Arzneimittel und Therapie

Auch kurzfristige NSAR-Einnahme kann auf’s Herz gehen

Erhöhtes Herzinsuffizienz-Risiko bereits nach zweiwöchiger Therapie?

Beim Vergleich der Spätkomplika­tionen von Diabetes mellitus Typ 2 und dem Nebenwirkungsprofil von nichtsteroidalen Antirheumatika fällt einem das gemeinsame kardiovaskuläre Risiko ins Auge. Zur NSAR-Anwendung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 liegen bisher jedoch keine Empfehlungen vor. In diesem Zusammenhang beobachtete eine dänische Forschungsgruppe bereits bei einer NSAR-Kurz­zeittherapie ein höheres Risiko für eine erstmalig auftretende Herzinsuffizienz.

Da die diabetische Kardiomyopathie eine direkte Folge von Hyperglykämie, Hyperinsulinämie, chronischer Inflammation sowie Nephropathie darstellt, liegt bei fast einem Drittel aller Diabetes-Patienten auch eine Herz­insuffizienz vor. Die Cyclooxygenase-Hemmung durch nichtsteroidale Antirheumatika beeinflusst das renale, endotheliale und kardiale System und kann mit einer Dysbalance des Flüssigkeitshaushalts einhergehen. Die Hypothese, dass NSAR das Krankheitsgeschehen von Diabetikern negativ beeinflussen könnte, scheint daher nicht abwegig zu sein.

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Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac werden häufig verordnet. Auch wenn keine Aussage zur Kausalität getroffen werden, so deuten aktuelle Daten darauf hin, dass besonders bei Typ-2-Diabtetikern auch bei einer kurzfristigen Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika das kardiovaskuläre Risiko berücksichtigt werden sollte.

Case-Crossover-Design

Um zu überprüfen, ob eine Assoziation zwischen der Einnahme von nicht­steroidalen Antirheumatika und erstmaligem Auftreten einer Herzinsuffizienz bei Diabetikern vorliegt, wurden anhand landesweiter dänischer Register 331.189 Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 zwischen 1998 und 2021 identifiziert. Patienten mit einer rheumatischen Erkrankung oder einer anamnestischen Herzinsuffizienz wurden ausgeschlossen. Da die Nachbeobachtung 120 Tage nach erstmaliger Diagnose des Typ-2-Diabetes begann, wurden auch Patienten aus­geschlossen, die während dieses Zeitraums NSAR-Verschreibungen beanspruchten. Um Störfaktoren zu minimieren und die Auswirkung kurzfristiger Einnahmen zu untersuchen, wurde ein Case-Crossover-Studien­design verwendet, wobei jeder Patient als seine eigene Kontrolle fungierte. Ausgewertet wurden die Daten von Patienten, denen innerhalb von 28 Tagen vor der Krankenhauseinweisung ein NSAR ärztlich verordnet wurde. Aussagen zur eingesetzten Dosierung konnten nicht ausgewertet werden.

Mehrere Wirkstoffe beobachtet

23.308 Patienten (7%) wurden aufgrund neu diagnostizierter Herzinsuffizienz während der Nachbeobachtung hospitalisiert, wobei 16% innerhalb des ersten Jahres nach dem Studieneinschluss mindestens eine NSAR-Verordnung und 3% mindestens drei Verordnungen erhielten. Während des 28-Tage-Expositionsfensters war die kurzfristige Einnahme von NSAR mit einem erhöhten Risiko für eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz verbunden (Odds Ratio [OR]: 1,43; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,27 bis 1,63). Dieser Zusammenhang war vor allem bei Ibuprofen und Diclofenac zu beobachten, da Celecoxib und Naproxen nur wenig verwendet wurden. Weitere Analysen unter Verwendung von 14- und 42-Tage-Expositionsfenstern erbrachten ähnliche Ergebnisse.

Risiko für Untergruppen

Um Subgruppen mit einem erhöhten Risiko für eine Herzinsuffizienz unter NSAR-Einnahme zu identifizieren, wurden die Diabetes-Patienten nach Alter, Komedikation, HbA1c-Werten, Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate, GFR) und vorheriger NSAR-Exposition klassifiziert. Hierbei wurden stärkere Korrelationen in Untergruppen mit einem Alter ≥ 65 Jahren, gleichzeitiger Einnahme von Diuretika oder Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems und in der Untergruppe mit HbA1c-Werten ≥ 6,5% identifiziert. Das höchste kardiovaskuläre Risiko wurde bei NSAR-naiven Patienten, sprich neuen Anwendern, festgestellt (OR: 2,71, 95%-KI 1,78 bis 4,23).

Entgegen der Vermutung der Studienautoren war das Risiko für eine Krankenhauseinweisung bei einer niedrigen glomerulären Filtrationsrate oder bei kombinierter Einnahme von Arzneimitteln, die das renale und vaskuläre System beeinflussen (Triple Whammy), gegenüber der Einnahme von nur einem Arzneimittel nicht signifikant erhöht. Diese Feststellung und die Tatsache, dass die Fünf-Jahres-Prognose bei den Herzinsuffizienz-Patienten ähnlich war, ob ihnen nichtsteroidale Antirheumatika verordnet wurden oder nicht, deutet darauf hin, dass die NSAR-assoziierte Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz mehr als „nur“ eine Flüssigkeitsüberlastung ist und es zusätzlich zu einer möglichen „Demaskierung“ einer subklinischen Herzinsuffizienz bei Diabetikern kommen könnte.

Vor einer NSAR-Verschreibung das Risiko abschätzen

Obwohl den Autoren keine Daten über die rezeptfreie Einnahme von NSAR sowie zur Dosierung zur Verfügung standen und Assoziationen in Beobachtungsstudien generell keine Kausalität bedeuten, lassen die große Stichprobengröße und das allgemeine kardiovaskuläre Risiko von Typ-2-Diabetikern die Ergebnisse relevant erscheinen. Vor allem NSAR-naive Patienten in höherem Alter, mit erhöhten HbA1c-Werten und kardiovaskulärer Komedikation haben im Zusammenhang mit der kurzfristigen NSAR-Einnahme ein erhöhtes Herzinsuffizienz-Risiko. Eine individuelle Risikobewertung und engmaschigere Überwachung erscheinen demnach bei der Verschreibung von nichtsteroidalen Antirheumatika für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 gerechtfertigt. |

Literatur

[1] Holt A, Strange JE, Nouhravesh N et al. Heart Failure Following Anti-Inflammatory Medications in Patients with Type 2 Diabetes Mellitus, Journal of the American College of Cardiology 2023, doi: https://doi.org/10.1016/j.jacc.2023.02.027

[2] Schütt K et al. Positionspapier Herzinsuffizienz und Diabetes. Diabetologie 2022;17:277–288

[3] Clodi M, Saely CH, Hoppichler F et al. Diabetes mellitus, coronary artery disease and heart disease (Update 2023)]. Wien Klin Wochenschr 2023;135(Suppl 1):201-206, doi: 10.1007/s00508-023-02183-7

Apothekerin Anna-Lena Gehl

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