Foto: IBEX.Media/AdobeStock

Dermatologie

Was gibt es Neues bei atopischer Dermatitis?

Aktualisierte europäische Leitlinie empfiehlt Biologika und JAK-Inhibitoren

Zurzeit ändert sich die Therapielandschaft der atopischen Dermatitis rasant. Zielgerichtete Wirkstoffe, allen voran Biologika und small molecules, bereichern das Behandlungsspektrum. Das zeigt auch die aktualisierte europäische EuroGuiDerm-Leit­linie. Sie gibt neue Empfehlungen zur Systemtherapie bei Erwachsenen und besonderen Personengruppen wie Kindern, Schwangeren und Stillenden. Ein Stufen­schema und prägnante Wirkstofftabellen verschaffen einen schnellen Überblick. | Von Ines Winterhagen

Eine Neurodermitis äußert sich durch typische Symptome: heftigen Juckreiz, trockene Haut sowie Ekzeme in unterschiedlicher Ausprägung. Entsprechend des Schweregrades – leicht, moderat oder schwer – erfolgt die Wahl der Therapie. In den letzten Jahren haben sich vor allem die Empfehlungen zur systemischen Behandlung der atopischen Dermatitis geändert. Hintergrund ist die Zulassung neuer Wirkstoffe. Hier setzt die aktualisierte europäische Leitlinie an. Sie empfiehlt erstmals die Januskinase(JAK)-Inhibitoren zur Systemtherapie und berücksichtigt zugleich neue Evidenzkriterien für den jeweiligen Empfehlungsgrad der einzelnen Substanzen. Übersichtstabellen zur Systemtherapie für Erwachsene, Kinder und Jugendliche sowie für Schwangere und Stillende liefern die wichtigsten Informationen rund um Dosierung, Monitoring und häufigste Nebenwirkungen der drei eingesetzten Wirkstoffgruppen – zu konventionellen Systemtherapeutika, zu Biologika und zu JAK-Inhibitoren (s. Tab.) [1].

