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Apotheken als niedrigschwellige Anlaufstelle für die Früherkennung

Apotheken, Ärzte und Kassen: Konzertierte Initiative gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen

ks | Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte es Ende September beim Deutschen Apothekertag angekündigt: Er will mehr für die Vorsorge und Früherkennung bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen tun – und die Apotheken sollen dabei eine aktive Rolle spielen. Am vergangenen Montag gab es nun im Bundesgesundheits­ministerium (BMG) ein Treffen mit Vertretern der Apotheker- und Ärzteschaft sowie der Krankenkassen, um die Pläne zu verfeinern. Lauterbach kündigte im Anschluss eine konzertierte Aktion an – und einen Gesetzentwurf, den er „in wenigen Wochen“ vorlegen will.
Foto: BMG

Miteinader statt gegeneinander ABDA-Geschäftsführer Martin Schulz, Minister Karl Lauterbach, Kardiologe Benny Levenson und Barmer-Chef Christoph Straub (v. l.).

Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz – Herz-Kreislauf-Erkrankungen sorgen in Deutschland für ein Drittel aller Todesfälle und sind für die höchsten Kosten im Gesundheitssystem verantwortlich. Es gibt viele un­erkannte Fälle von Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen, die am Ende zu teuren Behandlungen führen. Im internationalen Vergleich steht Deutschland nicht gut da – und das will Lauterbach ändern. Künftig sollen die Risiken für diese Erkrankungen früher erkannt werden und Patienten, bei denen sie bekannt sind, stabil medikamentös behandelt werden.

Bereits Anfang Oktober hatte das BMG ein „Impulspapier“ vorgelegt, das aufzeigt, wo in der Früherkennung und bei einer besseren Aufklärung angesetzt werden könnte. Es nannte auch schon Aufgaben, die Apotheken übernehmen könnten und zusätzliche Screenings, die in klassische ärztliche Vorsorgeuntersuchungen fließen sollen. So hieß es im Papier, Apotheken sollten enger „im Rahmen von Vorfeld-Untersuchungen zu den Check-ups“ eingebunden werden: durch eine niedrigschwellige Beratung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zu Früherkennungsangeboten, Cholesterinwert-Bestimmungen, Blutdruckmessungen, Blutzucker-Messungen und BMI-Berechnungen sowie eine Beratung zur Nicotin-Entwöhnung.

„Viel zu lange nichts unternommen“

Nun traf sich Lauterbach mit Vertretern der ABDA, des Deutschen Hausärzteverbands, des Berufsverbands der Kardiologen, der Deutschen Herzstiftung sowie der Krankenkassen, um auf Grundlage dieses Papiers das weitere Vorgehen zu besprechen. Und die Gespräche verliefen dem Minister zufolge „erkenntnisgewinnend“ und konstruktiv – es sei jetzt klar, dass ein Gesetz kommen werde. Denn eigentlich sei die missliche Lage seit zwanzig Jahren bekannt – doch bislang habe man nichts dagegen unternommen. Das erklärte Lauterbach in einer Pressekonferenz nach dem Gespräch im BMG.

Neue Screenings, Verbesserung der Adhärenz

Neben den Vorfeld-Screenings in Apotheken, in denen Risikoträger identifiziert werden sollen, die gar nicht erst zum Arzt gehen, geht es um neue Untersuchungen im Rahmen der Kinder- und Jugend-Vorsorgeuntersuchungen sowie den ärztlichen Check-ups ab 25, 35 und 50 Jahren. So soll etwa schon bei der U9 ein Lipid-Screening mit Fokus auf familiäre Hypercholesterinämie erfolgen. Das besondere Problem bei hohen Blutdruck- und Blutfettwerten ist schließlich, dass sie nicht weh tun – und man sie oft erst bemerkt, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Zu den Untersuchungen sollen die Krankenkassen ihre Ver­sicherten gezielt einladen.

