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Deutscher Apopthekertag
Mehr Honorar und Handlungsspielraum gefordert
Die Anträge zum Deutschen Apothekertag 2023 im Überblick
Der Beitrag beschreibt die Anträge zum diesjährigen Deutschen Apothekertag in Düsseldorf, soweit sie Ende voriger Woche bekannt waren. Einige Anträge werden durch Erläuterungen des Verfassers in den berufspolitischen Kontext eingeordnet.
Versorgungssicherheit trotz Engpässen
Der erste Abschnitt des nicht mehr gedruckten Antragsheftes betrifft die „Sicherstellung der Versorgung“. Er beginnt mit einem Leitantrag aus drei Einzelanträgen von vier Organisationen, der mehr Handlungsspielraum für die Apotheken bei Lieferengpässen fordert. Demnach sollen die Apotheken folgende Möglichkeiten erhalten:
- defekturmäßige Herstellung bestimmter versorgungskritischer Arzneimittel bei Lieferengpässen auch ohne häufige Verschreibung,
- Abgabe von Defektur- oder Rezepturarzneimitteln mit bestimmten versorgungskritischen Wirkstoffen an andere Apotheken bei Lieferengpässen,
- Austausch der Darreichungsform oder Abgabe eines Defektur- oder Rezepturarzneimittels bei Nichtverfügbarkeit und
- begrenzte Vorratshaltung von Importen bei absehbaren Lieferengpässen und Abgabe dieser Importe auch in einer begrenzten Zeit nach Beendigung des Lieferengpasses.
Die defekturmäßige Herstellung betrifft hier auch Paracetamol- und Ibuprofen-haltige Säfte, die oft ohne Verschreibung erworben werden. Die „Hunderter-Regel“ als Rechtsgrundlage für die Defektur gemäß § 21 Abs. 2 Ziffer 1 AMG setzt aber häufige Verschreibungen voraus. Daher soll diese Bedingung erweitert werden. Mit der Weitergabe von Defekturen soll die Versorgung in Apotheken mit personellen Engpässen sichergestellt werden. Ein weiterer Leitantrag fordert eine Aut-simile-Regelung für akut benötigte Arzneimittel. Zumindest in Not- und Akutsituationen sollte eine Aut-simile-Substitution ohne Arztkontakt möglich sein, wenn der Verordner nicht erreichbar und die unverzügliche Anwendung erforderlich ist.
In weiteren Anträgen geht es darum, die Produktion von Wirkstoffen und Arzneimitteln in der EU voranzubringen und einen Plan zur Risikovorsorge für Störungen der Lieferkette zwischen China und Indien einerseits und Europa andererseits zu entwickeln. Dies zielt insbesondere auf die Vorsorge für eine mögliche Eskalation des Taiwan-Konflikts. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg fordert ein Sonderkontingent mit ausländischer Ware für die Versorgung im Notdienst. Dazu müssten die Preise für den Notdienst angepasst werden. Großhandel und Apotheken müssten für den zusätzlichen Aufwand vergütet werden. In einem Antrag der Apothekerkammern und -verbände Hamburg und Schleswig-Holstein geht es um die Klarstellung, dass Apotheken auch für die Versorgung im Notdienst zuständig sind. Darum soll sich die Hauptversammlung gegen ein ärztliches Dispensierrecht im Notdienst aussprechen. Im Antrag heißt es, ein ärztliches Dispensierrecht im Notdienst sei nicht notwendig und könnte Lieferengpässe sogar verschärfen, wenn die knappe Ware auf viele Arztpraxen verteilt würde. Die Apothekerkammer Hessen fordert geeignete Maßnahmen des Gesetzgebers, um die Inanspruchnahme des Notdienstes auf dringende Fälle zu begrenzen, die umgehend versorgt werden müssten. Daher sollten die Apotheken in eine Neuordnung der Notfallversorgung einbezogen werden. Als Möglichkeit wird eine Anpassung der Notdienstgebühr erwähnt.
