Aus den Ländern

Showroom der Zukunft

Ärzte und Apotheker machen das Potenzial der Telematikinfrastruktur erlebbar

Sie wollen die Digitalisierung im Gesundheitswesen gemeinsam voranbringen: Die Landesärztekammer Baden-Württemberg (LÄK) und die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) haben sich auf eine langfristige Zusammenarbeit beim Thema Digitalisierung verständigt. Als sichtbares Zeichen dieser Kooperation haben sie einen Showroom eingerichtet. In ihm kann man die Möglichkeiten der Telematikinfrastruktur simulieren und erleben. Wir haben uns diesen Showroom angesehen. | Von Peter Ditzel

Ein Showroom bei einer Ärztekammer, die in Sachen Digitalisierung zudem noch mit einer Apothekerkammer kooperiert, ist einzigartig in Deutschland, wie Arne Pullwitt, Leiter der Stabsstelle eHealth bei der LÄK, anmerkt. Und Armin Flohr, Geschäftsführer der LÄK, fügt noch hinzu, dass es in Baden-Württemberg bereits seit Langem eine gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Heilberufskammern der Ärzte und Apotheker gibt: „Für uns war es daher selbstverständlich, zum Thema flächendeckende Digitalisierung im Gesundheitswesen eine langfristige Zusammenarbeit zu vereinbaren“, freut er sich. Man befinde sich außerdem noch im Gespräch mit der Landeszahnärztekammer und mit der Landespsychotherapeutenkammer, die ebenfalls überlegen, sich beim Showroom zu beteiligen.

Die Ärztekammer hatte bereits vor etwa einem Jahr be­gonnen, einen Digitalisierungs-Showroom aufzubauen, um Digitalisierung erlebbar zu machen. Pullwitt: „Die Vorgänge beim E-Rezept, bei der elektronischen Patientenakte und bei der Kommunikation zwischen Praxen zu erleben und selbst durchzuführen, ist immer besser, als sie nur theoretisch zu vermitteln.“

Das Angebot der Landesärztekammer, sich an diesem Showroom zu beteiligen, nahm die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) daher sehr gerne an: „Wenn wir Ärztinnen und Ärzten zeigen können, wie elektronische Verordnungen funktionieren, und wenn Apothekerinnen und Apotheker sehen, welche Vorgänge in der Arztpraxis ablaufen, bevor ein E-Rezept die Apotheke erreicht, dann kann dies das gegenseitige Verständnis für die Abläufe nur fördern und ein gegenseitiges Interesse wecken“, so Dr. Karsten Diers, Geschäftsführer der LAK. Und daher ist im Showroom neben den Arbeitsplätzen mit Praxis­verwaltungssystemen zweier Arztpraxen auch ein PC-Arbeitsplatz (Apothekenverwaltungssystem) einer Apo­theke eingerichtet.

Foto: Peter Ditzel

Abb. 1: Sie haben den Showroom zur Digitalisierung im Gesundheitswesen auf die Beine gestellt(v. l.): Armin Flohr, Geschäftsführer der Landesärztekammer (LÄK), Dr. Karsten Diers, Geschäftsführer der Landesapothekerkammer, und Arne Pullwitt, Leiter der Stabsstelle eHealth bei der LÄK.

Was kann der Showroom?

An den umfangreich ausgestatteten Arbeitsplätzen von Arztpraxis und Apotheke steht alles zur Verfügung: Praxisverwaltungssysteme und Warenwirtschaftssystem, die gesamte Hardware wie Scanner, Lesegeräte, die erforderlichen Karten (SMC-B und HBA), die elektronische Gesundheitskarte und Smartphones mit der Gematik-App. So lassen sich die digitale Kommunikation und der Datenaustausch zwischen Arztpraxen, aber auch zwischen Praxis und Apotheke und den Patienten abbilden. Der komplette Prozess des elektronischen Rezeptes, von der Ausstellung in der Arztpraxis (auch mit Komfortsignatur) bis hin zur Einlösung und Ausgabe eines Arzneimittels in der Apotheke, kann realitätsnah abgewickelt und dargestellt werden.

