DAZ aktuell

Kein Recht auf Natrium-Pentobarbital

Bundesverwaltungsgericht: Es gibt alternative Wege zur Selbsttötung

ks | Haben Sterbewillige das Recht, dass ihnen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung erlaubt? Das Bundesverwaltungs­gericht in Leipzig hat jetzt entschieden: Nein, denn es gibt alternative, medizinisch begleitete, Möglich­keiten, sich das Leben zu nehmen. Versagt das BfArM die begehrte Erlaubnis, sei dies mit dem durch das Grundgesetz geschützten Recht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbar. (BVerwG, Urteil vom 7. November 2023, Az.: BVerwG 3 C 8.22, BVerwG 3 C 9.22)

Nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist die Erlaubnis für den Erwerb eines Betäubungsmittels zu versagen, wenn diese nicht mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar ist, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG). Sterbewillige, die beim BfArM die Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital beantragen, laufen regelmäßig auf. Und das, obwohl das Bundesverwaltungsgericht im März 2017 entschieden hatte, dass der Staat im Einzelfall einem schwer und unheilbar kranken – aber entscheidungsfähigen – Patienten in einer extremen Notlage diesen Zugang nicht verwehren dürfe.

Die Kläger, die jetzt eine erneute Entscheidung in Leipzig herbeiführten, hatten nicht akzeptieren wollen, dass der vorherige Richterspruch nicht umgesetzt wurde – dafür hatte maßgeblich das damals in den Händen der Union befindliche Bundesgesundheitsministerium gesorgt. Doch auch in letzter Instanz sprach man ihnen das Recht zum Zugang auf das tödliche Mittel nicht zu. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor, doch in einer Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es, die Vorinstanz habe im Einklang mit Bundesrecht entschieden, die beantragte Erlaubnis zu versagen. Der Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung sei grundsätzlich nicht mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift meine die Anwendung eines Betäubungsmittels zur Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden. Eine solche therapeutische Zielrichtung habe die Beendigung des eigenen Lebens grundsätzlich nicht.

Eingriff in Grundrechte – aber keine Verletzung

Die Versagung der Erlaubnis verletze die Kläger auch nicht in ihren Grundrechten. Zwar werde in ihr Recht eingegriffen, selbstbestimmt zu entscheiden, wann und wie sie ihr Leben eigenhändig bewusst und gewollt be­enden möchten (dieses Recht besteht nach der 2020 ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit dem das Sterbehilfeverbot gekippt wurde). Denn Menschen, die freiverantwortlich entschieden hätten, sich mithilfe von Natrium-Pentobarbital töten zu wollen, könnten ihren Entschluss ohne Zugang zu diesem Betäubungsmittel nicht in der gewünschten Weise umsetzen.

Allerdings sei dieser Grundrechts­eingriff gerechtfertigt. Das BtMG verfolge mit dem generellen Verbot, Betäubungsmittel zum Zweck der Selbsttötung zu erwerben, nämlich unter anderem das legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern. Die beanstandete Verbotsregelung sei geeignet und erforderlich, um das Ziel zu erreichen, und überdies angemessen. Denn es gebe andere zumutbare Möglichkeiten seinen Sterbewunsch zu verwirklichen.

Alternativen belasten, doch Missbrauchsgefahr überwiegt

Ein Sterbehilfeverbot gibt es in Deutschland seit der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr. Schon das Oberverwaltungsgericht hatte festgestellt, dass für Sterbewillige daher nun die realistische Möglichkeit besteht, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden kann. Diese Alternativen seien für die Sterbewilligen zwar mit Belastungen verbunden, etwa weil sie diese ärztliche Person erst einmal finden müssen. Diesen Belastungen stünden jedoch wichtige Gemeinwohlbelange gegenüber: „Die Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung durch Miss- oder Fehlgebrauch des Mittels sind angesichts seiner tödlichen Wirkung und der einfachen Anwendbarkeit besonders groß und wiegen schwer“, betont das Gericht. „Diese besonderen Gefahren sind die Kehrseite der dargelegten Vorzüge des Mittels für die Sterbewilligen.“

In der Abwägung steht für die Leipziger Richterinnen und Richter am Ende fest: „Angesichts dieser Gefahren und der bestehenden Alternativen zum Einsatz des gewünschten Mittels ist es nicht zu beanstanden, dass das Gesetz seinen Erwerb zum Zwecke der Selbsttötung nicht zulässt.“

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 stehe dem auch nicht entgegen, da im vor­liegenden Falle keine solche extreme Notlage vorliege, wie in diesem vorangegangenen Urteil. |

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