Arzneimittel und Therapie

Forever young mit Taurin?

Alterungsprozesse bisher nur im Tierversuch verzögert

Eine Supplementierung von Taurin führte bei einigen Tierarten zu einer erhöhten Lebenserwartung und einem längeren gesunden Leben. Ob diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragbar sind und ob sich daraus therapeutische Konzepte entwickeln lassen, bedarf noch der Klärung.

Im Alter treten neben der Abnahme von Organfunktionen und vermehrten Krankheitsrisiken auch metabolische Veränderungen auf. Ob Letztere die Konsequenz oder die Treiber von Alterungsvorgängen sind, ist unklar. Einer der molekularen Stoffe, die mit dem Altern assoziiert sind, ist die semi-essenzielle Aminosäure Taurin, deren Konzentration im Alter abnimmt. Ein Mangel an Taurin ist mit erhöhten Risiken für Diabetes, Bluthochdruck, Entzündungen, Leber­erkrankungen und Adipositas assoziiert. Ob auch eine Korrelation zwischen der Taurin-Konzentration und Alterungsvorgängen besteht, war bislang nicht bekannt und wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe in Tierversuchen und einem Rückgriff auf bereits vorliegende Studiendaten untersucht. Bei mehreren Spezies (Mäusen, Affen, Würmern) wurde die Taurin-Konzentration während der Lebenszeit der Tiere untersucht, wobei ein Teil der Versuchstiere zusätzlich Taurin erhielt. Die Lebensspanne der mit Taurin supplementierten Mäuse stieg im Median um 10% bis 12% an. Die Tiere lebten nicht nur länger, sondern auch gesünder, was sich unter anderem in verbesserten Funktionen von Knochen, Darm, Hirn und Immunsystem manifestierte. Die günstigen Auswirkungen von Taurin waren auch auf zellulärer Ebene, z. B. mitochondriale Funktion, Auftreten von DNA-Schäden, Telomerasestörungen, nachweisbar. Die Studienautoren zogen daraus den Schluss, dass eine Supplementation von Taurin bei unterschiedlichen Tierarten die Lebens- und Gesundheitsspanne verlängern kann – mit Letzterem ist die Zeitspanne des Lebens gemeint, in der Individuen gesund sind. So führte eine Supplementation von Taurin bei Mäusen und Würmern zu einer verlängerten Gesundheits- und Lebensspanne, bei Affen zu einer verlängerten Gesundheitsspanne. Ob diese Ergebnisse auch auf Menschen übertragbar sind, ist unklar und muss in Langzeitstudien untersucht werden. Hinweise auf eine positive Wirkung von Taurin beim Menschen sind allerdings bereits bekannt. So nahmen die Wissenschaftler Bezug auf Daten von mehr als Zehntausend Teilnehmern der Ernährungs- und Gesundheits­studie EPIC-Norfolk-Studie. Daraus ging hervor, dass höhere Taurin-­Spiegel u. a. mit einem niedrigeren Body Mass Index und einer geringeren Prävalenz von Typ-2-Diabetes assoziiert sind.

Wo Taurin vorkommt

Im menschlichen Körper wird Taurin aus der Aminosäure Cystein gebildet. Aus der Nahrung wird es durch den Verzehr von Fisch, Fleisch und Milch aufgenommen. Zudem ist es als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich und Bestandteil zahlreicher Energydrinks. Dabei soll das zugesetzte Taurin die geistige und körperliche Leistungs­fähigkeit erhöhen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittel­sicherheit (EFSA) hat eine tägliche Aufnahme von bis zu 6 g Taurin als sicher einstuft [5]. Die gesetz­liche Höchstmenge als Zusatz in Energydrinks beträgt 4000 mg Taurin pro Liter [6].

Noch nicht ausreichend erforscht sind die langfristigen Auswirkungen, insbesondere bei der Aufnahme hoher Mengen an Taurin.

Qualitativ hochwertige Studie

Die Veröffentlichung zum Benefit einer Taurin-Supplementierung rief breite Resonanz hervor und wurde von mehreren Wissenschaftlern gegenüber dem Science Media Center kommentiert. Hervorgehoben werden unter anderem die hohe Qualität der Studie und die überzeugenden Ergebnisse durch die Verwendung unterschiedlicher Modellorganismen. Die Experten sind sich einig, dass die Ergebnisse eine Korrelation, aber keine Kausalität zeigen und eine Übertragung der Studienergebnisse auf den Menschen derzeit nicht möglich ist. Ob eine Substitution von Taurin die Lang­lebigkeit fördert, kann derzeit nicht ein­geschätzt werden. Auch wird darauf hingewiesen, dass Altern ein multifaktorieller Prozess ist, der nicht durch eine einzige Substanz ver­hindert werden kann. |

Literatur

[1] Singh P et al. Taurine deficiency is a driver of aging. Science 2023;380(6649):eabn9257, doi: 10.1126/science.abn9257

[2] Taurin als Pille für Langlebigkeit? Informationen des Science Media Center, 8. Juni 2023

[3] The EPIC-Norfolk Study. Informationen der University of Cambridge, www.epic-norfolk.org.uk/

[4] Nahrungsergänzungsmittel beim Sport - Mit Pillen als Erster durch das Ziel? Informationen der Verbraucherzentrale, 2. Dezember 2022, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/nahrungsergaenzungsmittel-beim-sport-mit-pillen-als-erster-durch-das-ziel-13317

[5] EFSA Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed (FEEDAP). Scientific Opinion on the safety and efficacy of taurine as a feed additive for all animal species. EFSA Journal 2012;10(6):2736, doi: 10.2903/j.efsa.2012.2736

[6] Energy Drinks: Gesundheitsrisiko für Vieltrinker. Informationen der Verbraucherzentrale, 3. Juni 2022, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/gesund-ernaehren/energy-drinks-gesundheitsrisiko-fuer-vieltrinker-11212

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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