Arzneimittel und Therapie

Getrübter Badespaß

Humanpathogene Vibrionen breiten sich in Urlaubsregionen aus

Wer sich beim Urlaub an Nord- oder Ostsee eine kleine Verletzung zu­gezogen hat, sollte mit dem Baden warten, bis sie verheilt ist. Denn gerade kleine Wunden sind ideale Eintrittspforten für Vibrionen. Diese gramnegativen Bakterien können schwerwiegende Infektionen hervorrufen. Besonders gefährdet sind Menschen mit Vorerkrankungen wie beispielsweise Diabetes.

Zur Gattung Vibrio aus der Familie der Vibrionaceae gehören verschiedene gramnegative, leicht gekrümmte und begeißelte Stäbchen. Der bekannteste Vertreter ist Vibrio (V.) cholerae, von denen die Toxin-bildenden Serogruppen O1 und O139 die Cholera auslösen. Ein Gesundheitsproblem stellt dies in Regionen dar, wo aufgrund fehlender oder unzureichender Sanitäranlagen ein Mangel an sauberem Trinkwasser besteht. Andere Serogruppen von V. cholerae sowie Nicht-Cholera-Vibrionen mit Vertretern wie V. vulnificus oder V. alginolyticus kommen hauptsächlich in Gewässern mit schwachem Salzgehalt vor. Daher sind die Ostsee und in der Nordsee Regionen mit Flussmündungen und Buchten bevorzugte Lebensräume. Außerdem besiedeln einige Vibrionen-­Arten Meerestiere wie Fische, Muscheln oder Krabben. Nach dem Verzehr un­zureichend gegarter Meeresbewohner können daher Magen-Darm-Infektionen mit Vibrionen die Folge sein. Beim Baden gelangen die Erreger durch kleine Wunden in den Körper. Schwere Wundinfektionen bis hin zur Sepsis sind mögliche Folgen. Bei älteren und immunsupprimierten Menschen sowie Diabetikern (CAVE: diabetisches Fußsyndrom) ist das Risiko dafür erhöht [1]. Bei Kindern können die Erreger vor allem Ohrinfektionen auslösen [2].

Foto: hecht7/AdobeStock

Vibrionen auch im Nordatlantik

Mittlerweile ist auch außerhalb des Ostseeraums eine Zunahme von Vibrionen-Infektionen zu verzeichnen. Wie viele andere Infektiologen vermutet Seán Olann Whelan von den Galway University Hospitals in Gaillimh (Irland) einen Zusammenhang mit der globalen Erd­erwärmung. Messungen in irischen Gewässern haben gezeigt, dass die Wasseroberflächentemperaturen in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind. Dies führe dazu, dass Vibrionen auch außerhalb des Ostseeraumes, beispielsweise im Nordatlantik, günstige Lebensbedingungen vorfinden und sich stärker vermehren als früher, erläuterte er im Rahmen eines Vortrags auf dem 33. European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID) im April 2023 in Kopenhagen. In einer nationalen Studie, in der Wissenschaftler in den Jahren 2021 und 2022 unter anderem in beliebten Urlaubsregionen Irlands wie der Galway-Bucht Patientenproben untersucht hatten, wurden in Wunden und in Sekret aus den Ohren verschiedene Vibrionen wie V. alginolyticus oder V. cholerae (Serogruppe 065) nachgewiesen. Ähnliche Entwicklungen wurden aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Polen und Estland berichtet [3].

Überwachung der Keimzahlen

Das Robert Koch-Institut (RKI) führt aktuell noch bis Dezember 2023 gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IWO) über den Sommer 2023 am Standort Rostock/Warnemünde eine systematische Keimzahlüberwachung und Analyse der aufgefundenen Nicht-Cholera-Vibrionen durch. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die vorliegenden Daten zu klinischen Proben, die von Patienten mit Verdacht auf Vibrio-Infektionen eingesandt werden, zu komplementieren [2].

Resistenzen nehmen zu

In Deutschland wird bei begründetem Verdacht auf eine Infektion mit Nicht-Cholera-Vibrionen der unverzügliche Beginn einer kalkulierten antibiotischen Therapie empfohlen. Bei Wund- und Weichteilinfektionen sollte eine chirurgische Sanierung in Erwägung gezogen werden. Als Antibiotika werden Cephalosporine der 3. Generation, Tetracycline oder Gyrasehemmer in Mono- oder Kombinationstherapie empfohlen. In den vergangenen Jahren wurden jedoch bei aus Nord- und Ostsee stammenden Nicht-Cholera-Vibrionen bereits Resistenzen gegenüber Aminoglykosiden, Aminopenicillinen und Streptomycin identifiziert sowie Isolate mit Carbapenem-hydrolysierenden Beta­lactamasen gefunden. Diese Entwicklung ist aus Sicht von Infektiologen sehr besorgniserregend. Erhöhte Aufmerksamkeit ist daher geboten. Risikogruppen sollte geraten werden, während der heißen Sommermonate den Kontakt zu salzhaltigem Wasser zu meiden, insbesondere bei Hautverletzungen. |

Literatur

[1] Brehm TT et al. Nicht-Cholera-Vibrionen – derzeit noch seltene, aber wachsende Infektionsgefahr in Nord- und Ostsee. Internist 2021;62:876–886, doi: 10.1007/s00108-021-01086-x

[2] Auswirkungen des Klimawandels auf Infektionskrankheiten. Informationen des Robert Koch-Instituts, Stand: 13. Juni 2023, www.rki.de/DE/Content/GesundAZ/K/Klimawandel_Gesundheit/Klimawandel_Infektionskrankheiten.html

[3] Amato E et al. Epidemiological and microbiological investigation of a large increase in vibriosis, northern Europe, 2018. Euro Surveill 2022;27(28):2101088, doi: 10.2807/1560-7917.ES.2022.27.28.2101088

[4] Whelan S et al. Emergence of Vibrio infection as a sea-water associated pathogen in Ireland – a new geographic distribution associated with increasing ocean temperatures? Vortrag auf dem 33. European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID), Kopenhagen, 17. April 2023

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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