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Kongresse
Innovationen bei chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen
Gesellschaft für Dermopharmazie richtet den Blick auf neue Therapeutika
Viele neue Wirkstoffe bringen entscheidende Therapiefortschritte, vor allem die systemisch wirksamen Biologika und Januskinase-Inhibitoren, die mehr und mehr Therapiefelder in der Dermatologie erobern. Dabei spielt die Erstattungsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Auch darf die topische Begleittherapie und essenzielle Basispflege der Haut nicht vergessen werden.
Psoriasis vulgaris und ihre Begleiter
Priv.-Doz. Dr. Andreas Pinter, Frankfurt (Main) nahm die Psoriasis in den Blick. Diese häufige chronisch-entzündliche Hauterkrankung wird heute nicht mehr als reine Dermatose verstanden, sondern als systemische Erkrankung. Denn die Hautveränderungen gehen mit einer Vielzahl von Komorbiditäten einher, vor allem mit Psoriasisarthritis, metabolischem Syndrom, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sowie Angststörungen und Depressionen. Aufgrund dieser Begleiterkrankungen und deren Folgen (Herzinfarkt, Schlaganfall) sterben unbehandelte Psoriasis-Patienten früher. Daher ist wichtig, die Therapie früh zu starten und mehr als die Haut zu behandeln, um körperliche, psychische und soziale Auswirkungen der Schuppenflechte zu begrenzen. Einzigartig für die Psoriasis ist die Vielzahl an effektiven und sicheren Therapieoptionen. Gemäß Psoriasis-Leitlinie spielen topisch vor allem die Vitamin-D3-Derivate und die Glucocorticoide eine Rolle. Calcineurin-Inhibitoren werden bisher bei Psoriasis im Off-label-use eingesetzt. Laut Pinter ist ab nächstem Jahr jedoch die Zulassung einer Tacrolimus-haltigen Mikroemulsion für den Einsatz auf der Kopfhaut zu erwarten.
Qual der Wahl bei der Systemtherapie
Im Bereich der Systemtherapie werden orale Arzneistoffe und Biologika genutzt. Methotrexat und Fumarsäure sind dabei die am häufigsten verordneten konventionellen Mittel. Die große Gruppe der Biologika lässt sich nach ihrem Wirkmechanismus in drei Gruppen einteilen: TNF-alpha-Blocker, Interleukin(IL)-23-Hemmer und IL-17-Inhibitoren. Hier hat der Arzt die Qual der Wahl bei der Verordnung. Während die TNF-alpha-Inhibitoren später wirken, gelten die IL-17-Blocker als „Sprinter“, sie zeigen bereits nach vier Wochen Therapie deutliche Effekte. Die IL-23-Blocker überzeugen durch ihr gutes Verträglichkeitsprofil, zudem profitieren Patienten von langen Dosisintervallen. Insgesamt kann mit den IL-17- und IL-23-Hemmern nahezu oder vollständige Erscheinungsfreiheit erreicht werden. In der Leitlinie noch nicht erfasst sind die beiden neuen Wirkstoffe Bimekizumab (Bimzelx®), ein dualer IL-17A/F-Blocker, sowie der orale, selektive TYK2-Inhibitor Deucravacitinib (Sotyktu®).
Psoriasisarthritis und Psoriasis pustulosa
Die Psoriasisarthritis (PsA) ist mit etwa 30% eine häufige Begleiterkrankung der Schuppenflechte. Das Krankheitsbild ist sehr heterogen. Betroffen sein können nicht nur die Gelenke (periphere Arthritis), sondern auch Weichteilgewebe (Daktylitis), Sehnenansätze (Enthesitis) oder die Wirbelsäule (axial). Bei der Therapieauswahl helfen die GRAPPA(Group for Research and Assessment of Psoriasis and Psoriatic Arthritis)-Empfehlungen. Viele klassische orale Substanzen (Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin) wirken bei peripherer Arthritis, jedoch nur minimal bei Enthesitis oder bei axialer Beteiligung. Hier ist meist ein Switch auf Biologika oder JAK-Inhibitoren erforderlich. Zu beachten ist: Biologika werden bei Psoriasisarthritis in anderer Dosis und Applikationsfrequenz verabreicht als bei der dermalen Psoriasis. Zudem sind nur deutlich niedrigere Therapieziele zu erreichen. Umso wichtiger ist bei der PsA ein frühzeitiger Behandlungsbeginn mit effektiven Arzneimitteln. Nicht zuletzt ist begleitend immer an die Basispflege der Haut zu denken. Sie reduziert den Juckreiz sowie die Anzahl und Schwere von Schüben.
Eine komplett eigenständige Krankheit ist die generalisierte pustulöse Psoriasis. Hier spielt IL-36 die entscheidende Rolle im Krankheitsgeschehen. Daher zeigt der IL-36-Rezeptor-Antagonist Spesolimab (Spevigo®) ein sehr effektives und schnelles Ansprechen. Aufgrund regulatorischer Probleme ist Spesolimab jedoch zurzeit nicht mehr im deutschen Markt erhältlich, kann aber aus dem europäischen Ausland über die internationale Apotheke beliefert werden.