Worauf Pullwitt auch hinweist: „Der Showroom erlaubt sogar, die Vorgänge bei der elektronischen Patientenakte (ePA), einem zentralen Element der Digitalisierung im Gesundheitswesen, darzustellen.“

Um Vorgänge, die im Gesundheitswesen über die Telematikinfrastruktur (TI), die „Datenautobahn im Gesundheits­wesen“, ablaufen, in sicherer Umgebung darstellen zu können, ist der Showroom nicht mit der realen TI verbunden: Die offizielle TI ist eine geschützte Umgebung. Der Showroom bildet dagegen eine Testumgebung der Gematik ab, er simuliert eine eigene TI. Pullwitt: „Wir befinden uns hier in einer sogenannten Referenzumgebung (RU) der Gematik, die eigens für den Zweck eingerichtet wurde, damit z. B. auch Software-Hersteller ihre Produkte testen können.“ In dieser Testumgebung sind die gleichen Zugangsvoraus­setzungen notwendig wie in der TI, also die Zugangskarten wie SMC-B, HBA und eGK.

„Wir können in dieser Referenzumgebung also wie in der echten TI arbeiten – mit allen Vorteilen, aber auch Schwierigkeiten“, räumt Pullwitt ein. So kommt es beispielsweise durchaus vor, dass auch die Referenzumgebung des Showrooms mit technischen Problemen konfrontiert wird, so dass, wie vor Kurzem geschehen, die E-Rezept-Funktion nicht funktioniert. „Im Prinzip wird hier also auch der Ärger simuliert, den solche Störungen hervorrufen“, fügt Flohr hinzu, „was manchmal auch sein Gutes hat: Man kann sich viel besser vorstellen, was es bedeuten würde, wenn z. B. die Apotheke morgens das System startet und die TI und das E-Rezept nicht funktionieren.“ Letztlich sei dies auch eines der großen Akzeptanzprobleme der TI in der Ärzteschaft: Die Telematikinfrastruktur läuft noch nicht wirklich robust. So sei es kein Wunder, wenn Arztpraxen (und Apotheken) von einer unzuverlässigen Technik genervt seien und stattdessen lieber zum Papierrezept greifen. „Dass solche Probleme und technischen Störungen auch im Showroom auftreten, ist daher kein Nachteil“, ergänzt Pullwitt, „im Gegenteil: Wenn hier alles reibungslos funktionieren würde, würde dies die Wirklichkeit nicht abbilden.“

Eingerichtet ist der Showroom mit zwei Praxisverwaltungssystemen (PVS) und einem Apothekenwarenwirtschaftssystem. Auf die Auswahl der IT-Firmen, die im Showroom die Praxis- und Apothekensysteme zur Verfügung stellen, nahmen LÄK und LAK bewusst keinen Einfluss. Die Ausschreibung lief über einen Technik-Dienstleister, der die Auswahl getroffen hat. Gut zu wissen: Hier geht es also nicht um die Schulung in diesem oder jenem Praxis- oder Apothekensystem, sondern ums Prinzip, wie die Abläufe sind, produktneutral.

Flohr betont, für die Ärztekammer sei es wichtig, auch wegen solcher Fragen mit einem Partner wie der LAK zusammenzuarbeiten: „Wir arbeiten hier als Heilberufskammern auf gleicher Ebene zusammen vor dem Hintergrund des Heilberufskammergesetzes. Würden hier z. B. Apothekervereine oder die Kassenärztliche Bundesvereinigung dabei sein, so könnte möglicherweise die Produktneutralität nicht gewährleistet sein.“

Für wen ist das Angebot intendiert?

