DAZ aktuell

Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität

Öffentliche Anhörung zum ALBVVG / ABDA-Präsidentin macht Änderungsbedarf deutlich

ks | Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) hat den nächsten Schritt im parlamentarischen Verfahren genommen: Am vergangenen Montag fand im Gesundheitsausschuss des Bundestags die öffentliche Anhörung zum Regierungsentwurf statt. Erwartungsgemäß hatten die geladenen Expertinnen und Experten viel zu kritisieren. Auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte mehrfach Gelegenheit sich zu äußern – dabei zeigte sie auch auf, warum das ALBVVG mit ein Grund für den Protesttag am 14. Juni war.

Rund 90 Minuten hatten die Mitglieder des Gesundheitsausschusses Zeit, die Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden sowie Einzelsachverstän­dige zu befragen. Was halten sie von den geplanten Ausschreibungsregeln für Antibiotika, was von den erhöhten Lagervorgaben, den lockereren Preisregeln für Kinderarzneimittel und dem Frühwarnsystem für Engpässe? Schon die schriftlichen Stellungnahmen hatten gezeigt, dass es viel am Gesetzentwurf zu kritisieren gibt. Die Probleme würden nicht an der Wurzel gepackt, lautet einer der gängigsten Vorwürfe. Gegenstand der Anhörung waren aber auch drei Anträge der Oppositionsfraktionen, die alle auf ihre Art das Engpass-Thema angehen.

Präqualifizierungsverfahren – was bringt der Verzicht?

Die ABDA hatte sich schon in ihrer schriftlichen Stellungnahme vor allem mit den Punkten des ALBVVG-Entwurfs befasst, die speziell Apotheken betreffen. Auch diese wurden in der Anhörung mehrfach angesprochen und Overwiening fand einige Gelegenheiten, die Haltung der Apothekerschaft nochmals zu verdeutlichen. Zunächst wollte Dirk Heidenblut (SPD) wissen, was ein Verzicht auf ein gesondertes Präqualifizierungsverfahren für Apotheken bewirken würde. Zu diesem Thema lag am vergangenen Montag zwar noch kein Änderungs­antrag vor – doch die Regierung hatte in ihrer Gegenäußerung zur ALBVVG-Stellungnahme des Bundesrats schon die Bereitschaft erkennen lassen, sich dieses Problems anzunehmen. Overwiening verwies darauf, dass es sich bei den in der Apotheke abgegebenen Hilfsmitteln meist um solche handele, die dazu dienten, dass Arzneimittel richtig angewandt werden – beispielsweise Insulinpens oder Spritzen. Insofern sei die Präqualifizierung eine Doppelbelastung für die Apotheken und ein hoher bürokratischer Aufwand. Zwar sei die Idee, die Qualität sichern zu wollen, gut, betonte die ABDA-Präsidentin. Bei den Apotheken werde dies aber bereits über die Apothekenbetriebserlaubnis sichergestellt, Kontrollen inklusive. Andere Anbieter von Hilfsmitteln treffe diese Doppel­belastung nicht.

Anders sah dies der ebenfalls befragte Vertreter von „Wir versorgen Deutschland“ – einem Verband, der verschiedene Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich vertritt. Hier lehnt man eine Sonderbehandlung der Apotheken entschieden ab. Vielmehr sollte das aufwendige Präqualifizierungsverfahren für alle verschlankt und reformiert werden, sagte Patrick Grunau. Nur Apotheken auszuschließen, untergrabe den fairen Wettbewerb unter den Leistungserbringern, zerstückele das System der Zulassung und gefährde die einheitliche Versorgungsqualität.