Ein Antrag der Sächsischen Landesapothekerkammer zielt darauf, die Kontingentierung durch pharmazeutische Unternehmer eng zu befristen und auf Ausnahmen zu beschränken. Der Gesetzgeber soll – gegebenenfalls durch eine Ergänzung zu § 52b AMG – dafür Sorge tragen, dass pharmazeutische Unternehmer ihrer Verpflichtung zur angemessenen und kontinuierlichen Bereitstellung von Arzneimitteln nachkommen. Die Verpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen sei nicht ausreichend, heißt es in der Begründung. Das Thema wurde bereits beim Apothekertag 2022 angesprochen. Ein diesbezüglicher Antrag wurde in einen Ausschuss verwiesen. Die ABDA hat dazu inzwischen über die Arbeit des Beirates gemäß § 52b Abs. 3b AMG berichtet, der Kontingentierungen „engmaschig begleitet und notwendigenfalls kritisch diskutiert“ (siehe „Was wurde aus den DAT-Anträgen? DAZ 2023, Nr. 28, S. 16 – 20). Der erneute Antrag zu diesem Thema dürfte die Frage aufwerfen, ob das Thema in den bestehenden Gremien angemessen berücksichtigt werden kann oder ob neue Maßnahmen des Gesetzgebers nötig sind.
Stärkungen für die Ausbildung
Der zweite Abschnitt des Antragsheftes ist mit „Nachwuchs und Ausbildung“ betitelt. Die Apothekerkammer Berlin möchte die Bemühungen des Runden Tisches zur Novellierung der Approbationsordnung voranbringen. Dafür sei ein Strategieplan zur „Umsetzung und Weiterentwicklung des bestehenden Positionspapieres“ zu entwickeln. Die Landesapothekerkammer Thüringen möchte die Famulatur stärken. Ihre Dauer soll nicht verändert werden, sie soll auch vor dem ersten Semester möglich sein, und es soll ein Leitfaden dafür entwickelt werden. In einem weiteren Antrag wird gefordert, in der Apothekenbetriebsordnung klarzustellen, dass Pharmazeuten im Praktikum nach der Anmeldung zur Prüfung bis zur Erteilung der Approbation zum pharmazeutischen Personal gehören. Apothekerkammer und -verband des Saarlandes fordern, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine PTA-Ausbildungsvergütung zu schaffen. Dazu wird auf solche Regelungen für andere Gesundheitsfachberufe im Krankenhausfinanzierungsgesetz verwiesen.
Zum Weiterlesen
Was wurde aus den zahlreichen Anträgen zum Deutschen Apothekertag (DAT) 2022? In einer Übersicht zum Stand der Bearbeitung berichtet die ABDA zu vielen Anträgen, wie sich das Thema in den jüngsten Gesetzen entwickelt hat, wem sie das Anliegen übermittelt hat und wie die interne Beratung vorangekommen ist. Dabei werden Prioritäten der ABDA deutlich – und vereinzelt auch spannende Details. Beispielsweise hat die ABDA ein Konzept zur Honorarfortschreibung entwickelt, und die ABDA-Präsidentin hat im Gesundheitsausschuss des Bundestages über das Projekt ARMIN informiert.