Tab.: Empfehlungen für Systemtherapeutika bei Patienten, die Kandidaten für eine Systemtherapie sind (modifiziert nach [1])
konventionelle systemische Therapeutika
Biologika
JAK-Inhibitoren
Ciclosporin
Methotrexat
Azathioprin
Dupilumab
Tralokinumab
Abrocitinib
Baricitinib
Upadacitinib
Empfehlung für Erwachsene
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
Dosis für Erwachsene
2,5 bis 5 mg/kg/Tag in zwei Einzeldosen
off label
Initial 5 bis 15 mg/Woche, max. 25 mg/Woche
off label
1 bis 3 mg/kg/Tag
Initial 600 mg s.c., dann 300 mg alle zwei Wochen
Initial 600 mg s.c., dann 300 mg alle zwei Wochen
bei (nahezu) erscheinungsfreier Haut nach 16 Wochen eventuell alle vier Wochen
200 mg täglich, je nach Ansprechen Reduktion auf 100 mg möglich,
≥ 65 Jahre: 100 mg täglich
4 mg täglich, je nach Ansprechen Reduktion auf 2 mg möglich
je nach Schwere 15 bis 30 mg täglich,
≥ 65 Jahre: 15 mg täglich
Empfehlung für Kinder und Jugendliche
↑↑
↑↑
↑↑
↑↑
Dosis für Kinder und Jugendliche
zugelassen ab 16 Jahre
2,5 bis 5 mg/kg/Tag in zwei Einzeldosen
off label
0,3 bis 0,4 mg/kg/Woche
off label
1 bis 3 mg/kg/Tag
zugelassen ab 6 Jahre
6 bis 11 Jahre: 15 bis 60 kg initial 300 mg s.c. an Tag 1 und 15, dann alle vier Wochen;
≥ 60 kg: initial 600 mg s.c., dann 300 mg alle zwei Wochen;
12 bis 17 Jahre: < 60 kg: initial 400 mg s.c., dann 200 mg alle zwei Wochen;
≥ 60 kg: initial 600 mg, dann 300 mg alle zwei Wochen
zugelassen ab 12 Jahre
Initial 600 mg s.c., dann 300 mg alle zwei Wochen;
bei (nahezu) erscheinungsfreier Haut nach 16 Wochen eventuell alle vier Wochen
off label
nur in UK zugelassen ≥ 12 Jahre: 100 mg täglich
off label
zugelassen ab 12 Jahre
12 bis 17 Jahre: ≥ 30 kg: 15 mg täglich
Zeit bis zum Therapie­ansprechen (Wochen)
1 bis 2
8 bis 12
8 bis 12
4 bis 6
4 bis 8
1 bis 2
1 bis 2
1 bis 2
Monitoring
großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte, Blutdruck
großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte, PIIINP, chronische Infektionen
großes Blutbild, Leber- und Nierenwerte, TPMT, chronische Infektionen
nicht erforderlich
nicht erforderlich
großes Blutbild, Lipid- und Leberwerte
großes Blutbild, Lipid- und Leberwerte
großes Blutbild, Lipid- und Leberwerte
häufigste unerwünschte Wirkungen
Blutdruck↑, Serumkreatinin↑
Übelkeit, Fatigue, Leberenzyme↑, Myelotoxizität
gastrointestinale Neben­wirkungen, Hepatotoxizität, Myelotoxizität, idiosynkratische Überempfindlichkeitsreaktionen
Konjunktivitis, Infektion der oberen Atemwege, Arthralgie
Infektion der oberen Atemwege, Konjunktivitis
Infektion der oberen Atemwege, LDL-Chole­sterol↑, CK↑, Thrombo­zytopenie, Nausea, Bauchschmerzen, Herpes-Infektionen, Akne
Infektion der oberen Atemwege, LDL-Chole­sterol ↑, Thrombozytose, Nausea, Bauchschmerzen, Herpes-Infektionen, Akne
Infektion der oberen Atemwege, Akne, Kopfschmerzen, Anämie, Neutropenie, CK↑, LDL-Cholesterol ↑, Nausea, Bauchschmerzen, Herpes-Infektionen
Empfehlung für Schwangere
↓↓
0
0
↓↓
↓↓
↓↓
Empfehlung für Stillende
0
0

PIIINP: Prokollagenpeptid Typ III; labormedizinischer Marker zur Diagnose und Verlaufskontrolle von fibrotischen Lebererkrankungen, TPMT: Thiopurinmethyltransferase; Patienten mit einer verminderten Aktivität dieses Enzyms können Azathioprin möglicherweise nicht vollständig metabolisieren und sind deshalb einer höheren myelotoxischen Wirkung ausgesetzt.

↑↑: starke Empfehlung, ↑: schwache Empfehlung, 0: es kann keine Empfehlung gegeben werden (fehlende klinische Daten), –: keine Empfehlung, ↓↓: starkes Abraten, ↓: schwaches Abraten

Systemtherapie – wann?

Die europäische Leitlinie definiert folgende Voraussetzungen für eine systemische Therapie bei Neurodermitis-Patienten:

  • hoher objektiver Schweregrad der Erkrankung (z. B. SCORAD-Score: SCORing of Atopic Dermatitis > 50) oder
  • unzureichendes Ansprechen auf vorherige topische Therapien oder
  • soziale Einschränkung: Betroffene können trotz adäquater Therapie nicht am normalen täglichen Leben teilnehmen.

Nach dem EuroGuiDerm-Konsens muss eins von diesen drei Kriterien erfüllt sein. Die deutsche Leitlinie fordert einen SCORAD-Score > 40, EASI-Score > 15 oder mehr als zehn Schübe pro Jahr unter derzeitiger Therapie. Auch eine rela­tive subjektive Belastung nach dem Dermatologischen-Lebensqualitäts-Index (DLQI) von > 10, Pruritus > 6 oder relevant gestörter Nachtschlaf wegen Pruritus/Ekzem) ist ein Kriterium für eine systemische Therapie [2]. Generell betont die europäische Leitlinie, dass die Entscheidung für eine Systemtherapie patientenindividuell getroffen werden sollte. Ein reiner Hautzeichen-Score wie der Eczema Area and Severity Index (EASI) sei kein adäquates Mittel, um sich für oder gegen eine systemische Behandlung zu entscheiden [1].