Die Gesellschaft für Dermopharmazie
Die GD Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. wurde 1995 gegründet mit dem Ziel, die wissenschaftliche Forschung in den Bereichen dermopharmazeutische Chemie und Technologie, Dermobiopharmazie, Dermatopharmakologie und -toxikologie, Dermokosmetik, Dermatotherapie und dermatologische Versorgung zu fördern, neue Erkenntnisse aus diesen Bereichen zum Nutzen der Fachöffentlichkeit und der Allgemeinheit zu verbreiten und die Zusammenarbeit von Apothekern, Ärzten und anderen Fachleuten zu fördern, die sich für die theoretische und angewandte Dermopharmazie einsetzen. Der internationalen wissenschaftlichen Fachgesellschaft gehören ca. 400 ordentliche Mitglieder an, überwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie rund 35 fördernde Mitglieder, darunter Firmen der pharmazeutischen und kosmetischen Industrie. Ausdruck der Bemühungen der GD um ein dermopharmazeutisches Qualitätsmanagement ist auch das Netzwerk hautapotheke.de, eine Vereinigung von öffentlichen Apotheken, die sich in besonderer Weise für Menschen mit Hautproblemen einsetzen und mit Dermatologen zusammenarbeiten.
Weitere Informationen finden Sie unter www.gd-online.de
Atopische Dermatitis: Eine komplexe Krankheit
Der atopischen Dermatitis, der häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankung im Kindesalter, widmete sich Dr. Krystyna Poplawska, Mainz. Rund 10% der Kinder sind schwer betroffen, ihre Lebensqualität ist enorm eingeschränkt. Die Therapie nach den deutschen und europäischen Leitlinien richtet sich nach einem Stufenschema und erfolgt je nach Schweregrad mit topischen und/oder systemischen Präparaten. Bei allen Patienten extrem wichtig ist die Basistherapie mit Emollenzien. Hier gilt: hydrophile Grundlage auf nässende Ekzeme, lipophile Grundlage auf trockene Hautstellen („Fett auf trocken, feucht auf feucht“) sowie individuelle Pflege. „Denn es wirkt nur das, was die Eltern und Kinder mögen und anwenden“, so Poplawska. Mehr in den Fokus rücken sollte der Stellenwert der proaktiven Therapie, welche die Hautbarriere wiederherstellen kann. Bei mittelschweren bis schweren Krankheitsfällen kommt die systemische Behandlung ins Spiel. Ein vielversprechender Ansatz im Kindesalter ist Dupilumab. Dieser Antikörper ist bereits für Kinder ab sechs Monaten zugelassen und unterbindet die bei AD entscheidenden entzündungsfördernden IL-4- und IL-13-Signale. Bei circa 80% der Kinder hat durch die Behandlung mit Dupilumab die atopische Dermatitis nur noch eine geringe bis keine Auswirkung mehr auf die Lebensqualität. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sich mit diesem Wirkstoff auch der Verlauf des atopischen Marsches positiv beeinflussen lässt. Ein entscheidender Faktor für den Therapieerfolg ist die Schulung der Patienten und ihrer Familien. Vor der Behandlung mit Antikörpern müssen die Eltern über einen längeren notwendigen Therapiezeitraum aufgeklärt werden. Außerdem zählt: weiter eincremen nach dem Motto „ein Leben lang Basistherapie“.
Auf die atopische Dermatitis ging auch Prof. Dr. Sven Quist ein. Der Hautarzt aus Mainz stellte die neuen systemischen Therapieoptionen differenziert vor. Bisher wird bei der Neurodermitis eine Systemtherapie zu wenig verordnet und wenn diese nicht ausreichend wirkt, dann erfolgt oft nur ein verzögerter Wechsel auf eine effektivere Substanz. Hier ist also Handlungsbedarf geboten. Zudem sollten die Patientenwünsche verstärkt in die Therapieauswahl miteinbezogen werden – an erster Stelle steht die schnelle Linderung des quälenden Juckreizes.
Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass IL-13 das zentrale Zytokin im Entzündungsgeschehen ist und damit hauptverantwortlich für die Hautsymptome. Die Besonderheit bei AD-Patienten: IL-13 findet sich nicht nur in Hautläsionen, sondern auch in läsionsfreier Haut, wobei der IL-13-Spiegel eindeutig mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert. Genau an diesem IL-13 setzen die modernen Systemtherapeutika an. Neben Dupilumab, das den IL-4- und IL-13-Signalweg unterbindet, hemmt Tralokinumab (Adtralza®) gezielt IL-13. Ebenso wirkt das aktuell zugelassene Lebrikizumab (Ebglyss®). Beide IL-13-Antikörper, die bei Jugendlichen ab zwölf Jahren einsetzbar sind, werden anfangs alle zwei Wochen subkutan appliziert, bei positivem Therapieansprechen kann das Intervall später auf alle vier Wochen ausgedehnt werden. Hauptproblem unter den Antikörpern ist eine auftretende Konjunktivitis. Dieser lässt sich mit konsequenter Augenpflege und hyaluronsäurehaltigen Augentropfen vorbeugen. Bei starken Beschwerden kann der Arzt Ciclosporin-haltige Augentropfen verordnen oder Protopic-Salbe für das Augenlid (beides off label). Eine weitere innovative Wirkstoffgruppe bei atopischer Dermatitis sind die Januskinase-Inhibitoren: Baricitinib (Olumiant®) ist jetzt bereits ab zwei Jahren zugelassen, Upadacitinib (Rinvoq®) ab zwölf Jahren. Januskinase-Inhibitoren lindern schnell den Juckreiz und reduzieren anfangs auch effektiver die Hautsymptome als die Antikörper, die im Laufe der Therapie aufholen. Vorteilhaft ist die Möglichkeit der oralen Gabe. Nachteile dieser Substanzklasse sind mehr Nebenwirkungen, ein regelmäßig erforderliches Monitoring sowie mögliche Arzneimittelinteraktionen mit CYP3A4-Hemmern oder -Induktoren.