Müller-Bohn T. Was wurde aus den DAT-Anträgen? DAZ 2023, Nr. 28, S. 16 - 20
Fairer Rahmen für mehr Digitalisierung
Weitere Anträge beziehen sich auf „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“, allerdings weitaus weniger als im Vorjahr. Die ersten beiden Anträge des Abschnitts kommen vom Geschäftsführenden ABDA-Vorstand. Üblicherweise will die ABDA mit solchen Anträgen bestimmte Positionen durch das Votum der Hauptversammlung bekräftigen. An den Anträgen des Vorstands lässt sich also ablesen, was der ABDA besonders wichtig erscheint. Der erste Antrag soll den Gesetzgeber auffordern, zum Schutz der Vor-Ort-Apotheken verantwortlich mit der Digitalisierung umzugehen und bei apothekenrelevanten Prozessen verlässliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen sicherzustellen oder zu schaffen. Neben grundsätzlichen Aspekten geht es vor allem um den Arzneimittelversand über digitale Plattformen, insbesondere in Verbindung mit telemedizinischen Verschreibungen. Dabei seien vermehrt Rechtsverstöße zu beobachten. Darum sollte bei der Einführung des E-Rezepts die Versorgung in den Vor-Ort-Apotheken gestärkt werden. „Andernfalls besteht die Gefahr eines grenzenlosen Arzneimittelkonsums im Wege der Selbstbedienung“, mahnen die Antragsteller. In einem weiteren Antrag fordert der Geschäftsführende ABDA-Vorstand, die Digitalisierung der Apotheken weiter voranzutreiben, allerdings praxisorientiert und unter strikter Betrachtung des bestehenden Rechtsrahmens. Dazu würden eine Telematikinfrastruktur 2.0 und der flächendeckende Einsatz der elektronischen Patientenakte unter Zuhilfenahme pharmazeutischer Expertise und mit einer vertretbaren Verwendung künstlicher Intelligenz (KI) gehören.
Die Apothekerkammer Berlin fordert eine eindeutige Abgrenzung der Kompetenzen und Aufgaben von Apothekern und Krankenkassen. Dabei geht es um den Umgang mit der elektronischen Patientenakte und eine drohende Versorgungssteuerung durch die Krankenkassen. Gemäß einem weiteren Antrag sollen Rahmenbedingungen zum Einsatz von KI, insbesondere für die Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken, geschaffen werden. Elektronische Packungsbeilagen sollen stufenweise pilotiert eingeführt werden. Dazu gehöre eine Kostenerstattung für nötige Papierausdrucke für Patienten ohne digitalen Zugang. Außerdem wird gefordert, dass ein elektronischer Zugriff auf Rechtsvorschriften ausreichen soll und dass Nachhaltigkeitszertifikate in die Datenlieferwege für OTC-Arzneimittel aufgenommen werden.
Mehr Honorar für die Apotheken
Im letzten und weitaus größten Abschnitt geht es um die „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“. In einem Leitantrag, zu dem auch ein Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands gehört, wird die zentrale Forderung der Apotheker betont, das Apothekenhonorar zu erhöhen und „sicherzustellen, dass zukünftig regelmäßig und ohne Verknüpfung mit sachfremden anderen Themenfeldern eine automatische Anpassung erfolgt“. Dazu soll der Festzuschlag für Rx-Arzneimittel auf 12 Euro erhöht und ab 2025 über einen geeigneten Index angepasst werden. Der Apothekenabschlag gemäß § 130 Abs. 1 SGB V soll auf 1,48 Euro festgesetzt werden. Das wäre der abgerundete Nettobetrag zum Abschlag von 1,77 Euro, der vor der jüngsten befristeten Erhöhung jahrelang galt.
Auch der Antrag, die Haftung der Apotheken für den Herstellerabschlag zu streichen, entspricht weitgehend einer Position aus dem bekannten Forderungskatalog der ABDA. Doch in weiteren Anträgen werden zusätzliche Honorarkomponenten für Apotheken gefordert, die über diesen Forderungskatalog hinausgehen. Apothekerkammer und -verband Baden-Württemberg fordern ein Honorar für die Umsetzung der Rabattverträge, um die Apotheken an den Einsparungen durch diese Verträge partizipieren zu lassen. Der Verband Baden-Württemberg fordert ein Honorar für den Einzug von Zuzahlungen der Patienten, um den Aufwand, beispielsweise auch für die Klärung des Zuzahlungsstatus, zu vergüten. In einem anderen Antrag fordern die Apothekerorganisationen aus Baden-Württemberg, der Gesetzgeber solle in § 43c SGB V zusätzliche praktikable Regelungen für den Einzug der Zuzahlung bei Rechnungskunden schaffen. Dabei geht es insbesondere um das Zeitproblem. Um Fristen zu wahren, müssen oft Rezepte abgerechnet werden, bevor bekannt ist, ob ein Kunde die Zuzahlung per Rechnung bezahlt.