Konventionelle Systemtherapeutika

Bis vor Kurzem gab es für die Behandlung schwerer Neurodermitisformen nur wenige Therapieoptionen. So standen für Patienten, die nicht auf eine Lokal- oder Phototherapie ansprachen, lediglich unspezifisch wirksame Immunsuppressiva zur Verfügung wie Glucocorticoide, Ciclosporin, Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Methotrexat. Die meisten dieser Wirkstoffe sind jedoch nicht zur Behandlung der Neurodermitis zugelassen, sondern werden hier im Off-Label-Use eingesetzt.

Orale Glucocorticoide sieht die europäische Leitlinie nur noch kurzzeitig als Notfallmedikation bei ausgeprägten Exazerbationen vor, um die Entzündung schnell einzudämmen. Gestartet werden soll mit 0,5 mg Prednisolon-Äquivalent/kg Körpergewicht täglich, die Maximaldosis liegt bei 1 mg/kg Körpergewicht. Eine Langzeittherapie ist aufgrund der Nebenwirkungen unbedingt zu vermeiden. Das Update zur deutschen Neurodermitis-Leitlinie von 2020 erwägt lediglich eine Dosis von ≤ 0,5 mg Prednisolon-Äquivalent/kg Körpergewicht zur Unterbrechung des akuten Schubes, vor allem bei der Therapie von erwachsenen Patienten, in Ausnahmefällen im Kindes- und Jugendalter. Im Stufenschema sind die systemischen Steroide nicht mehr aufgeführt, im europäischen Therapieschema nur explizit für Erwachsene.

Ciclosporin erhält nach wie vor einen hohen Empfehlungsgrad. Es findet Einsatz über einen mittelfristigen Zeitraum, in der Regel über ein Intervall von vier bis sechs Monaten. Zugelassen ist der Wirkstoff ab einem Alter von 16 Jahren. Im Fall einer sehr schweren Neurodermitis kann der Arzt jedoch eine Off-Label-Therapie für jüngere Patienten in Erwägung ziehen. Wichtig unter Ciclosporin sind engmaschige Kontrollen der Blutdruckwerte und Nierenfunktionsparameter. Die deutsche Leitlinie empfiehlt eine Induktionstherapie mit einer wirksamen Dosis zwischen 2,5 und 5 mg/kg Körpergewicht/Tag, bis eine weitgehende Besserung eintritt. Danach erfolgt eine schrittweise Dosisreduktion. Die europäische Leitlinie spricht sich bei einem akuten Ent­zündungsschub für eine höhere Startdosis von 4 bis 5 mg Ciclosporin/kg Körpergewicht/Tag aus, um ein schnelleres Ansprechen zu erzielen. Aufgrund des erhöhten Hautkrebsrisikos ist während der Einnahme von Ciclosporin auf einen optimalen UV-Schutz zu achten.

Im Off-Label-Use können Azathioprin und Methotrexat bei Erwachsenen und Kindern zur Therapie der chronischen, schweren Neurodermitis erwogen werden, wenn Dupilumab, Ciclosporin oder die JAK-Inhibitoren nicht wirksam oder kontraindiziert sind. Ein Nachteil: Die Zeit bis zum maximalen Wirkeffekt ist lang, sie beträgt acht bis zwölf Wochen. Zudem sind engmaschige Laborkontrollen unter der Therapie erforderlich [1, 2].

Einteilung nach Schweregraden

Die Schwere einer atopischen Dermatitis lässt sich mittels unterschiedlicher Scores ermitteln. Der SCORAD (SCORing Atopic Dermatitis Index) umfasst neben dem Ausmaß und der Intensität der Ekzeme auch subjektive Symptome der atopischen Dermatitis, nämlich Juckreiz und Schlaflosigkeit. Der EASI (Eczema Area and Severity Index) misst hingegen nur das flächenhafte Ausmaß und die Intensität der Hautveränderungen. Daneben gibt es auch den DLQI – den Dermatology Life Quality Index – zur Einschätzung der Lebensqualität. Diese wird vom Patienten anhand eines Fragebogens selbst bewertet.

