Deutscher Apothekertag 2023

Strategiedebatte und Lifestyle-Influencer

Honorarerhöhung, Ausweitung des Botendienstes, schärfere Regeln für Arzneimittelwerbung ...

mik | Eine Antragsdebatte, die es zum Schluss noch einmal in sich hatte: „Über Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ wurde im letzten Block des diesjährigen DAT diskutiert. Neben der notwendigen Erhöhung des Honorars und einer Strategiedebatte, wie dies am besten erreicht werden kann, ging es unter anderem auch um die Ausweitung der Botendienste, eine neue Profi­lierung der Selbstverwaltung und dem Nachschärfen bei den gesetz­lichen Regelungen für Arzneimittelwerbung.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
Viel zu tun hatte die ABDA-Spitze bei der Beratung des letzten DAT-Blocks in diesem Jahr. Die Anträge zu den „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ lösten umfangreiche Diskussionen aus.
 

Der letzte Block der Antragsdebatte war der mit Abstand größte. Er umfasste 29 Anträge, davon drei Leit­anträge. Thematisiert werden sollten in diesem Block „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“. Was sich zunächst ziemlich trocken anhörte, stellte sich im Verlauf der Debatte, insbesondere am Donnerstagabend, als zentral heraus: Es ging um die Frage der Honorierung – und wie erreicht werden kann, dass die Politik diese endlich nach über zehn Jahren erhöht.

Der erste Antrag war ein Leitantrag zur „Steigerung der Apothekenhonorierung“. Der Gesetzgeber wird darin aufgefordert, das „Fixum nach Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf 12,00 Euro netto pro Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels zu erhöhen und diesen Betrag dann ab 2025 mittels eines sachgerecht kompilierten Index anzupassen“. Zudem soll der Apothekenabschlag gemäß § 130 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auf 1,48 Euro netto (derzeit 1,77 Euro brutto) fest­geschrieben werden. Wenig über­raschend wurde der Antrag ohne Diskussion einstimmig angenommen.

Hier können Sie die Anträge vom Deutschen Apothekertag 2023 "4. Rahmenbedingungen der Berufsausübung" herunterladen.

Präventionsmaßnahmen: Apotheken einbinden

Auch die folgenden Anträge bezogen sich auf Fragen der Honorierung, allerdings auf Einzelaspekte. In Antrag 4.2 wurde gefordert, „Präventionsmaßnahmen stärker finanziell und strukturell zu fördern und dabei die Apotheken einzubinden und angemessen zu honorieren“. In der sich anschließenden Debatte ging es vor allem um die Frage, ob die Apotheken aufgrund von Fachkräftemangel nicht ohnehin überlastet seien und keine neuen Aufgaben übernehmen sollten. Auf der anderen Seite wurde allerdings betont, dass man sich mit der Weiterentwicklung des Berufsstandes beschäftigen und sich nicht durch die Nebelkerzen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Vortag gezündet hatte, verunsichern lassen sollte. Die Weiterentwicklung des Berufsstandes müsse Thema bleiben. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Honorar für Sonderleistungen

Anders sah das bei den folgenden Anträgen aus. Der Apothekerverband Nordrhein wollte den Gesetzgeber auffordern lassen, „bei der Abgabe von Arzneimitteln, die einen erhöhten Aufwand in der Beschaffung, Beratung etc. erfordern, ein angemessenes Honorar vorzusehen“ (Antrag 4.3.). In der Folge entspann sich eine Strategiedebatte, die sich auch auf die weiteren Anträge zu Einzelaspekten der Honorierungsfrage erstreckte. Sowohl Antrag 4.3 zur Honorierung von Sonderleistungen, als auch die Anträge 4.4 zur Honorierung für die Umsetzung der Rabattverträge, 4.5 zur Honorierung des Einzugs der Zuzahlung und 4.6 zum Ende des Krankenkassenzwangsrabatts bei Nutzung von Sonder-PZN wurden letztlich in einen Ausschuss verwiesen.

