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Arzneimittel und Therapie
Neue rezeptfreie Option bei Heuschnupfen und Co.
Antiallergikum Bilastin ist seit Januar 2023 als OTC-Präparat erhältlich
Neben Cetirizin, Levocetirizin, Loratadin und Desloratadin ist nun auch Bilastin als Antihistaminikum der zweiten Generation im OTC-Bereich verfügbar. Seit 1. März 2022 ist Bilastin in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 20 mg je abgeteilter Form aus der Verschreibungspflicht ausgenommen, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen eine Beschränkung der Anwendung auf Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren angegeben ist. Mit Allegra® Allergietabletten steht nun ein OTC-Präparat zur Verfügung – im Handel sind drei Packungsgrößen mit jeweils sechs, 20 und 50 Tabletten erhältlich. Vertrieben wird das Fertigarzneimittel von der Firma Nattermann, die ein Unternehmen von Sanofi ist.
Selektive Wirkung am H1-Rezeptor
Bilastin ist ein Piperidin-substituiertes Benzimidazol-Derivat mit antihistaminergen Eigenschaften. Es wirkt als selektiver Antagonist an peripheren Histamin-H1-Rezeptoren und wird zur symptomatischen Behandlung der allergischen Rhinokonjunktivitis (saisonal und perennial) und Urtikaria eingesetzt. Es zeichnet sich durch einen raschen Wirkungseintritt (30 bis 60 Minuten) und eine langanhaltende Wirkung (24 Stunden) aus.
Geringes Interaktionspotenzial
Als Vertreter der Antihistaminika der zweiten Generation ist Bilastin weniger fettlöslich und passiert die Blut-Hirn-Schranke daher nur eingeschränkt – somit wirkt es weniger sedierend als die Antihistaminika der ersten Generation. Weiterer Vorteil ist die fehlende Affinität zu Muscarin-Rezeptoren, weshalb keine anticholinergen Nebenwirkungen auftreten. Auch klinisch relevante Verlängerungen des QT-Intervalls konnten bislang nicht beobachtet werden. Weiterer Pluspunkt für Bilastin ist das geringe Wechselwirkungspotenzial mit anderen Arzneistoffen, da es nicht mit dem Cytochrom-P450-System interagiert.
Bilastin wird kaum metabolisiert und zu ca. 28% über den Urin und zu ca. 67% über die Fäzes ausgeschieden. Die mittlere Eliminationshalbwertszeit liegt bei 14,5 Stunden. Eine Dosisanpassung ist sowohl bei älteren Patienten als auch bei Patienten mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen nicht erforderlich.
Abstand zu Nahrungsmitteln und Fruchtsäften
Zu beachten ist, dass die gleichzeitige Aufnahme von Nahrungsmitteln und Fruchtsäften, insbesondere Grapefruitsaft, die orale Bioverfügbarkeit von Bilastin um 30% senken kann. Daher sind die Patienten darauf hinzuweisen, das Arzneimittel eine Stunde vor oder zwei Stunden nach der Aufnahme von Nahrungsmitteln oder Fruchtsäften einzunehmen. Die Interaktion beruht auf einer Hemmung des Transportproteins OATP1A2. Auch Arzneistoffe, die Substrate oder Inhibitoren von OATP1A2 sind (z. B. Ritonavir oder Rifampicin), können ebenfalls die Bioverfügbarkeit von Bilastin herabsetzen. Vorsicht ist auch geboten bei Patienten mit moderater oder schwerer Niereninsuffizienz und gleichzeitiger Einnahme von P-Glycoprotein-Inhibitoren (z. B. Ketoconazol, Erythromycin), denn hier kann es zu erhöhten Plasmakonzentrationen von Bilastin kommen. Bilastin gilt im Allgemeinen als sehr gut verträglich. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Somnolenz, Schwindel und Müdigkeit. Mit vergleichbarer Häufigkeit traten diese Nebenwirkungen aber auch bei Patienten auf, die Placebo erhielten.
OTC-Switch gut begründet
Vor dem OTC-Switch waren neun Bilastin-haltige Arzneimittel in Deutschland zugelassen, wobei nur ein Präparat unter dem Namen Bitosen® 20 mg Tabletten in einer Packungsgröße von 20 Tabletten vertrieben wurde. Zuletzt war das verschreibungspflichtige Präparat aber nicht mehr verfügbar.
Die Entlassung aus der Verschreibungspflicht wurde damit begründet, dass unter Bilastin verglichen mit dem in der Selbstmedikation führenden Antihistaminikum der zweiten Generation Cetirizin prozentual nicht mehr oder schwerere Nebenwirkungen auftraten. Bilastin hat zudem eine große therapeutische Breite – selbst bei Überdosierungen um bis zum 11-Fachen der therapeutischen Dosis traten keine schwerwiegenden Ereignisse auf. Gleichzeitig wirkt es wenig sedierend und nicht kardiotoxisch. Das Wechselwirkungspotenzial ist gering. Die bisherigen Erfahrungen mit anderen in der Selbstmedikation erhältlichen Antihistaminika der zweiten Generation (z. B. Cetirizin, Loratadin) haben gezeigt, dass sie für die zugelassenen Indikationen „Allergische Rhinitis und Urtikaria“ im Rahmen der Selbstmedikation geeignet sind.
Kürzlich empfahl der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht auch die Entlassung von Bilastin in der 10-mg-Dosierung (s. Beitrag unten „Weitere Antiallergika vor der Entlassung“). Somit könnte zukünftig auch ein Bilastin-haltiges Präparat für Kinder zwischen sechs und elf Jahren auf den Markt kommen. |
Literatur
Allegra® Allergietabletten. Produktinformation der Firma Nattermann, www.allegra.com/de-de/produkte/allegra-allergietabletten, letzter Zugriff 24. Januar 2023
Empfehlung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). Protokoll zur 83. Sitzung des Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht, 26. Januar 2021
Fachinformation Bitosen®, Stand: August 2019
Fachinformation Allegra® Allergietabletten, Stand: Dezember 2022
Müller K, Prinz H, Lehr M. Pharmazeutische/ Medizinische Chemie. 1. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2022
Zwanzigste Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Bundesanzeiger, 24. Februar 2022
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