf, dass die Situation für die Teams nicht immer einfach sei – schließlich unterliegen die Apotheken grundsätzlich dem Kontrahierungszwang. „Uns geht es darum, die gesetzlichen Vorgaben weiter zu schärfen, damit sich unsere Kammerangehörigen und ihre Mitarbeiter vor Verschreibungen dieser Art schützen können und sich nicht dem Risiko ausgesetzt sehen, in diesen Fällen durch die Abgabe von Arzneimitteln gegen das Arzneimittelrecht zu verstoßen“, erklärt Cromberg.
Persönlicher Kontakt bleibt Goldstandard
Den BGH-Beschluss empfinden die Kammern als Bestätigung, auch weitere derartige Konzepte unterbinden zu lassen. Der Schulterschluss mit den Ärzten sei dabei von großer Bedeutung, da es auch nicht in ihrem Interesse sei, dass durch derartige Geschäftsmodelle der persönliche Kontakt zum Patienten nach und nach schwinde. Der persönliche Kontakt, gleich ob in der Arztpraxis oder in der Apotheke, ist nach Auffassung der Kammern nach wie vor der Goldstandard, der an der einen oder anderen Stelle durch alternative Leistungsangebote ergänzt, aber nicht verdrängt werden darf. |
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