Die Strategiedebatte drehte sich nun um die Frage, wie am besten die Forderung nach einer Erhöhung der Vergütung der Arbeit der Apothekerschaft zu erzielen sei. Jene, die für eine Debatte und auch Annahme der Einzelanträge waren, betonten unter anderem, es gehe dabei um ein „politisches Signal“, dass die derzeitige Honorierung nicht mehr die Realität abbildet. Es seien Argumente darin, die die „Mehrarbeit“ sichtbar machen würden. Es gehe nicht um eine „Zerpflückung“ des Honorars, sondern um einen Zusatz. Mit den Einzelanträgen hätte man aber eventuell auch einen „Plan B in der Tasche“, sollte die Hauptforderung von der Politik abgewiesen werden. Damit gebe man dem Minister nur Munition, hieß es allerdings von der anderen Seite. Die Einzelanträge würden den Haupt­antrag „torpedieren“. Sollte die Politik auf diese eingehen, würde man am Ende mit kleinen Zugeständnissen abgespeist.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Angenommen! Dem Leitantrag zur „Steigerung der Apothekenhonorierung“ wurde erwartungsgemäß mit großer Mehrheit zugestimmt.

Ausgleich von Lagerwertverlusten

Angenommen wurde dann wieder der nächste Antrag bezüglich des Ausgleichs von Lagerwertverlusten. Der Gesetzgeber soll demnach aufgefordert werden, „geeignete Maßnahmen zu treffen, welche die Apotheken vor eintretendem finanziellem Schaden im Zuge der Änderung von Festbeträgen oder endenden Rabattverträgen schützen bzw. solche finanziellen Nachteile kompensieren“. Begründet wurde dies damit, dass regelmäßig Festbeträge und damit Preise für bestimmte Arzneimittelgruppen gesenkt werden und den Apotheken so „unverschuldet wirtschaftliche Schäden in beträchtlichem Umfang“ entstehen. Das Plenum folgte dieser Argumentation.

Ausweitung Botendienste

Es gab Widerstand, als die Verstetigung der Botendienstvergütung zum 1. Januar 2021 eingeführt wurde. Aber bereits damals machte die ABDA klar, dass sie die Pauschale nicht nur für verschreibungspflichtige, sondern auch für erstattungsfähige OTC-Arzneimittel haben will. Nun wurde diese Idee auf dem DAT in einem Leitantrag wieder aufgegriffen und erweitert: Die Aufwandsentschädigung soll sich an einer geeigneten Kenngröße orientieren und regelmäßig angepasst werden. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Selbstverwaltung

Zwei Anträge wollten das Profil der Selbstverwaltung schärfen: Antrag 4.12 wollte den Gesetzgeber auffordern, die Selbstverwaltung stärker in Gesetz- und Verordnungsgebungsprozesse einzubinden. Der Antrag wurde angenommen nach einer Umformulierung, es heißt nun, dass der Gesetzgeber aufgefordert wird, „die im Gesetzgebungsverfahren zu Beteiligenden stärker einzubinden“.

Der nächste Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Hier ging es darum, dass die Selbstverwaltung auf eine Art „konturiert“ werde, dass ein Umgang „auf Augenhöhe“ zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern als allgemeiner, nicht zuletzt aber auch rechtsverbindlich zu beachtender Grundsatz festgeschrieben wird. Das „Potenzial der Selbstverwaltung“ müsse sich entfalten können, hieß es von den Antragstellern. Das sei derzeit nicht der Fall. Es müsse eine „Kontrollinstanz, Sanktionssystem für den Fall von Verstößen auch und vor allem zulasten der Kassen“ geben.

Überarbeitung des Heilmittelwerbegesetzes

Drei Anträge beschäftigten sich mit dem Thema Werbung. Die Landes­apothekerkammer Hessen wollte mit einem Antrag vor allem Influencer und die sozialen Medien ins Visier nehmen. Der Gesetzgeber solle auf­gefordert werden, „die gesetzlichen Regelungen an die heutigen modernen Werbeformate anzupassen, sodass das Arzneimittel eine Ware besonderer Art bleibt und nicht weiter bagatellisiert wird“. Es gehe vor allem auch um junge Menschen, die dieser Werbung ausgesetzt seien, betonten die Antragsteller in der Debatte. Aus Arzneimitteln würde Lifestyle-Gegenstände in einer „Scheinwelt“. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bedankte sich ausdrücklich für den Antrag. „Alle Arzneimittel gehören in unsere Hand und alle Arzneimittel müssen geschützt werden“, sagte sie in der Debatte.