Neue Wirkansätze

In den letzten Jahren haben innovative, zielgerichtete Wirkstoffe die Therapie der Neurodermitis bereichert. Sie bewirken eine deutlich stärkere Krankheitskontrolle. Indem sie die Entzündung reduzieren und den Juckreiz lindern, verbessern sie effektiv die Hautläsionen. Für moderate bis schwere Neurodermitisverläufe wurden zwei zentrale neue Wirkstoffgruppen zugelassen:

  • Biologika (monoklonale Antikörper: Dupilumab, Tralo­kinumab)
  • Small Molecules (JAK-Inhibitoren: Abrocitinib, Baricitinib, Upadacitinib)

Beide Wirkstoffgruppen verhindern letztlich die Produktion der proinflammatorischen Interleukine (IL) 4 und IL-13. Diese beiden Zytokine spielen eine Schlüsselrolle im Krankheitsgeschehen der atopischen Dermatitis. Während die Biologika extrazellulär Rezeptoren blockieren oder Interleukine neutralisieren, wirken die JAK-Inhibitoren intrazellulär. Über den JAK-STAT (Signal Transducer and Activator of Transcription)-Weg hemmen sie mit unterschiedlicher Selektivität die Signaltransduktion der Zytokine. Es kommt zu einer verminderten Genexpression, und entzündliche Prozesse werden gestoppt [1, 3].

Zwei Biologika

Einen entscheidenden Durchbruch in der Langzeitbehandlung der Neurodermitis brachte 2017 das Biologikum Dupilumab (Dupixent®). Dieser humane, monoklonale IgG4-Antikörper bindet an die IL-4-Rezeptor-alpha-Untereinheit der Typ-1- und Typ-2-Rezeptoren auf Immunzellen und hemmt somit die IL-13- und IL-4-Signalwege. Dupilumab ist als First-line-Therapie zugelassen für die mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren sowie bei der schweren atopischen Dermatitis bei Kindern ab sechs Jahren. Weitere Einsatz­bereiche in Deutschland sind Asthma bronchiale und chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen. Mit Dupilumab können also gleich drei atopische Erkrankungen auf einmal behandelt werden. Die Dosierung beträgt im Erwachsenenalter 600 mg, gefolgt von 300 mg als Erhaltungsdosis alle 14 Tage subkutan. Für Kinder und Jugendliche gibt es ein besonderes Dosierungsschema, das in der Fachinformation beschrieben ist [1, 2]. Die Nebenwirkungen unter Dupilumab sind begrenzt, neben Lokalreaktionen an der Injek­tionsstelle kommt es jedoch häufig zu Konjunktivitiden – laut Real-World-Daten bei mehr als 30% der Patienten [4, 5].

Ein weiteres Biologikum, Tralokinumab (Adtralza®), erweitert seit Juni 2021 das Therapiespektrum bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis. Dieser monoklonale IgG4-Antikörper verhindert die IL-13-vermittelte Signalübertragung und damit die entzündungsfördernden Effekte. Die Dosierung liegt initial bei 600 mg Tralokinumab, gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen. Patienten, die nach 16 Wochen eine erscheinungsfreie oder fast erscheinungsfreie Haut haben, können auf eine vierwöchige Anwendung von 300 mg umgestellt werden. Auch Tralokinumab ist gut verträglich, es treten hier seltener Nebenwirkungen an den Augen auf als unter Dupilumab [6].

In die deutsche S2k-Leitlinie „Atopische Dermatitis“ wurde Dupilumab bereits mit hohem Empfehlungsgrad aufgenommen. Die europäische Leitlinie spricht neben Dupilumab auch eine starke Empfehlung für Tralokinumab als Systemtherapie aus, allerdings nur für Erwachsene. Zu berücksichtigen gilt hier, dass Tralokinumab vor Kurzem auch für Jugendliche ab zwölf Jahren bei mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis zugelassen wurde, was aber in der Leitlinie noch nicht berücksichtigt ist [1, 2].