Der Showroom sieht seine Aufgabe darin, ein Informationsangebot zum Thema Digitalisierung und Telematikinfrastruktur anzubieten, zurzeit in erster Linie für Ärztinnen und Ärzte sowie für Apothekerinnen und Apotheker und deren Teams. Das Angebot steht aber nicht nur den Niedergelassenen offen, auch Einrichtungen wie Qualitätszirkel, Klinikstationen, Pflegeeinrichtungen u. a. können das Angebot wahrnehmen. „Der Showroom soll ein Ort sein, die digitalen Entwicklungen und Bedürfnisse in vielen Bereichen des Gesundheitswesens abzubilden, vom Notarzt bis zur Rehaeinrichtung und bis hin zur Telemedizin“, fügt Pullwitt mit Blick auf die weiteren Pläne hinzu. Zur Information der Bevölkerung, für Patientinnen und Patienten wird allerdings bisher nichts angeboten, obwohl dies natürlich wichtig wäre. „Aber dies können wir derzeit nicht leisten“, so Pullwitt, „vielleicht gibt es hierzu langfristig gesehen noch Möglichkeiten.“

Was zeigt der Showroom?

Interessierte Praxen oder Apotheken können einen Besuchstermin vereinbaren. Gut zu wissen: Im Gegensatz zu seinen Anfängen bietet der Showroom seinen Besucherinnen und Besuchern heute keinen einheitlichen Fahrplan mehr, der allen alles vermitteln will. Die meisten, die hierherkommen, haben bereits Vorkenntnisse und wollen sich zu speziellen Fragestellungen informieren. Wobei sich in den Gesprächen allerdings oft weitere Fragen ergeben und detailliertere Kenntnisse vermittelt werden, so Pullwitt. Der Showroom versucht sich dabei auf alle Interessenten und deren Bedürfnisse einzustellen. Flohr: „Wir haben es hier mit einer sehr heterogenen Klientel zu tun: Während manche bereits sehr technikaffin und tief in den digitalen Strukturen und in der Netzwerktechnik zu Hause sind, gibt es auch andere, die mit der Technik nur wenig zu tun haben (wollen) – und das hat übrigens nicht nur mit dem Alter der Menschen zu tun.

Wir versuchen uns auf alle Bedürfnisse einzustellen, wir wollen alle an die Digitalisierung heranführen, auch an Fragen von Datenschutz und Datensicherheit. Kurzum: Wir sehen es als Auftrag an, alle interessierten Leistungserbringer im Gesundheitswesen an das Thema Digitalisierung heranzuführen.“ Fragen rund um das E-Rezept sind also nur ein Teil des Angebots. Auch die Organisation der Kommunikation zwischen Apotheke und Praxis ist ein Thema ebenso wie zukünftige digitale Möglichkeiten. Auch die Anwendung von KIM (Kommunikation im Medizinwesen) ist für Apotheken ein Thema. Der Showroom zeigt, wie über KIM mit der Praxis oder mit Pflegeheimen kommuniziert wird.

Arztpraxen erhalten im Showroom außerdem Infos, wie sie die Patientinnen und Patienten schon vor dem Praxis­besuch digital abholen können, beispielsweise durch Online-Terminvergabesysteme, mit Telefonassistenzsystemen, mit Systemen zur digitalen Anamnese.

Nicht zuletzt informiert der Showroom auch über weitere Anwendungen wie z. B. Mini-Elektrokardiogramm-Geräte, virtuelle Brillen, elektronische Stethoskope, Wearables und vieles mehr.

Und natürlich sind auch KIM (Kommunikation im Medizinwesen über die TI) und die elektronische Patientenakte (ePA) wichtige Themen im Showroom. „Auch für Apotheken werden die Informationen über die TI hinaus noch ausgebaut“, so Pullwitt, „beispielsweise Infos zu den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA).“

Foto: Peter Ditzel

Abb. 2: Einzigartig in Deutschland ist der Showroom zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, bei dem die Landes­ärztekammer und Landesapothekerkammer von Baden-Württemberg zusammenarbeiten.