Acne inversa
Eine seltenere chronische Hauterkrankung ist die Hidradenitis suppurativa (HS), bekannt auch als Acne inversa. Sie betrifft die Haarfollikel und Talgdrüsen und das vor allem in Bereichen mit Hautfalten wie den Achselhöhlen, Leisten, unter den Brüsten und im Genitalbereich. Typisch sind entzündete, schmerzhafte Knötchen, eiternde Abszesse und Fisteln sowie hypertrophe Narben. Die genaue Ursache ist unklar, als mögliche Auslöser gelten genetische Faktoren, Rauchen, Übergewicht und hormonelle Veränderungen. Beteiligt sind zudem proinflammatorische Zytokine wie IL-17, TNF alpha und IL-1β. Das Problem bei der Acne inversa ist die verspätete Diagnose, stellte Dr. Ralph von Kiedrowski, Selters, heraus. Denn dann bleibt nur noch ein schmaler Behandlungskorridor. Die Therapie umfasst verschiedene Ansätze, darunter Antibiotika (topisch: Clindamycin-Lösung 1%, systemisch: Clindamycin + Rifampicin je 300 mg zweimal täglich über ein bis drei Monate, zukünftig voraussichtlich Tetracyclin 200 mg/Tag) sowie entzündungshemmende Arzneimittel, lokale Behandlungen und in fortgeschrittenen Fällen auch chirurgische Eingriffe. Für schwere Fälle zugelassen sind der TNF-alpha-Blocker Adalimumab (z. B. Humira®) und der IL-17A-Hemmer Secukinumab (Cosentyx®). Bald dürfte auch der duale IL-17A/F-Inhibitor Bimekizumab in dieser Indikation eingesetzt werden, erste erfolgreiche Ergebnisse aus Phase-III-Studien liegen bereits vor.
Eine Frage der Menge
Für den topischen JAK-Inhibitor Ruxolitinib lautet bei Vitiligo die Empfehlung: eine dünne Schicht Creme zweimal täglich auf die depigmentierten Hautbereiche bis zu höchstens 10% der Körperoberfläche auftragen, und es dürfen nicht mehr als zwei 100-g-Tuben pro Monat angewendet werden. Mit den sogenannten Fingertip-Units können Patienten die richtige Dosierung lernen: ein „Fingertip“ entspricht dem Salbenstrang, den man auf ein Fingerglied auftragen kann.
Alopecia areata und Vitiligo
Alopecia areata und Vitiligo sind ebenfalls gravierende Autoimmunerkrankungen. Hier greift das Immunsystem die Haarfollikel bzw. die Melanozyten an, was zu Haarausfall respektive zu Depigmentierung führt. Bei beiden Erkrankungen sind Zytokine am Krankheitsgeschehen beteiligt, die ihre entzündungsfördernden Signale über den JAK-STAT-Signalweg weitergeben. Wie bei der Psoriasis, PsA und der atopischen Dermatitis etabliert, werden daher neuerdings auch bei Alopecia areata und bei Vitiligo JAK-Inhibitoren eingesetzt, bremsen die entzündlichen Reaktionen im Körper und sorgen für nachwachsende Haare beziehungsweise für Repigmentierung der Haut. Zugelassen bei Vitiligo ist der topische JAK-Inhibitor Ruxolitinib als Creme (ab zwölf Jahren, bei nichtsegmentaler Vitiligo im Gesicht). Wichtig für die Praxis: Die Patienten sind genau zu schulen, wie viel Creme sie auf die depigmentierten Hautstellen auftragen müssen, damit die verordnete Creme ausreichend lang hält (s. Kasten „Eine Frage der Menge“). Für die Therapie der Alopecia areata stehen zwei orale JAK-Inhibitoren zur Verfügung: Baricitinib (Olumiant®) ab 18 Jahren und Ritlecitinib (Litfulo®) ab zwölf Jahren. Die Besonderheit: Trotz Schwere der Erkrankung werden Arzneimittel bei Alopecia areata als Lifestyle-Arzneimittel eingestuft und bisher nicht von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt. |
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