Abb.: Stufenschema der EuroGuiDerm zur Behandlung der atopischen Dermatitis bei Erwachsenen und Kindern. Die Neurodermitis-Therapie richtet sich in erster Linie nach dem Schweregrad der Symptome und folgt einem Stufenplan. Basis für alle Schweregrade ist eine topische Therapie mit Emollenzien, falls nötig durch topische Corticosteroide oder Calcineurin-Inhibitoren ergänzt. Reicht eine Lokaltherapie mit Topika oder eine Phototherapie nicht aus, werden bei einer moderaten bis schweren Neurodermitis systemische Therapeutika eingesetzt. Anmerkung: Im Stufenschema der aktualisierten europäischen Leitlinie wird Tralokinumab noch nicht für Kinder empfohlen, weil der Wirkstoff erst im Herbst 2022 die Zulassung ab zwölf Jahren bekommen hat. (modifiziert nach Wollenberg A et al. EuroGuiDerm Guideline for the systemic treatment of Atopic Eczema; www.edf.one/de/home/Guidelines/EuroGuiDerm-2022.html [1])

Drei Januskinase-Inhibitoren

Während die neuen JAK-Inhibitoren in einem Update der deutschen Leitlinie von 2020 noch nicht erwähnt sind, positioniert die aktualisierte europäische Leitlinie diese Wirkstoffe gleichwertig neben Ciclosporin, Dupilumab und Tralokinumab mit hohem Empfehlungsgrad [1]. Einsatz bei der mittelschweren bis schweren Neurodermitis finden bisher die drei oralen Substanzen Abrocitinib, Baricitinib und Upadacitinib. Alle drei hemmen den JAK1-Signalweg und damit die Signalweiterleitung der proinflammatorischen Zytokine IL-4 und IL-13. Auf diese Weise geht die Hautentzündung rasch zurück, und Patienten berichten bereits 24 bis 48 Stunden nach der ersten Einnahme über weniger Juckreiz. Schon nach ein bis zwei Wochen zeigt sich eine klinisch relevante Verbesserung auf der Pruritus-NRS (numerische Analogskala) um ≥ 4 Punkte [7]. Diese schnelle Wirkung ist ein entscheidender Vorteil der JAK-Inhibitoren gegenüber den Biologika, die einige Zeit benötigen, ehe sie volle Wirksamkeit zeigen. In einem Head-to-Head-Vergleich zeigte sich Upadacitinib mit 30 mg dem etablierten Biologikum Dupilumab überlegen und führte bei mehr Patienten zur Hautverbesserung [8]. Auch Abrocitinib 200 mg schlug Dupilumab bei schnellerer Juckreizkontrolle und Hautabheilung in einer Kopf-an-Kopf-Studie [9]. Achtung: Beide Studienergebnisse gelten nur für einen jeweiligen Behandlungszeitraum von 16 Wochen.

Baricitinib (Olumiant®), ein oraler JAK1/2-Inhibitor, wurde im Oktober 2020 zur Behandlung der atopischen Dermatitis für Erwachsene zugelassen. Studien zur Behandlung der atopischen Dermatitis mit Baricitinib im Kindesalter laufen. Die empfohlene Dosis beträgt 4 mg einmal täglich, für besondere Patientengruppen (ab 75 Jahren, chronische bzw. wiederkehrende Infekte in der Vorgeschichte, eingeschränkte Nierenfunktion) 2 mg Baricitinib pro Tag.

Upadacitinib (Rinvoq®) ist ein selektiver oraler JAK1-Inhibitor. Zugelassen wurde der Wirkstoff im August 2021 für die mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis für Patienten ab einem Alter von zwölf Jahren. Die empfohlene Dosis von Upadacitinib beträgt 15 bis 30 mg einmal täglich, je nach individuellem Krankheitsbild. Patienten von 12 bis 17 Jahren und ≥ 65 Jahre sollten die niedrigere Dosis erhalten.

