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Graue: Fehler beim Honorar und Lauterbachs Pläne bringen „härtere Zeiten“

Hamburger Apothekerverein: Graue wiedergewählt

HAMBURG (tmb) | Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 7. November stand die wirtschaftliche Situation der Apotheken im Mittelpunkt. Der Verbandsvorsitzende Dr. Jörn Graue beklagte den früheren berufspolitischen Fehler, keine handwerklich saubere Anpassung des Honorars eingefordert zu haben. Weitere Themen waren Kritik am ABDA-Haushalt, Probleme beim Auseinzeln von Teilmengen, der Umgang mit dem Lieferengpassgesetz und die Angebote der Gedisa. Graue und zwei weitere Vorstandsmitglieder wurden turnusgemäß wieder in den Vorstand gewählt.

Als wesentliche Ursache für die wirtschaftliche Lage der Apotheken verwies Graue auf die Einführung des Kombimodells im Jahr 2004 ohne verbindliche Ankopplung an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die plötzliche Wendung zum Niedergang sei lange für die meisten nicht zu begreifen. Graue erklärte dazu: „Das Unglück wird einfach schöngeredet“, und wer davor warne, werde lange belächelt. Erst jetzt werde „sogar von höchster Stelle der fatale Fehler eingeräumt“. Dafür sollte nicht der Staat verantwortlich gemacht werden, sondern „unser Fehler war es damals, nicht für die handwerklich saubere Ausarbeitung der zugesicherten regelmäßigen Anpassung gesorgt zu haben.“

Foto: DAZ/tmb

Der unveränderte Vorstand des Hamburger Apothekervereins Dr. Lutz Schehrer, Dr. Lawrence Oshinowo, Dr. Nils Bomholt, Caroline Klante, Dr. Jörn Graue (Vorsitzender), Katrin Hensen, Sven Villnow (v. l.)

Nun würden die Pläne von Bundes­gesundheitsminister Lauterbach dem Fass den Boden ausschlagen. Es sei unerklärlich, wie durch Leistungs­verbesserung an anderer Stelle Kosten eingespart werden sollen. Lauterbachs Pläne seien ein „Griff in die Mottenkiste“. Er vermische die Erkenntnisse, die er dem schlecht funktionierenden amerikanischen Gesundheitssystem abgeschaut habe, mit der linken Ideologie seiner früheren Weggenossin – gemeint ist die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Seine „toxische Devise“ sei, den freien Berufen mit staatlicher Gewalt ein Ende zu bereiten und gleichzeitig Kapitalgesellschaften den Weg zu ebnen. Graue erwartet, dass Lauterbach seine Pläne trotz der Apothekerproteste durch das Parlament peitschen werde. Zu stark sei auch der Einfluss der Medien, die seine Pläne bejubeln würden. Daher würden „härtere Tage“ kommen. Nach den 600 Apothekenschließungen, die für dieses Jahr erwartet werden, würden es wohl im nächsten Jahr an die 1000 sein, fürchtet Graue. Doch „eine freie Apothekerschaft kann Krisen meistern“, erklärte Graue und ergänzte: „Die Politik aber sollte lernen, über den Tag hinauszudenken, und wir sollten lernen, auf uns selbst zu vertrauen.“ Letztlich ist er sich sicher: „Der Spuk verschwindet, so schnell, wie er gekommen ist.“ Damit spielte er offensichtlich darauf an, Lauterbach könnte in seinem Amt abgelöst werden – insbesondere nach der nächsten Bundestagswahl.

Abgabe von Teilmengen – Folgen beim Herstellerrabatt

Weitere Schwierigkeiten sieht Graue beim E-Rezept. Der Rezeptvalidator der Gematik schweige, obwohl er „ready“ sei, angeblich aufgrund eines Einspruchs der Ärzte. Neue Ungereimtheiten gebe es bei der Abgabe von Teilmengen, weil dieses Vorgehen schwere rechtliche Probleme mit dem nicht korrekt aufgerufenen Herstellerrabatt aufwerfe. Dabei bezog sich Graue auf den Fall, dass aus einer großen Packung mehrfach ausge­einzelt wird. Denn der Hersteller hätte dann nur eine Großpackung in Verkehr gebracht und dürfte nicht mit dem Rabatt für mehrere kleine Packungen belastet werden. Weitere Probleme würden sich aus den zeitlich nicht abgestimmten Daten-­Updates bei den Ärzten ergeben.