Zudem soll besonderes Augenmerk auf die medikamentöse Behandlung von Patienten gelegt werden, bei denen Risikofaktoren ausgemacht sind oder die bereits ein kardiovaskuläres Ereignis hinter sich haben. Schließlich gebe es preiswerte und bewährte Arzneimittel mit geringem Nebenwirkungspotenzial, betonte Lauterbach. Doch diese müssen dauerhaft eingenommen werden – und daran hapert es häufig. Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer verwies auf eine ältere Analyse seiner Kasse, bei der die Medikation von Patienten nach einem Herzinfarkt betrachtet wurde. Wie viele erhielten nach einhalb Jahren noch die anfänglich verordneten Arzneimittel gegen Bluthochdruck und hohe Blutfette? Es waren nur noch etwas mehr als 30 Prozent, so Straub. Wie viele die verordneten Mittel dann wirklich nehmen, ist nochmals eine andere Frage. Und so wird es am Ende durch die Behandlung, durch Bypässe, Stents etc., sehr viel teurer.

Einhergehen soll die neue Vorsorge-Initiative mit einer öffentlichen Aufklärungskampagne. Auch die Apotheken, die mitmachen, sollen auf das Programm hinweisen – denn wichtig wird am Ende sein, dass ihre neuen niedrigschwelligen Angebote auch angenommen werden.

Schulz verweist auf gute Erfahrungen mit ARMIN

Neben Straub trat auch Martin Schulz, ABDA-Geschäftsführer Arzneimittel, nach dem Treffen mit Lauterbach vor die Presse. Er erklärte, dass die Apothekerschaft die Initiative des Ministers begrüße. Er verwies auf drei aus seiner Sicht besonders wichtige Punkte: Zum einen fühlten sich Patientinnen und Patienten sicher, wenn sich Arzt und Apothekerin gemeinsam und abgestimmt um sie kümmern – dies habe das ARMIN-Projekt eindrucksvoll gezeigt. Zudem gebe es bereits Kriterien, die mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie z. B. für Bluthochdruck und der Deutschen Diabetes Gesellschaft für Diabetes vereinbart und untersucht worden seien – sie zeigten, wann Menschen an die Hausärztin oder den Hausarzt verwiesen werden sollten. Und drittens müsse das Ganze natürlich auf einer „grundlegenden Stabilisierung der apothekerlichen und ärzt­lichen Aufgaben“ basieren – nur dann könne es erfolgreich sein.

Lauterbach: kein „Gefallen“ für die Apotheken

Lauterbach betonte, dass es um eine konzertierte Aktion gehe, bei der die beteiligten Berufsgruppen „nicht gegeneinander, sondern miteinander“ liefen. Apothekerinnen und Apotheker könnten durch die Erfahrungen, die sie bereits in Projekten gesammelt haben, einiges Vorwissen einbringen. Sie seien damit eine „wichtige Ressource“ in der niedrigschwelligen Früherkennung. Der Minister erklärte auch, dass er sich schon seit vielen Jahren dafür einsetze, Apothekerinnen und Apotheker stärker in derartige Aufgaben einzubeziehen. Es gehe also nicht darum, den Apotheken im gegenwärtigen Konflikt mit dem BMG „einen Gefallen“ zu tun, unterstrich er. Nun sollen alle Beteiligten weitere Vorschläge ein­bringen – insbesondere haben die Hausärzte zugesagt, Ideen zu unterbreiten, wie man die Adhärenz von Patienten erhöhen könne – und das in Zusammenarbeit mit den Apotheken.

Missverständnisse ausgeräumt

Nachdem das Impulspapier bekannt geworden war, hatten diverse Ärzte­verbände die neue Rolle der Apotheken kritisiert: Es wurde vor „Arztpraxen to go“, „Light-Anlaufstellen“ und „teuren Parallelangeboten“ gewarnt. Doch diese Dissonanzen sind offenbar Geschichte. Lauterbach sagte, er habe bei den Gesprächen beim Deutschen Hausärzteverband keine Vorbehalte feststellen können. Vielmehr habe man Missverständnisse ausräumen können. Die Behandlung der Patienten solle schließlich weiterhin durch die Hausärztinnen und -ärzte erfolgen. Das Screening in den Apotheken solle lediglich helfen, „behandlungsbedürftige Risikoträger in die Hausarztpraxen zu bringen“. Es gehe nur um Menschen, die bisher gar nicht versorgt wurden.

Wie das neue Vorsorge-Programm finanziert wird und ob bzw. wie die Apotheken in diesem Zusammenhang honoriert werden, ist bislang nicht klar. Lauterbach ist jedoch überzeugt: „Die gesamte Maßnahme wird natürlich die Kosten im deutschen Gesundheitssystem senken“. |

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