Abrocitinib (Cibinqo®), ein weiterer selektiver, oraler JAK1-Inhibitor, erhielt die Zulassung im Dezember 2021. Die Anfangsdosis beträgt einmal täglich 200 mg. Patienten ab 65 Jahren erhalten 100 mg. Im weiteren Verlauf kann die Dosis in Abhängigkeit von der Verträglichkeit und Wirksamkeit angepasst werden. Bei Patienten mit mittelschwerer Nierenfunktionsstörung oder bei Patienten, die mit Cytochrom-P4502C19 inhibierenden Wirkstoffen behandelt werden ist eine Halbierung der Dosis angeraten. Bei schwerer Niereninsuffizienz beträgt die Dosis einmal täglich 50 mg.

Sicherheitsbedenken der EMA zu JAK-Inhibitoren

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt Maßnahmen, um das Risiko ernsthafter Nebenwirkungen bei JAK-Inhibitoren zu verringern. Anlass waren Hinweise, dass unter dem oralen Januskinase-Inhibitor Tofacitinib (Xeljanz®) im Vergleich zu TNF-alpha-Inhibitoren das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme, Krebs, venöse Thrombembolie, schwere Infektionen und daraus resultierender Todesfälle erhöht war. Der PRAC kam zu dem Schluss, dass diese Sicherheitsergebnisse für alle zugelassenen JAK-Inhibitoren bei chronisch entzündlichen Erkrankungen gelten. Folgende Sicherheitsmaßnahmen empfiehlt die EMA, um das Risiko von schwerwiegenden Nebenwirkungen zu reduzieren: JAK-Inhibitoren sollen künftig nur noch Patientinnen und Patienten erhalten, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen und

  • sie im Alter von 65 Jahren oder älter sind,
  • sie ein erhöhtes Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme (wie Herzinfarkt oder Schlaganfall) haben,
  • rauchen oder in der Vergangenheit lange geraucht haben und
  • ein erhöhtes Krebsrisiko besteht.

Die Produktinformationen für JAK-Hemmer zur Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen werden mit den neuen Empfehlungen und Warnhinweisen aktualisiert.

Quelle: Januskinase-Inhibitoren: Behandlung von Entzündungskrankheiten. Gutachten des CHMP (Aktualisierung) vom 27. Januar 2023, www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/g-l/januskinase.html

Biologika oder JAK-Inhibitoren – was wann?

Im Unterschied zu den Biologika-Injektionen sind die JAK-Inhibitoren oral oder topisch anwendbar, was die Therapieadhärenz fördert. Zudem entfällt eine Lagerung der Arzneimittel im Kühlschrank. Ein Nachlassen der Wirksamkeit aufgrund einer Bildung von neutralisierenden Anti-Drug-Antikörpern ist bei den JAK-Inhibitoren nicht zu befürchten. Weiterhin zeichnen sich die JAK-Hemmer durch eine rasche Resorption und Elimination aus. Das begünstigt flexible Therapieanpassungen vor einer Operation oder Lebendimpfung. Unter den small molecules kommt es zu einem raschen Wirkeintritt und damit zu schnell spürbarer Symptomlinderung (JAK-Inhibitoren: ein bis zwei Wochen, Dupilumab: vier bis sechs Wochen, Tralokinumab vier bis acht Wochen) [1]. Ihre breite Wirksamkeit an verschiedenen Zytokinrezeptoren wird allerdings erkauft durch zahlreiche Nebenwirkungen. Hierzu zählen neben Herpes zoster vor allem obere Atemwegs- und Harnwegsinfekte sowie akneähnliche Hauterscheinungen, Übelkeit und Diarrhö. Vor Behandlungsstart müssen chronische Infektionskrankheiten wie Hepatitis und Tuberkulose ausgeschlossen werden. Während der Therapie sind Blutbildveränderungen zu beachten wie Anämie, Lympho-, Thrombo- und Neutropenie, Erhöhung der Lebertransaminasen, der LDL-Cholesterol-Werte sowie der Creatinin-Kinase. Zunächst nach vier Wochen und dann alle drei Monate sollten regelmäßige Blutkontrollen erfolgen. Die Raten von schwerwiegenden Nebenwirkungen wie thromboembolischen und kardiovaskulären Ereignissen oder schweren Infektionen sind bei Patienten mit atopischer Dermatitis äußerst gering. Bisher fehlen jedoch Langzeitsicherheits­daten [10]. Im Vergleich zu den JAK-Inhibitoren weisen die Biologika ein gutes Sicherheitsprofil auf, während der Behandlung sind keine Laborkontrollen notwendig. Auch bestehen keine relevanten Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Das sieht bei den JAK-Inhibitoren ganz anders aus. Pharmakokinetische Interaktionen werden ins­besondere für Abrocitinib und Upadacitinib beschrieben. Unter Komedikation mit starken CYP3A4- oder CYP2C9- und CYP2C19-Hemmern bzw. -Induktoren kann es hier zu veränderter Wirksamkeit kommen [1, 2].

