COVID-19

Signal für Entwicklungsstörungen durch Corona-Infektion

Infektion in der Schwangerschaft kann neurologische Folgen für das Neugeborene haben

Bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert waren, können sich im ersten Lebensjahr häufiger neurologische Entwicklungsstörungen zeigen. Dies ergab eine retrospektive Kohortenstudie, die kürzlich in der amerikanischen Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht wurde.
Foto: Sk Elena / AdobeStock

Verschiedene Virusinfektionen, darunter auch solche mit Influenzaviren, können sich in der Schwangerschaft negativ auf die neurologische Entwicklung der Ungeborenen auswirken. Andrea D. Edlow und ihre Mitarbeiter am Massachusetts General Hospital in Boston vermuteten auch für SARS-CoV-2-Infektionen solche Zusammenhänge. Deshalb schlossen sie in eine retrospektive Kohortenstudie 7772 Kinder ein, die zwischen März und September 2020 in sechs Kliniken geboren worden waren. Auf Basis der elektronischen Gesundheitsakten verglichen sie deren neurologische Entwicklung im ersten Lebensjahr [1].

Mehr Frühgeburten

222 Neugeborene stammten von Frauen mit positiven SARS-CoV-2-PCR-Tests während der Schwangerschaft. Darunter gab es 32 Frühgeburten (14,4%), bei den nicht infizierten Müttern (n = 7550) 654 (8,7%, p = 0,003). Dieses erhöhte Frühgeburts-Risiko bei Corona-infizierten Schwangeren war bereits aus vorangegangenen Studien bekannt. Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen sowie nicht näher spezifizierte sprachliche Entwicklungsstörungen traten innerhalb von zwölf Monaten bei 14 von 222 Neugeborenen auf, deren Mütter mit SARS-CoV-2 infiziert waren (6,3%), in der Vergleichsgruppe dagegen nur bei 3,0% (227 von 7550, Odds Ratio [OR]: 2,17, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,24 bis 3,79, p = 0,006). Dieser Zusammenhang blieb erhalten, wenn die Berechnungen bezüglich verschiedener Einflussfaktoren wie beispielsweise Versicherungsstatus, ethnische Zugehörigkeit oder dem Alter der Mutter adjustiert worden waren (adjustierte OR: 1,86, 95%-KI: 1,03 bis 3,36, p = 0,04). Noch etwas höher lag das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen, wenn sich die Frau im letzten Schwangerschaftsdrittel infiziert hatte (adjustierte OR: 2,34, 95%-KI: 1,23 bis 4,44, p = 0,01).

Weitere Studien notwendig

Es liegt in der Natur dieser Studie, dass sie keine Kausalzusammenhänge aufzeigen kann. Die Autoren wollen ihre Ergebnisse als ein Signal verstanden wissen, das in zukünftigen größeren Studien weiter untersucht werden sollte. Zu überlegen wäre dabei auch, ob vielleicht der allgemeine Stress, denen Mütter während der Corona-Pandemie ausgesetzt sind, einen größeren negativen Einfluss auf die neurologische Entwicklung der Feten ausübt als eine SARS-CoV-2-Infektion, so die Forscher. |

 

Long-COVID: Mehr Forschung für Kinder

Wie in der Studie von Edlow und Mitarbeitern gezeigt wurde, gibt es noch viel zu wenige Daten zu den Auswirkungen einer Corona-Infektion der Mutter auf das Ungeborene. Doch auch für die nachfolgenden Lebensphasen sieht es nicht viel besser aus. So zeigt beispielsweise ein Blick in die Long-COVID-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), dass es bezüglich Long-COVID bei Kindern und Jugendlichen mehr Fragen als Antworten gibt [2]. Obwohl Kinder genauso wie Erwachsene unter den COVID-19-Spätfolgen wie z. B. starker Erschöpfung leiden können, fehlen sowohl exakte Daten als auch Therapieleitlinien und spezielle Rehabilitationsprogramme. Diesem Problem will sich zukünftig der Forschungsverbund LongCOVID am Universitätsklinikum Jena, der Technischen Universität Ilmenau und der Universität Magdeburg annehmen. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert [3].

Literatur

[1] Edlow AG et al. Neurodevelopmental outcomes at 1 year in infants of mothers who tested positive for SARS-CoV-2 during pregnancy. JAMA Netw Open 2022, 5(6):e2215787

[2] Koczulla AR et al. Post-COVID/Long-COVID. S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) [Hrsg.), AWMF-Register-Nr. 020/027, Stand 12. Juli 2021

[3] Förderung von Forschungsvorhaben zu Spätsymptomen von COVID-19 (Long-COVID), www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/milder-verlauf-spate-folgen-forschende-untersuchen-long-covid-bei-kindern-14636.php, Abruf am 23. September 2022

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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