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Recht

Kann Arzneimittelberatung in der Apotheke Werbung sein?

Eine rechtliche Einordnung am Beispiel registrierter homöopathischer Arzneimittel

Die Debatte zu Arzneimitteln der Besonderen Therapierichtungen nimmt mitunter erstaunliche Züge an. So wurde etwa behauptet, die apothekerliche Beratung zu ohne Angabe einer Indikation registrierten Homöopathika sei eine unzulässige Werbung mit Anwendungsgebieten. Der nachfolgende Beitrag bringt Klarheit in den vermeintlichen Konflikt zwischen apothekerlicher Beratung und Heilmittelwerberecht: Die Erfüllung von Beratungs- und Informationspflichten durch das Personal in der Apotheke ist keine Werbung im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes. Das gilt gleichermaßen bei allen Arzneimitteln. Bei Arzneimitteln der Besonderen Therapierichtungen wie zum Beispiel bei registrierten homöopathischen oder phytotherapeutischen Arzneimitteln ist die fachkundige apothekerliche Beratung nicht nur zulässig, sondern mit Blick auf deren Besonderheiten auch geboten. | Von Timo Kieser

Bundesweit beraten und informieren Apothekerinnen und Apotheker mit ihrem pharmazeutischen Personal tagtäglich ihre Kunden zu apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Sie kommen hierbei dem gesetzlich im Apothekengesetz und der Bundes-Apotheker­ordnung vorgesehenen Auftrag, die Bevölkerung ordnungsgemäß mit Arzneimitteln zu versorgen, nach. Der Apothekenleiter muss sicherstellen, dass die Kunden hinreichend über Arzneimittel informiert und beraten werden.

Dazu gehört gerade auch die Versorgung mit und Beratung zu apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Diese so­genannten Over-the-counter(OTC)-Arzneimittel werden zur Behandlung minderschwerer Erkrankungen eingesetzt. Ihre Kosten werden regelmäßig nicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet und ihrem Erwerb geht oft kein Arztbesuch voraus. Sie umfassen chemisch definierte Arzneimittel, aber auch die Arznei­mittel der Besonderen Therapierichtungen (das heißt phytotherapeutische, homöopathische und anthro­posophische Arzneimittel).

Die apothekerliche Beratungs- und Informationskompetenz ist insbesondere dann gefragt, wenn Kunden ohne vorherigen Arztbesuch die Präsenzapotheke aufgrund akuter, gesundheitlicher Beschwerden aufsuchen. Sie wünschen dann entweder ein bestimmtes OTC-Arzneimittel zur Selbstmedikation oder sie schildern dem pharmazeutischen Personal Symptome und bitten um ein geeignetes Arzneimittel. Eine fachkundige Information und Beratung des Verbrauchers minimiert in diesen Fällen das Risiko, ein ungeeignetes Medikament oder ein an sich geeignetes fehlerhaft anzuwenden. Der Apotheker ist insofern nicht nur Kaufmann, sondern auch Angehöriger eines freien (Heil-)Berufs, der auch die Grenzen der Selbstmedikation erkennen und gegebenenfalls von der Anwendung eines Arzneimittels ab­raten muss.

Beratung in der Apotheke keine Werbung

Auch wenn apothekerliche Beratungsgespräche regelmäßig in der Abgabe von Arzneimitteln münden, ist dieser Beratungsvorgang keine Werbung für Arzneimittel. Denn es handelt sich dabei – wie auch bei der Empfehlung oder Verordnung eines Heilmittels durch den Arzt – nicht um Informationen mit dem (primären) Ziel, Abgabe, Verkauf oder Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Bei der Normierung der Vorgaben für das Heilmittelwerberecht hatte der Gesetzgeber ganz andere Konstellationen vor Augen. Zum einen geht es im Heil­mittelwerberecht um breiter gestreute Werbemaßnahmen, insbesondere von pharmazeutischen Unternehmen, aber auch von Apotheken, die sich an das allgemeine Publikum richten (sog. Öffentlichkeitswerbung). Zum anderen wird dort auch die Werbung gegenüber den relevanten Berufsträgern, nämlich Ärzten und Apothekern reglementiert.

Würde man auf das individuelle apothekerliche Beratungsgespräch die Verbote des Heilmittelwerberechts anwenden, führte dies zu merkwürdigen Ergebnissen: Apotheker müssten sich, wäre Beratung und Information zu Arzneimitteln Werbung, überlegen, ob nun der nach § 4 Abs. 3 bzw. Abs. 5 Heilmittelwerbegesetz (HWG) not­wendige Pflichttext „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ anzugeben ist. Dass Apotheker (wie auch Ärzte) darauf hinweisen sollen, dass Patienten doch mit ihnen sprechen sollen – was sie gerade tun –, wäre absurd.

Arztgespräch und Apothekenberatung stellen zudem per se eine Empfehlung von im Gesundheitswesen tätigen Personen dar, mit der aber nach § 11 Abs. 1 Ziff. 2 HWG nicht geworben werden darf. Die Beratung zu Vor- und Nachteilen verschiedener Arzneimittel ist jedoch Aufgabe der Pharmazeuten und wird erwartet.