Erheblicher Mehraufwand für die Apotheken

Für die Unionsfraktion fragte dann ihr gesundheitspolitischer Sprecher, Tino Sorge (CDU), bei der ABDA nach, was sie für eine kostendeckende Vergütung für das Engpassmanagement hält. Denn die Union fordert in ihrem eigenen Antrag zur Engpassproble­matik, „Dienstleistungen in Apotheken, die zur präventiven Vermeidung von Lieferengpässen dienen, kosten­deckend zu vergüten“. Hier erläuterte Overwiening die Berechnungen der ABDA, wonach für eine „Nichtverfügbarkeitsbewältigung“ 21 Euro angemessen seien. Die Aufwendungen der Apotheken, um Patienten bei Lieferengpässen noch versorgen zu können, nähmen viel Zeit in Anspruch, betonte sie, mindestens sechs Stunden seien es wöchentlich.

Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, war von der AfD als Einzelsachsverständige geladen. Sie schilderte nochmals anschaulich, was eine Apotheke alles tun muss, wenn sie ein Rezept bedient und das Arzneimittel nicht verfügbar ist – und was über die normale Kontrolle der zahlreichen Anforderungen an eine korrekt ausgestellte Verordnung hinausgeht. Das sind etwa Abfragen bei mehreren Großhändlern, aber auch Arztrücksprachen, die nicht immer ganz einfach sind und oft damit enden, dass der Patient in die Praxis zurückmuss, um sich ein neues Rezept ausstellen zu lassen. Das Ganze könne mal 20 Minuten in Anspruch nehmen, aber auch zwei bis drei Tage dauern, so Hänel.

Wann ist Nullretax angemessen?

Kordula Schulz-Asche (Grüne) schnitt sodann das Thema Nullretax an – und fragte, in welchen konkreten Fällen von Formfehlern eine Retaxation auf Null angemessen sei. Overwienings klare Antwort: „Nullretaxation ist nie angemessen.“ Das könnte höchstens der Fall sein, wenn das abgegebene Arzneimittel gar nichts mit dem verordneten zu tun habe. Aber es gehe in der Praxis vor allem um Formfehler – und Fälle, in denen der Patient ordentlich versorgt wurde. Hier könne es keine Berechtigung geben, die Bezahlung des Arzneimittels und der apothekerlichen Leistung vollständig zu verweigern.

Prozentuale Marge deckeln?

Paula Piechotta, ebenfalls von den Grünen, hatte sodann eine Frage zum Apothekenhonorar – allerdings in eine etwas andere Richtung: Sie hakte beim AOK-Bundesverband nach, warum aus seiner Sicht der prozentuale Apothekenzuschlag bei besonders teuren Arzneimitteln gedeckelt werden sollte. Hier sagte die AOK-Vertreterin Sabine Jablonka, dass Apotheken natürlich angemessen honoriert werden müssten. Doch die prozentuale Marge komme aus einer Zeit, als man Höchstpreise für Fertigarzneimittel, wie es sie heute teilweise gibt, noch nicht kannte. Sie verwies aber auf moderne Gentherapien – so koste Hemgenix (zur Behandlung von Hämophilie B) in den USA 3,5 Millionen Dollar. Da falle auch eine 3-Prozent-Marge für Apotheken hoch aus – und man müsse über eine Deckelung, wie man sie auch beim pharmazeutischen Großhandel habe, nachdenken.

Grund zum Protest gibt es zu genüge

Kathrin Vogler von der Linksfraktion ging auf die geplanten Proteste der Apotheken ein – schließlich sei es eher selten, dass Apotheken „auf die Barrikaden“ gehen. Gebe es da einen Zusammenhang mit den ALBVVG-Regelungen? Ja, erläuterte Overwiening: Die Apotheken stünden massiv unter Druck – alle 17 Stunden schließe mittlerweile eine Betriebsstätte für immer. Sie hätten große Hoffnung gehabt, dass mit dem ALBVVG ihre Entscheidungskompetenzen bei Lieferengpässen, die ihnen in der Pandemie ein­geräumt wurden, „komplett gerettet“ werden könnten. Doch nun sei eine bürokratische Verschlechterung angedacht. Hier werde sichtbar, dass die Regierung eine angemessene Vergütung der Apotheken nicht im Fokus habe. Unter diesem Druck habe die Apothekerschaft ihre Proteste für kommenden Mittwoch vorgesehen.