Was gilt für Schwangere und Stillende mit atopischer Dermatitis?

Eine atopische Dermatitis macht auch vor Schwangeren und Stillenden nicht Halt. Für diese Patientengruppe hat die europäische Leitlinie ihre klaren Empfehlungen erweitert. Reicht eine topische Therapie mit Glucocorticoiden der Klasse II/III oder mit Calcineurin-Inhibitoren nicht aus und bleibt auch eine UV-B-Behandlung erfolglos, kann bei Schwangeren mit schweren Symptomen Ciclosporin erwogen werden. Bisher wurde über kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen berichtet. Hingegen sollte ein Azathioprin-Gebrauch während einer Schwangerschaft vermieden werden. Nur wenn eine Frau bereits vor der Schwangerschaft diesen Wirkstoff einnimmt, kann sie die Therapie damit auch während der Schwangerschaft fortsetzen, allerdings unter Dosishalbierung. Methotrexat (MTX) hat Einfluss auf die Fertilität und wirkt teratogen. Deshalb ist unter MTX-Therapie auf eine strenge Kontrazeption zu achten. Frauen mit atopischer Dermatitis, die eine Schwangerschaft planen, sollen mindestens drei Monate zuvor Methotrexat absetzen. Die EMA empfiehlt aus Sicherheitsgründen sogar sechs Monate im Voraus. Gleiches gilt für Männer. Und wie sieht es mit oralen Glucocorticoiden aus? Es gilt eine strikte Vermeidung dieser Substanzgruppe in der Langzeittherapie. Ansonsten kann es in der Schwangerschaft zu fetalen Komplikationen einschließlich Gestationsdiabetes kommen. Lediglich eine kurzzeitige Notfall-Anwendung mit Prednisolon (maximal 0,5 mg/kg/Tag) ist bei einem starken akuten Hautschub vertretbar. Insgesamt raten die Leitlinienexperten ausdrücklich von JAK-Inhibitoren und Methotrexat bei Schwangeren ab, bei Stillenden zusätzlich auch vom Einsatz von Ciclosporin und Azathioprin. Aufgrund fehlender klinischer Daten kann derzeit keine Empfehlung zu einer Behandlung mit Dupilumab oder Tralokinumab während der Schwangerschaft und Stillzeit gegeben werden [1, 11].

Auf einen Blick

  • Die aktualisierte europäische Leitlinie gibt neue Empfehlungen zur Systemtherapie bei Erwachsenen, Kindern, Schwangeren und Stillenden.
  • Kriterien für eine systemische Therapie bei Neurodermitis sind: hoher objektiver Schweregrad, unzureichendes Ansprechen auf topische Therapien oder soziale Einschränkung.
  • Zur systemischen Behandlung schwerer Formen wurden oft konventionelle unspezifisch wirk­same Immunsuppressiva eingesetzt wie Gluco­corticoide, Ciclosporin, Azathioprin, Myco­phenolatmofetil und Methotrexat.
  • Orale Glucocorticoide sieht die europäische Leitlinie nur noch kurzzeitig als Notfallmedikation bei ausgeprägten Exazerbationen vor.
  • Zielgerichtete Biologika und JAK-Inhibitoren stehen mit hohem Empfehlungsgrad gleichwertig neben Ciclosporin.
  • JAK-Inhibitoren können durch orale Einnahme und schnelle Wirkung punkten, Biologika durch ein geringes Nebenwirkungsspektrum und nicht erforderliche Laborkontrollen unter der Therapie.

