DAZ aktuell

Medizinalcannabis-Verbände fordern weitere Reformen

G-BA beschließt in Arzneimittelrichtlinie Details zur Versorgung mit Medizinalcannabis

ks | Vergangene Woche hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seinen Beschluss zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie im Hinblick auf die Versorgung mit Medizinalcannabis getroffen. Die neuen Detailregelungen hielten sich streng im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, betonte G-BA-Chef Josef Hecken in der Plenumssitzung (siehe auch AZ Nr. 12, 2023, S. 2). Das sorgt bei Cannabis-Fachverbänden wie dem Verband der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) für Erleichterung – Nachbesserungs­bedarf sieht man dennoch.

Im Einzelnen gilt bei der Verordnung von Medizinalcannabis nach dem G-BA-Beschluss künftig Folgendes:

  • Nur die Erstverordnung von Cannabis sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form bedürfen keiner erneuten Genehmigung. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt worden ist, gilt diese auch weiterhin.
  • Die Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
  • Cannabis-Verordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
  • Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabis­therapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungs­pflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
  • Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt alle Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.

Hecken erklärte dazu: „Ich bin mir sicher, dass mit dem Verzicht auf erneute Genehmigungen von Folgeverordnungen und im Rahmen der SAPV, einer Verordnungsbefugnis für alle Ärztinnen und Ärzte, und dem auch im Gesetz angelegten verkürzten Prüfverfahren nach stationärer Behandlung und in der AAPV nicht nur der gesetzgeberische Wille umgesetzt worden ist, sondern auch eine im Bedarfsfall zeitnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis ermöglicht wird.“

Verbände: Beschluss zeigt Wichtigkeit von Medizinalcannabis

Die acht Fachverbände, die Apotheken (VCA), Ärzte (u. a. ACM, DMCG), Patienten (BDCan, SCM) sowie die Cannabiswirtschaft vertreten und die schon im der Beschlussfassung vorangegangenen Stellungnahme­verfahren gemeinsam vor einer Verschlechterung der Versorgung gewarnt haben, kommentieren auch jetzt wieder gemeinsam. Ihr Fazit: Der G-BA ist dem komplexen Thema weitgehend gerecht geworden, indem er sich eng im gesetzlichen Rahmen hielt. Bei einem Punkt fühlen sie sich jedoch überrumpelt.

Blüten doch nachrangig?

Lange wurde um eine Formulierung gerungen, die die Kassenseite gerne in der Richtlinie gesehen hätte, um die Nachrangigkeit von Blüten gegenüber Fertigarzneimitteln zu betonen – ihre Verordnung sollte „besonders“ begründet werden. Im gefassten Beschluss hat man noch die Extrakte an die Seite der Blüten aufgenommen sowie auf die „besondere“ Begründung verzichtet. So heißt es nun: „ Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere Cannabis-haltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind. Die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten ist zu begründen.“ Das sehen die Verbände nicht als vom Gesetzgeber gedeckt. Auch die Diskussion im G-BA-Plenum habe eigentlich vermittelt, dass eine Nachrangigkeit von Blüten nicht gewollt sei. „Eine Klarstellung ist hier notwendig, um in der Praxis keine zusätzlichen Hürden zu schaffen“, fordern daher die Verbände.

Überdies sollte der Gesetzgeber aus ihrer Sicht den gesamten Rechtsrahmen noch in diesem Jahr überarbeiten. Dies sei nach sechs Jahren Erfahrung angebracht. Denn es gebe noch „großen Optimierungsbedarf“. So führe etwa der Genehmigungsvorbehalt weiterhin zu Ablehnungsquoten von 30 bis 40 Prozent – dabei soll die Ablehnung laut Gesetz die Ausnahme sein. Derzeit arbeiten die Verbände an konkreten Vorschlägen für eine solche Reform; ein Positionspapier soll in den nächsten Wochen veröffentlicht werden.

Der G-BA-Beschluss tritt in Kraft, wenn das Bundesgesundheitsminis­terium ihn nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat. |

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