Interpharm 2023

Arzneimittel als Mikronährstoffräuber

Wie man in der Apotheke bei drohendem Mangel gegensteuern kann

cb | Viele Arzneimittel, die als Dauermedikation angewendet werden, können den Stoffwechsel und damit die Verfügbarkeit von Vitaminen und Mineralstoffen im Organismus stören. Einige von ihnen haben sich als wahre Mikronährstoff-Räuber entpuppt, die sogar zu Mangelzuständen führen können, Apotheker und Mikronährstoff-­Experte Uwe Gröber erläuterte.

Besondere Aufmerksamkeit sollte bei diesem Thema älteren Menschen gewidmet werden, denn sie nehmen Untersuchungen zufolge häufig neun oder mehr Medikamente dauerhaft ein. Der Fokus auf Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen könnte die Lebensqualität dieser Patienten deutlich verbessern und nicht zuletzt der gesetzlichen Krankenversicherung sogar Kosten einsparen, betonte Gröber.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Uwe Gröber war auch nach seinem Vortrag zum Thema Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen gefragt.


Bei der Anwendung von Statinen führt die Hemmung der HMG-CoA-Reduktase zu geringeren Mevalonat-Konzentrationen. Mevalonat ist auch ein Ausgangsstoff für die Synthese von Selenoprotein, Vitamin K2 und Coenzym Q10, sodass unter einer Statintherapie ein Mangel an diesen Mikronährstoffen auftreten kann. Eine 2018 veröffentlichte Metaanalyse einer chinesischen Arbeitsgruppe [Qu et al. Eur J Med Res 2018] hat dies eindrücklich gezeigt. Die Analyse von zwölf randomisiert-kontrollierten Studien mit 1776 Patienten ergab eine im Vergleich mit Placebo signifikante Reduktion der Coenzym-Q10-Plasmakonzentrationen, unabhängig von der Behandlungsdauer und der Wirkstärke des Statins. Die Autoren schlussfolgen aus ihrer Analyse, dass der Q10-Mangel ein Grund für die Statin-assoziierten muskulären Nebenwirkungen sein könnte und empfahlen die Supplementation unter einer Statintherapie.

Erhöhter Vitamin-D-Bedarf

Sehr lang ist die Liste derjenigen Arzneimittel, die den Bedarf an Vitamin D erhöhen können. „Womöglich gibt es noch viel mehr Wirkstoffe, von denen wir noch gar nicht wissen, dass sie den Vitamin-D-Stoffwechsel stören“, vermutete Gröber. Zu den bekannten zählte er Antiepileptika wie Carbamazepin und Phenytoin, Antihypertonika wie Nifedipin, Glucocorticoide wie Prednison und Dexamethason, antiretrovirale Arzneimittel wie Saquinavir, Ritonavir oder Efavirenz, Chemotherapeutika wie Paclitaxel oder Epirubicin, Antihormone wie Cyproteron­acetat oder Tamoxifen sowie auch Hyperforin als Inhaltsstoff von Johanniskraut.

Auch bei viralen Infektionen ist der Bedarf an bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen erhöht. Allgemein bekannt ist der Nutzen einer Einnahme von Zink oder Vitamin C zur Unterstützung des Immunsystems, doch die Palette der empfehlenswerten Mikronährstoffe ist nach Gröbers Ansicht viel breiter. Denn nach und nach wurden und werden die Mechanismen aufgeklärt, wodurch auch die Vitamine A und D, Selen sowie Omega-3-Fettsäuren das Immunsystem unterstützen können. In den Fokus gelangte dieses Thema insbesondere während der Corona-Pandemie. Vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, insbesondere wenn sie in Pflegeheimen oder anderen geriatrischen Einrichtungen leben oder stationär aufgenommen werden müssen, sind häufig von Malnutrition betroffen und damit auch unzureichend mit Mikronährstoffen versorgt. Sie könnten von einer Supplementation profitieren, gegebenenfalls bietet sie auch einen Schutz vor Long- und Post-COVID. Gröber empfahl außerdem eine Prä-Supplementierung vor einer Corona-Impfung. Sie sollte sieben bis zehn Tage vor der Impfung und mindestens vier bis sechs Wochen danach durchgeführt werden. Empfohlen werden Dosierungen von

  • Vitamin A: 30 bis 50 IE pro kg KG
  • Vitamin D: 50 bis 80 IE pro kg KG
  • Selen: 2 bis 3 µg pro kg KG
  • Zink: 0,2 bis 0,5 mg pro kg KG
  • Omega-3-Fettsäuren: 30 bis 60 mg EPA/DHA pro kg KG. |
     

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