Zukunftsperspektive

Eine individuelle, symptomorientierte Strategie rückt im Management der Neurodermitis in den Vordergrund. Bei der Therapieauswahl sind unbedingt die Patientenbedürfnisse zu berücksichtigen. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung, also ein Shared-Decision-Making zwischen Arzt und Patient, wird angeraten. Zukünftig geplant ist, die europäische Leitlinie regelmäßig zu überarbeiten und somit gerade im Bereich der systemischen Therapie eine Living Guideline zu erstellen, das heißt, die Empfehlungen in kurzen Abständen (z. B. jährlich) zu aktualisieren. Diese Intention verfolgt das Ziel, mithilfe bestmöglich verfügbarer Evidenz die Entscheidungsfindung im klinischen Alltag zu erleichtern. |

 

Literatur

 [1] Wollenberg A et al. EuroGuiDerm Guideline for the systemic treatment of Atopic Eczema. www.edf.one/de/home/Guidelines/EuroGuiDerm-2022.html

 [2] Systemtherapie bei Neurodermitis. Aktualisierung zur S2k-Leitlinie Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis], https://register.awmf.org/assets/guidelines/013_D_Dermatologische_Ges/013-027l_S2k_Neurodermitis_Aktualisierung-Systemtherapie_2021-05.pdf

 [3] Barth D. Atopische Dermatitis. Neue Systemtherapeutika im Überblick. hautnah dermatologie 04/2022; www.springermedizin.de/atopische-dermatitis/immunmodulatoren/neue-systemtherapeutika-im-ueberblick/23299524

 [4] Akinlade B et al. Conjunctivitis in dupilumab clinical trials. Br J Dermatol 2019;181;459-473, doi: 10.1111/bjd.17869

 [5] Wollenberg A et al. Laboratory safety of dupilumab in moderate-to-severe atopic dermatitis: results from three phase III trials (LIBERTY AD SOLO 1, LIBERTY AD SOLO 2, LIBERTY AD CHRONOS). Br J Dermatol 2020;182;1120-1135, doi: 10.1111/bjd.18434

 [6] Wollenberg A et al. Tralokinumab for moderate-to-severe atopic dermatitis: results from two 52-week, randomized, double-blind, multicentre, placebo-controlled phase III trials (ECZTRA 1 and ECZTRA 2). Br J Dermatol 2021;184;437-449, doi: 10.1111/bjd.19574

 [7] A Study of Baricitinib (LY3009104) in Combination With Topical Corticosteroids in Adults With Moderate to Severe Atopic Dermatitis (BREEZE-AD7); https://clinicaltrials.gov/ct2/show/results/NCT03733301

 [8] Blauvelt A et al. Efficacy and Safety of Upadacitinib vs Dupilumab in Adults With Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis: A Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol 2021;157;1047-1055, doi: 10.1001/jamadermatol.2021.3023

 [9] Bieber T et al. Abrocitinib versus Placebo or Dupilumab for Atopic Dermatitis. N Engl J Med 2021;384;1101-1112, doi: 10.1056/NEJMoa2019380

[10] Lauffer F, Biedermann T. Einschätzungen zur Therapie der moderaten bis schweren atopischen Dermatitis mit Januskinase-Inhibitoren. Hautarzt 2022;73:520-528, https://doi.org/10.1007/s00105-022-05004-6

[11] Vestergaard C et al. European task force on atopic dermatitis position paper: treatment of parental atopic dermatitis during preconception, pregnancy and lactation period. J Eur Acad Dermatol Venereol 2019;33;1644-1659, doi: 10.1111/jdv.15709

 

Autorin

Dr. Ines Winterhagen, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Homöopathie und Naturheilkunde; Autorin für die DAZ und den Deutschen Apotheker Verlag.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.