Nachbesserungsbedarf bei erweiterten Austauschregeln

Auch die letzte Frage der Anhörung richtete sich an die ABDA-Präsidentin. Dirk Heidenblut wollte wissen, wo genau die Verschlechterungen bei den Austauschregeln lägen. Overwiening erklärte, dass auch ein Austausch der Darreichungsformen möglich sein und maximal eine Abfrage beim Großhandel ausreichen müsse. In der schrift­lichen Stellungnahme hatte die ABDA bereits erneut angeregt, bei den erweiterten Austauschregeln primär auf die in der Apotheke vorrätigen Arzneimittel abzustellen. So könne die Abgabe eines wirkstoffgleichen Arzneimittels zügig und flexibel geschehen – ohne Bestellvorgänge auszulösen, Patienten erneut in die Apotheke zu bestellen und viel zu dokumentieren. Weiterhin sollen nach Auffassung der ABDA Apotheken auch ein selbst hergestelltes Rezeptur- oder Defekturarznei­mittel abgeben dürfen. Und wenn gar nichts zu haben ist oder Notdienst ist und es schnell gehen muss, soll auch der Aut-simile-Austausch möglich sein – nach Rücksprache mit dem Arzt, wenn dieser erreichbar ist. Nicht zuletzt müssten in diesen Fällen Beanstandungen und Retaxationen der Krankenkassen unterbleiben.

Nun bleibt abzuwarten, welche Anregungen die Abgeordneten mitnehmen, wenn sie an Änderungsanträgen für das Gesetz feilen. Acht Anträge lagen zur Anhörung bereits vor – doch es werden sicherlich noch mehr. |

 

Der DAV-Rezeptursommer startet

Am 12. Juni war Sommeranfang – Rezeptursommeranfang. Im Rahmen der akkreditierten Online-Fortbildungsreihe „DAV-Rezeptursommer“ präsentiert der Deutsche Apotheker Verlag im Wochen-Rhythmus sechs aufgezeichnete Vorträge zu kniffligen Rezepturthemen. Los ging es in dieser Woche mit Suppositorien zur rektalen und vaginalen Anwendung.

Mit den anhaltenden Engpässen im Bereich der Kinderschmerzmittel sind Zäpfchen in der Rezeptur vieler Apotheken fast zur Normalität geworden. Denn eigentlich kommen Zäpfchen und vaginale Arzneiformen in der Apotheken­rezeptur eher selten vor, Verordnungen darüber werden daher oft mit einem leicht unguten Gefühl angenommen. Warum das gar nicht notwendig ist und mit welchen Tipps und Arbeitsabläufen auch Suppositorien sicher und effizient hergestellt werden können, erfahren Teilnehmende im ersten Vortrag des diesjährigen Rezeptursommers von Apothekerin Dr. Jana Brüßler. Definitionen und Besonderheiten der verschiedenen Grundmassen bilden die Grundlage für den ausführlichen Teil zum Umgang mit einschlägigen Verordnungen in der Rezeptur. Angereichert mit zahlreichen Herstellungsvideos gibt es eine detaillierte Auffrischung der theoretischen Grundlagen und Techniken für die Zäpfchenherstellung mit den verschiedenen Hilfsmitteln und Herstellungsmethoden.

Im Wochenrhythmus steht nun ein neues Thema zur Verfügung: vom Zäpfchen­gießen und der Verwendung maschineller Rührsysteme, über Augenzubereitungen und Probleme, die bei der Verarbeitung grenzflächenaktiver Wirkstoffe entstehen bis hin zur Kapselherstellung und Digitalisierung in der Rezeptur. Die Veranstaltung ist mit 6 Punkten akkreditiert und bis zum 17. September buchbar. Alle Vorträge stehen Ihnen bis zum 30. September zur Verfügung.

Tickets und weitere Informationen finden Sie unter https://akademie.dav-medien.de/rezeptursommer-2023.

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