Kammern im Gespräch zur Digitalisierung der Zukunft

Digitalisierung steht erst am Anfang. „Wenn das rosa Rezeptformular durch eine eGK ersetzt wird, hat sich für den Patienten zunächst nicht allzu viel verändert“, so Flohr im Gespräch zur Zukunft der Digitalisierung im Gesundheitswesen, „der Patient läuft mit der eGK zu seiner Apotheke und steckt die Karte, statt sein Papierrezept abzugeben. Löst er dagegen das E-Rezept über die Gematik-App ein, dann bestehen bereits weitere Möglichkeiten für ihn.“ Der Patient kann so sein E-Rezept an jede gewünschte Apotheke versenden, er kann mit der Apotheke Kontakt aufnehmen, weitere Arzneibestellungen hinzufügen oder einen Botendienst anfragen. „Wobei für Apotheken wohl die eGK eine der bevorzugten Arten der digitalen Rezepteinlösung ist“, so Diers, „denn mit der eGK geht der Patient in seine Vor-Ort-Apotheke.“ Verständlich, so Flohr, auch für ihn sei die eGK das Griffigste. Aber mal digital in die Zukunft gedacht: Bei einer durchgängigen digitalen Vernetzung könnte z. B. der Arzt im Moment der Verordnung bereits ins Warenlager von Apotheken sehen und prüfen, ob seine verordneten Arzneimittel in der vom Patienten bevorzugten Apotheken vorhanden sind. Das würde den Umgang mit Rabattverträgen und Lieferengpässen erleichtern. Was allerdings Widerstände der Apotheken hervorrufen würde, so Diers. Und Flohr meint dazu augenzwinkernd: „Heute schickt die Apotheke ihren umliegenden Ärzten ein Fax, welche Arzneimittel, z. B. Kindersäfte, gerade verfügbar sind – auf dem Land mag dies funktionieren, in der Stadt eher weniger.“ Die Digitalisierung könnte also durchaus dazu beitragen, das Handling der Lieferengpässe besser in den Griff zu bekommen.

Foto: Peter Ditzel

Abb. 3: Die digitalen Vorgänge in der Apotheke, z. B. E-Rezept und alle kommenden digitalen Anwendungen, lassen sich im Showroom simulieren.


Ein weiteres Thema, das einer digitalen Lösung bedarf: Wenn die Notdienst-Apotheke einem Patienten nicht weiterhelfen kann und mit einer ärztlichen Notfallpraxis Kontakt aufnehmen will, ist dies nicht selten mit Schwierigkeiten verbunden, wie Diers berichtet. In solchen Fällen wäre es von Vorteil, wenn die Apotheke mit dem Arzt auf elektronischem Weg kommunizieren und um eine Verordnung bitten könnte. Sinnvoll wäre auch die Möglichkeit, einen Video­kontakt zwischen Patient und Arzt herzustellen.

Laut Diers werde derzeit an einer elektronischen Lösung für solche Fälle gearbeitet. Diers: „Vielleicht wird in Zukunft auch eine KI die ärztlichen Verordnungen unterstützen und Vorschläge machen, um im Wust aller Vorschriften und rechtlichen Rahmenbedingungen noch den Überblick zu behalten. Wichtig ist, dass am Ende der Arzt dennoch selbst entscheidet.“ Das Fazit der beiden Kammern: Die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende, die Digitalisierung wird rasant weitergehen. Das Wichtigste wird sein, auch vor dem Hintergrund der kommenden Digitalisierungsgesetze, dass Ärzte und Apotheker mit der Politik gemeinsam am Tisch sitzen und ihre Wünsche vorbringen, was möglich sein soll. Digitalisierung darf nicht über die Köpfen der Leistungs­erbringer hinweg einfach übergestülpt werden. Und Diers kündigte an, dass auch die LAK weiter aufrüsten wird: Bei der Kammer wird eine neue Stelle geschaffen, die sich den Fragen der Digitalisierung annimmt. Der Showroom trägt dazu bei, Digitalisierung erlebbar zu machen. |

Autor

Peter Ditzel, Herausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung

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