Zu Recht wird deshalb in der juristischen Literatur das Verkaufsgespräch eines Apothekers einhellig nicht als Arzneimittelwerbung eingeordnet, soweit es sich im Rahmen der fachlich und berufsrechtlich geschuldeten Informationen und Ratschläge bewegt. Die Vorgaben und Restriktionen des Heilmittelwerberechts gelten für die Beratung und Information in der Apotheke – ebenso wie für ärztliche Empfehlungen – also nicht.

Beratung zu (registrierten) homöopathischen Arzneimitteln

Somit ist auch die jüngst in der Diskussion zu homöopathischen Arzneimitteln aufgestellte These, apothekerliche Beratung zu ohne Indikation registrierten Homöopathika sei eine unzulässige Werbung, unzutreffend.

Richtig ist: Das Verkaufsgespräch eines Apothekers unterfällt – wie auch das Beratungsgespräch eines Arztes – nicht dem Heilmittelwerbegesetz. Also ist auch die apothekerliche Beratung zu homöopathischen registrierten Arzneimitteln keine durch § 5 HWG verbotene Werbung mit Anwendungsgebieten. Vielmehr können (und müssen) Apotheker und ihr pharmazeutisches Personal Kunden im Beratungsgespräch Hinweise zum sinnvollen Einsatz registrierter homöopathischer Arzneimittel und deren Grenzen bei der Behandlung von Gesundheitsbeschwerden geben. Da die homöopathische Behandlung häufig eine individuelle und komplexe Behandlung ist, ist die Sachkunde des pharmazeutischen Personals auch und gerade bei homöopathischen Arzneimitteln gefragt.

Geeignetes Arzneimittel – oder besser zum Arzt?

Weder aus der Apothekenbetriebsordnung noch aus den für den Apotheker geltenden Berufsordnungen der Apothekerkammern ist ableitbar, dass Apotheker bei der Beratung zu und der Abgabe von Homöopathika oder anderen Arzneimitteln der Besonderen Therapierichtungen aktiv auf Unterschiede des arzneimittelrechtlichen Genehmigungsverfahrens (Registrierung einerseits bzw. Zulassung andererseits) oder des Therapieansatzes hinweisen müssen. Vielmehr handeln Apotheker und pharmazeutisches Personal eigenverantwortlich, fachlich unabhängig und gewissenhaft. Sie haben, wie die Berufsordnungen vorgeben, den Beruf so auszuüben, dass seine Ausübung der Integrität und dem Vertrauen gerecht wird, die der Beruf fordert. Insbesondere müssen sie im Rahmen ihres Beratungsauf­trages abklären, ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint oder ob ein Arztbesuch anzuraten ist. Dies gilt für Homöopathika gleichermaßen wie für alle anderen OTC-Arzneimittel.

Pharmazeuten, die zur Selbstbehandlung mit Arzneimitteln der Besonderen Therapierichtungen und deren Grenzen beraten und informieren, müssen sich das dabei eingesetzte Wissen selbst angeeignet haben. Da das Verbot der Werbung mit Anwendungsgebieten bei registrierten, homöopathischen Arzneimitteln auch gegenüber Fachkreisen gilt, dürfen Hersteller gegenüber Ärzten und Apothekern nicht mit potenziellen Anwendungsgebieten werben. Fachveröffentlichungen, Fort- und Weiterbildungen sowie dem Erfahrungsaustausch im Kollegenkreis kommt insofern besondere Bedeutung zu. Gerade die bestehenden Weiterbildungsmöglichkeiten bei den Landesapothekerkammern bilden hierfür eine wichtige Basis und sind beizubehalten, damit Pharmazeuten ihrem Informationsauftrag gerecht werden können.

Fazit

Festzuhalten ist: Die Beratung zu Arzneimitteln in Apotheken ist keine Werbung im Sinne des Heilmittel­werberechts. Das gilt für alle Arzneimittel, auch für Arzneimittel der Besonderen Therapierichtungen einschließlich registrierter homöopathischer Arzneimittel. Die apothekerliche Beratung zum Einsatz registrierter homöopathischer Arzneimittel und deren Grenzen bei Gesundheitsbe­einträchtigungen ist fachlich geboten und rechtlich zulässig. |

Autor

Dr. Timo Kieser ist Rechtsanwalt bei Oppenländer Rechtsanwälte (Stuttgart). Er berät seit vielen Jahren u. a. im Gesundheitsrecht und hat zahlreiche wett­bewerbsrechtliche und gesundheitsrechtliche Fachbeiträge veröffentlicht. Zudem ist er Mitautor verschiedener im Deutschen Apotheker Verlag erscheinender Publikationen, etwa dem Kommentar zum Apothekengesetz (Kieser/Wesser/Saalfrank), der Kommentierung der Apothekenbetriebsordnung von Cyran/Rotta und Autor des Buchs „Apothekenrecht“. Ferner ist Timo Kieser regelmäßig Referent zu apothekenrechtlichen, gesundheitsrechtlichen, medizinprodukterechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen.

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