Der Apothekerverband Nordrhein fordert ein erhöhtes Abgabehonorar für Arzneimittel, die besonderen Aufwand auslösen. Dies erscheint auch in Verbindung mit dem geforderten höheren Festzuschlag konsequent, denn dieser ergibt sich bereits aus der Inflation. Trotzdem wirft dieser Antrag die grundsätzliche Frage auf, ob der zusätzliche Aufwand bei vielen Arzneimitteln weiter im Rahmen einer Mischkalkulation pauschal abgegolten werden soll oder ob für möglicherweise viele Varianten zusätzliche Honorare mit entsprechendem Abrechnungsaufwand geschaffen werden sollen. Die Frage betrifft auch die Forderung der Apothekerkammer Berlin, den Apothekenschlag in den Fällen zu streichen, in denen eine Versorgung mit dem vorgesehenen Rabattarzneimittel nicht möglich ist. Damit soll der zusätzliche Aufwand teilweise ausgeglichen werden, der bei nötigen Abweichungen entsteht. Allerdings gibt es für einige dieser Fälle mittlerweile das unzureichende Zusatzhonorar von 50 Cent, sodass hier ein weiterer Spezialfall mit geringem finanziellen Vorteil, aber zusätzlichem Abrechnungsaufwand geschaffen würde.
Nachdem die Möglichkeiten zu Nullretaxationen durch das ALBVVG begrenzt wurden, ist von einem Antrag zu diesem Thema die Forderung verblieben, Verstöße gegen Abgabe- oder Abrechnungsvorschriften nach einer Retaxation im Rahmen eines Einspruchsverfahrens „heilen“ zu können. Ein weiterer Antrag fordert, dass ergänzend zu den Regeln des ALBVVG auch bei fehlenden Angaben zur Berufsbezeichnung auf Rezepten Retaxationen ausgeschlossen werden. Hinzu kommt der Antrag des Berliner Apothekervereins, Retaxationen aufgrund von Formfehlern bei Entlassrezepten gesetzlich auszuschließen. Dieser Antrag hat aufgrund der jüngsten Entwicklungen besondere Aktualität bekommen.
Lagerwertverluste und Zahlungsziele
Apothekerkammer und -verband Baden-Württemberg fordern gesetzgeberische Maßnahmen, um Lagerwertverluste der Apotheken bei geänderten Festbeträgen oder endenden Rabattverträgen zu kompensieren. Dabei erscheint bemerkenswert, dass der Gesetzgeber angesprochen wird und nicht die Arzneimittelhersteller, die vordergründig mit ihren Preissenkungen die Lagerwertverluste auslösen, damit allerdings auf Umstände reagieren, die sie selbst nicht beeinflussen können. Die Antragsteller argumentieren, dass die Apotheken die Preissenkungen nicht zu verschulden haben und auch das Verordnungsverhalten der Ärzte nicht beeinflussen können. Daher seien ihre Nachteile im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruches zu erstatten. Außerdem fordern die Apothekerorganisationen aus Nordrhein, der Gesetzgeber solle dafür sorgen, dass die Belieferung durch Hersteller und Großhändler „mit ausreichend langen Zahlungszielen verbunden ist“. Denn die Vorfinanzierung insbesondere von Hochpreisern werde zu einer immer größeren Belastung. Allerdings stellt sich die Frage, wie der Gesetzgeber auf eine unternehmerische Entscheidung von Herstellern und Großhändlern einwirken soll.
Neue Leistungen in Apotheken
Neben den Anträgen zur höheren oder sicheren Honorierung der bisherigen Leistungen von Apotheken, geht es in anderen Anträgen um erweiterte oder zusätzliche Leistungen. Die Landesapothekerkammer Hessen fordert, „Präventionsmaßnahmen stärker finanziell und strukturell zu fördern und dabei die Apotheken einzubinden und angemessen zu honorieren“. In einem Leitantrag wird gefordert, die Botendienstpauschale für Rx-Arzneimittel auf alle erstattungsfähigen Mittel auszudehnen, also auch Verbandmittel, Medizinprodukte, Ernährungslösungen und insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die für Kinder eine große Bedeutung haben. Außerdem wird eine regelmäßige Dynamisierung des Botendiensthonorars gefordert.