Organisationen im Norden gegen den ABDA-Haushalt

Graue berichtete, die Mitgliedsorganisationen in Hamburg und Schleswig-Holstein hätten gegen den ABDA-Haushalt für 2024 gestimmt. Denn sie würden die „exorbitante Erhöhung im kommenden Jahr für höchst unglücklich“ halten, „da viele Apotheken bereits aus dem letzten Loch pfeifen“. Georg Zwenke, Geschäftsführer des Hamburger Apothekervereins und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, ergänzte, dass dies am 18. November thematisiert werden soll, wenn die ABDA-Präsidentin bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein sprechen wird.

Rechtliche Hürden und Möglichkeiten

Zudem konstatierte Graue, das Lieferengpassgesetz bringe mehr Ärger als Vorteile. Die in der Pandemie eingeräumten Freiheiten seien „schlichtweg einkassiert“ worden. Dazu berichteten Graue und Zwenke auch über Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Apothekerverband bei der Auslegung von Regeln, beispielsweise bei der Abgabe von Teilmengen und kürzlich zur Anwendung der Auswahlkaskade gemäß Rahmenvertrag. Zum jahrelangen Streit über die BtM-Gebühr bei Substitutionsverordnungen erklärte Zwenke, dass der Hamburger Apothekerverein nun gegen eine Krankenkasse klagt. Außerdem berichtete er über stark zunehmende Retaxationen bei Hilfsmitteln, beispielsweise wegen nicht vorliegender Präqualifizierungen.

Zwenke bekräftigte in seinem Geschäftsbericht, dass die Apothekenhonorierung das wichtigste berufs­politische Thema ist. Angesichts der jüngsten Pläne von Minister Lauterbach betonte Zwenke, dass Apotheken nicht wie Behörden nach dem Prinzip der Kostendeckung geführt werden könnten, sondern Gewinne erzielen müssten. Dies sei manchen wohl nicht bewusst. Außerdem würden Apotheken mit eingeschränkten Anforderungen die Voll-Apotheken im Wettbewerb belasten. Dann werde es noch schwieriger, einen Nachfolger zu finden. Zur Stellung der Apothekeninhaber als Heilberufler mit voller wirtschaftlicher Verantwortung verwies Zwenke auf grundlegende Urteile des Bundesverfassungs­gerichts. Nachdem auch Graue auf die Möglichkeit hingewiesen hatte, beim Honorar den Rechtsweg zu beschreiten, erklärte Zwenke, es werde geprüft, mit Blick auf § 78 AMG eine Anpassung der Honorierung gerichtlich zu erzwingen. Weiter berichtete Zwenke, die Sanierung des Hamburger Apothekerhauses komme voran, wegen des Mangels an Handwerkern allerdings nicht im gewünschten Tempo.

Angebote der Gedisa

Da der Verein an der Gesellschaft für digitale Services der Apotheken (Gedisa) beteiligt ist, berichtete Sascha Hansen, Kaufmännischer ­Leiter der Gedisa, über die Angebote dieses Unternehmens für die Apotheken. Dabei stellte er die Kommunikation über KIM und die Möglichkeit zur hochsicheren Speicherung von Daten in den Mittelpunkt. Zur Einhaltung einer so hohen Datensicherheit seien die Apotheken verpflichtet. Da die Daten jeweils auf einem eigenen Server abgelegt würden, werde auch für die Übermittlung von Rezept­daten die höchste Sicherheit geboten. Für das nächste Jahr kündigte Hansen viele weitere Leistungen an.

Graue wiedergewählt

Im Rahmen der turnusmäßigen Vorstandswahlen, bei denen jeweils nur ein Teil der Vorstandsposten besetzt wird, standen diesmal drei Vorstandsmitglieder ohne Gegen­kandidaten zur Wiederwahl. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue sowie die Vorstandsmitglieder Dr. Nils Bomholt und Dr. Lawrence Oshinowo wurden für eine weitere Amtszeit bestätigt. Die Zusammensetzung des Vorstandes bleibt damit unverändert. |

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