Internet und Laienwerbung für Rx-Arzneimittel

Die Apothekerkammer Nordrhein wollte den Gesetzgeber auffordern, „ein Verfahren zu entwickeln, mit dem Internetseiten mit gesundheitsbezogenen Angeboten, die gegen geltendes Recht verstoßen, durch einen entsprechenden Antrag gesperrt werden können“. In der Diskussion stellte sich heraus, dass auf der einen Seite grund­sätzlich gefragt wurde, ob man derart zensierend ins Netz eingreifen sollte, wenn keine schweren Straftaten vorliegen. Auf der anderen Seite wurde hervorgehoben, dass, selbst wenn es an dieser Stelle nicht möglich sein sollte, schnell rechtliche Rahmen­bedingungen geschaffen werden müssten. Bei diesem Antrag gehe es um eine Frage der Haltung. Er wurde letztlich angenommen.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Auch so geht DAT! Es gibt Sätze, die man in jedem Jahr bei der Antragsberatung hören kann. Ein DAT-Bingo lag da nahe. Wie es ausgegangen ist, wissen wir allerdings leider nicht.

OTC-Rabattwerbung

Auch der Antrag des geschäftsführenden ABDA-Vorstands zu OTC-Rabattwerbung wurde ohne Wortmeldung mit deutlicher Mehrheit durchgewunken. Der Gesetzgeber soll demnach aufgefordert werden, die „heilmittelwerberechtlichen Vorschriften zur Rabatt- und Preiswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an die unionsrechtlichen Vorgaben gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) anzupassen“.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Ein Antrag wollte die Formulierung „Zu Risiken und Nebenwirkungen …“ zu Beginn der Beipackzettel ändern lassen. Es solle zukünftig „Zur sicheren Arzneimittelanwendung …“ heißen. Die derzeitige Formulierung suggeriere dem Verbraucher, das Arzneimittel könnte unter Umständen gefährlich sein. „Daraus resultieren Skepsis, in besonderen Fällen sogar Angst und Ablehnung, die einer gelingenden Therapie, die ja nicht zuletzt die Bereitschaft und das Vertrauen der Anwendenden voraussetzt, entgegenstehen“, steht dazu in der Begründung des Antrags. Am Ende dürften aber die Argumente, die auf eine Bagatellisierung von Arzneimitteln durch die Änderung der Formulierung warnten, überzeugt haben. Der Antrag wurde abgelehnt.

Aufhebung derFälschungsschutzrichtlinie

Die Forderung, die Fälschungsschutzrichtlinie aufzuheben, wurde abgelehnt. Zur Begründung des Antrags hieß es, in Deutschland seien kaum gefälschte Arzneimittel im Umlauf. Die ablehnenden Stimmen monierten vor allem, dass der Antrag ein falsches Signal aussende, nämlich dass die Apothekerschaft sich nicht um ihre Patientinnen und Patienten kümmere. Kritisiert wurde auch, dass eben die gesetzliche Regelung dazu geführt habe, dass es kaum Fälschungen gebe.

Einheitlich geltender Hilfsmittelvertrag

Der letzte Leitantrag befasste sich mit der Hilfsmittelversorgung und wurde auch ohne Umschweife angenommen. Aufgefordert wurde der Gesetzgeber, dafür zu sorgen, dass der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband „einen für alle gesetzlichen Krankenkassen geltenden Hilfsmittelversorgungsvertrag“ verhandeln, „der bundesweit Geltung beansprucht und eine unbürokratische und für die Apotheken auskömmliche Versorgung der Bevölkerung mit Hilfsmitteln ermöglicht“. Zur Begründung hieß es, dass wegen der bestehenden Vertragspluralität sowohl Leistungserbringer als auch Krankenkassen kaum noch einen „Überblick“ hätten. |

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