In weiteren Anträgen geht es darum, die neuesten Leistungen der Apotheken voranzubringen. Die Apothekerkammer Berlin möchte die Infrastruktur für Impfungen in Apotheken ausbauen. Sie fordert, die Apotheken als feste Partner in die nationale Impfstrategie einzubeziehen. Nicht verbrauchte Impfdosen sollten fair vergütet werden. Für die Anwendung nicht verordneter Impfstoffe sollten unbürokratische Regeln geschaffen werden, und die Apothekenbetriebsordnung sollte so präzisiert werden, dass eine Mischnutzung geeigneter Räume für Impfungen und andere Zwecke möglich wird. In einem weiteren Antrag wird gefordert, neben Impfungen gegen Grippe und COVID-19 weitere Impfangebote in Apotheken zu ermöglichen. Außerdem wird gefordert, patientennahe Schnelltests in Apotheken sollten auf andere Erreger, insbesondere Influenza, ausgedehnt werden. Die Apothekerkammer Berlin schlägt zudem die strukturierte pharmazeutische Beratung und Begleitung zur Gesundheits- und Ernährungsprävention als weitere honorierte pharmazeutische Dienstleistung (pDL) vor. Dies wirft allerdings die Frage auf, welche Handlungsmöglichkeiten hier überhaupt bestehen. Denn die pDL ergeben sich aus einer Schiedsstellenentscheidung. Der Antrag berührt die Frage, ob derzeit eher die bestehenden pDL vorangetrieben oder neue pharmazeutische Dienstleistungen entwickelt werden sollen. Hier drängt sich auf, zunächst über diesen grundsätzlichen Aspekt zu diskutieren, der bei der Bearbeitung mehrerer Apothekertagsanträge vom Vorjahr unterschiedlich bewertet wurde (siehe „Was wurde aus den DAT-Anträgen? DAZ 2023, Nr. 28, S. 16 – 20).
Organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen
Die Apothekerorganisationen des Saarlandes fordern, die Selbstverwaltung stärker in die Gesetzgebung und die Erarbeitung von Verordnungen einzubinden. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe fordert, den Missbrauch der Selbstverwaltung durch sachwidriges Blockieren oder willkürliches Vorgehen zu unterbinden und nötigenfalls zu sanktionieren, um die „Funktionsfähigkeit und Effizienz der Selbstverwaltung wiederherzustellen“. Gemäß einem Antrag der Landesapothekerkammer Hessen soll das Heilmittelwerbegesetz an moderne Werbeformate angepasst werden, um Arzneimittel nicht weiter zu bagatellisieren. Dies zielt beispielsweise auf Darstellungen von Influencern oder Prominenten, die den Off-Label-Use von Arzneimitteln propagieren. In diesem Zusammenhang fordert die Apothekerkammer Nordrhein, rechtsfreie Räume im Internet aufzulösen und Internetseiten mit gesundheitsbezogenen Angeboten, die gegen geltendes Recht verstoßen, auf Antrag sperren lassen zu können. Auch der Geschäftsführende ABDA-Vorstand bringt eine Forderung zum Heilmittelwerberecht ein. Demnach soll die Rabatt- und Preiswerbung für OTC-Arzneimittel an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angepasst werden. Dies bezieht sich auf die Entscheidung vom 22. Dezember 2022. Demnach müssten in der Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Werbeelemente verboten werden, die „den unzweckmäßigen Einsatz solcher Arzneimittel fördern können“. Die Antragsteller folgern, dass sachliche Informationen über Preise zulässig seien, nicht jedoch Rabatte für bestimmte Bestellmengen oder -werte.
Die Landesapothekerkammer Thüringen regt an, im Pflichttext bei der Arzneimittelwerbung die Wörter „Zu Risiken und Nebenwirkungen“ durch „Zur sicheren Arzneimittelanwendung“ zu ersetzen, um die Wirksamkeit von Arzneimitteln und nicht Angst oder Sorge in den Vordergrund zu stellen. Mit diesem Antrag wird die Debatte über den Pflichttext um eine neue Facette bereichert. Spektakulärer erscheint die Forderung aus dem Saarland, die EU-Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel aufzuheben. Das Securpharm-System sei ein „Bürokratiemonster“, das vor einem in öffentlichen Apotheken nicht bestehenden Problem schützen soll. Denn es gebe keine Fälschungen in diesem System.
Vereinfachte Hilfsmittelversorgung
Der Bürokratieabbau ist auch eine Facette eines Leitantrages, der den Gesetzgeber auffordern soll, die Grundlagen für einen bundeseinheitlichen Hilfsmittelversorgungsvertrag zu schaffen. Doch es geht hier um noch mehr. Die Patienten sollen bundeseinheitlich nach gleichen Qualitätsstandards versorgt werden, und es soll vermieden werden, dass Patienten aus formalen Gründen nicht unverzüglich mit Hilfsmitteln versorgt werden können, die zur Anwendung ärztlich verordneter Arzneimittel erforderlich sind. Daraufhin fordert der Leitantrag einen bundeseinheitlichen Hilfsmittelversorgungsvertrag, der eine unbürokratische und für die Apotheken auskömmliche Versorgung ermöglicht. Er soll eine einheitliche, offene und kostenfreie Schnittstelle für elektronische Kostenvoranschläge enthalten. Außerdem sollen Hilfsmittel zur Anwendung ärztlich verordneter Arzneimittel genehmigungsfrei zu liefern sein. Dieser Leitantrag kann als Reaktion auf zahlreiche kleinteilige Probleme bei der Hilfsmittelversorgung verstanden werden. Er bietet eine neue Perspektive, mit einer grundlegenden Veränderung viele Detailprobleme zu umgehen.
Spezialfälle des Apothekenbetriebs
Weitere Anträge zielen auf Spezialfälle des Apothekenbetriebs. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll aufgefordert werden, die Anforderungen an die Lagerhaltung von Betäubungsmitteln in der einschlägigen Richtlinie neu zu bewerten und technische Grundlagen für die Einlagerung von Betäubungsmitteln in Kommissionierautomaten zu schaffen. Nach Auffassung der Antragsteller aus Baden-Württemberg wird die geltende Richtlinie dem Stand der Technik nicht gerecht. Denn in einem chaotischen Lagersystem wären Betäubungsmittel für Einbrecher nicht zu finden.
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe macht auf die bisher kaum beachtete Versorgung mit autologen Serumaugentropfen aufmerksam. Dabei wird aus dem Vollblut von Patienten ein Serum gewonnen, das spezialisierte Blutspendedienste zu patientenindividuellen Augentropfen verarbeiten. Diese Augentropfen werden in Apotheken abgegeben und dort abgerechnet. Die Antragsteller konstatieren dabei Einzellösungen bei allen Beteiligten, die zu Retaxunsicherheit und „umfassenden bürokratischen Auswüchsen bezüglich Logistik, Haltbarkeit, Dokumentation, Leistungszusage und Preisfindung“ führen würden. Da solche Augentropfen immer häufiger eingesetzt werden, sei es erforderlich, die vielfältigen Fragen „in ihrer Gesamtheit zu klären“.
Finanzierung der GKV
Insgesamt machen die Honorarforderungen der Apotheker einen deutlich größeren Anteil der Anträge als bei früheren Apothekertagen aus. Offensichtlich macht die wirtschaftliche Entwicklung der Apotheken dies erforderlich. Ein Antrag des Apothekerverbandes Nordrhein berücksichtigt aber auch die finanzielle Situation der GKV. Demnach soll der Gesetzgeber aufgefordert werden, alle versicherungsfremden Leistungen nur aus Steuerzuschüssen zu finanzieren.
Damit steht den Delegierten eine inhaltsreiche Antragsdebatte bevor. Erfahrungsgemäß wird sie durch kurzfristig eingebrachte Anträge ergänzt. |
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